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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz für Damen darzustellen und zu enträthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstände, um zu finden, daß die weibliche Organisation ganz auf den einen schönen Zweck der Mütterlichkeit gerichtet ist. Und eben darum müßt ihr es den Priestern der bildenden Kunst verzeihen, wenn viele derselben der männlichen Gestalt den Preis der Schönheit zusprechen, obgleich die himmlische Einfachheit der Umrisse ein Vorzug der weiblichen ist. "Aber wie, wirst Du sagen, kann denn das gefräßige Geschlecht sich nicht an dem Farbenspiele und dem Dufte einer Blume ergötzen, ohne gleich an die Frucht zu denken, die in ihrem Kelche reifen soll?" -- Ach! liebe Freundin, es sind nicht die Männer, die ihr hier gegen Euch habt, auch nicht einmal die Künstler. Jhr mögt es mit der Poesie, und mit der Kunst selbst ausmachen, wenn sie so gar den Schein des Nützlichen hassen und verfolgen, und das Selbstständige, Jnsichvollendete so lieben, und den Egoismus in Schutz nehmen. Freylich erscheinen auch in der männlichen Gestalt Zwecke, und zwar gemeinere. Aber eben weil es mehrere sind, weil sie nicht ausschließend auf diesen, oder jenen Zweck gerichtet ist, entsteht aus dieser Unbestimmtheit ein gewisser göttlicher Schein von Unendlichkeit. Jst aber die männliche Gestalt reicher, selbstständiger, künstlicher und erhabener, so möchte ich die weibliche Gestalt menschlicher finden. Jn dem schönsten Manne ist die Göttlichkeit und Thierheit weit abgesonderter. Jn der weiblichen Gestalt ist beydes ganz verschmolzen,

das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz fuͤr Damen darzustellen und zu entraͤthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstaͤnde, um zu finden, daß die weibliche Organisation ganz auf den einen schoͤnen Zweck der Muͤtterlichkeit gerichtet ist. Und eben darum muͤßt ihr es den Priestern der bildenden Kunst verzeihen, wenn viele derselben der maͤnnlichen Gestalt den Preis der Schoͤnheit zusprechen, obgleich die himmlische Einfachheit der Umrisse ein Vorzug der weiblichen ist. “Aber wie, wirst Du sagen, kann denn das gefraͤßige Geschlecht sich nicht an dem Farbenspiele und dem Dufte einer Blume ergoͤtzen, ohne gleich an die Frucht zu denken, die in ihrem Kelche reifen soll?” — Ach! liebe Freundin, es sind nicht die Maͤnner, die ihr hier gegen Euch habt, auch nicht einmal die Kuͤnstler. Jhr moͤgt es mit der Poesie, und mit der Kunst selbst ausmachen, wenn sie so gar den Schein des Nuͤtzlichen hassen und verfolgen, und das Selbststaͤndige, Jnsichvollendete so lieben, und den Egoismus in Schutz nehmen. Freylich erscheinen auch in der maͤnnlichen Gestalt Zwecke, und zwar gemeinere. Aber eben weil es mehrere sind, weil sie nicht ausschließend auf diesen, oder jenen Zweck gerichtet ist, entsteht aus dieser Unbestimmtheit ein gewisser goͤttlicher Schein von Unendlichkeit. Jst aber die maͤnnliche Gestalt reicher, selbststaͤndiger, kuͤnstlicher und erhabener, so moͤchte ich die weibliche Gestalt menschlicher finden. Jn dem schoͤnsten Manne ist die Goͤttlichkeit und Thierheit weit abgesonderter. Jn der weiblichen Gestalt ist beydes ganz verschmolzen,

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[10/0018] das sonderbare Geheimniß des Geschlechtsunterschiedes mit Anstand und Eleganz fuͤr Damen darzustellen und zu entraͤthseln. Es bedarf gar nicht so vieler Umstaͤnde, um zu finden, daß die weibliche Organisation ganz auf den einen schoͤnen Zweck der Muͤtterlichkeit gerichtet ist. Und eben darum muͤßt ihr es den Priestern der bildenden Kunst verzeihen, wenn viele derselben der maͤnnlichen Gestalt den Preis der Schoͤnheit zusprechen, obgleich die himmlische Einfachheit der Umrisse ein Vorzug der weiblichen ist. “Aber wie, wirst Du sagen, kann denn das gefraͤßige Geschlecht sich nicht an dem Farbenspiele und dem Dufte einer Blume ergoͤtzen, ohne gleich an die Frucht zu denken, die in ihrem Kelche reifen soll?” — Ach! liebe Freundin, es sind nicht die Maͤnner, die ihr hier gegen Euch habt, auch nicht einmal die Kuͤnstler. Jhr moͤgt es mit der Poesie, und mit der Kunst selbst ausmachen, wenn sie so gar den Schein des Nuͤtzlichen hassen und verfolgen, und das Selbststaͤndige, Jnsichvollendete so lieben, und den Egoismus in Schutz nehmen. Freylich erscheinen auch in der maͤnnlichen Gestalt Zwecke, und zwar gemeinere. Aber eben weil es mehrere sind, weil sie nicht ausschließend auf diesen, oder jenen Zweck gerichtet ist, entsteht aus dieser Unbestimmtheit ein gewisser goͤttlicher Schein von Unendlichkeit. Jst aber die maͤnnliche Gestalt reicher, selbststaͤndiger, kuͤnstlicher und erhabener, so moͤchte ich die weibliche Gestalt menschlicher finden. Jn dem schoͤnsten Manne ist die Goͤttlichkeit und Thierheit weit abgesonderter. Jn der weiblichen Gestalt ist beydes ganz verschmolzen,

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/18>, abgerufen am 27.04.2024.