Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Natur. Aber keiner kann allein das Ganze um"fassen, sondern als Mensch unter Menschen kann er "es nur durch alle. Mithin müssen Alle jene Jdee "des Einzelnen realisiren, welches wieder nur durch "die vollkommenste Harmonie ihrer Vorstellungen von "der Welt und ihrer Kraftäußerung auf sie mög"lich ist." "Die Staatsverfassungen sind Versuche, jene "Uebereinstimmung und jene Beherrschung der Natur "auszuführen, und -- weil es kein absolutes Mißlin"gen giebt -- wenigstens zum Theil gelungene "Versuche. So lange die Welt steht, hat es keinen "Herrscher gegeben und keinen Knecht, sondern die "Gesellschaft strebt nach Einigkeit mit sich selbst, und "das ist die Bedeutung alles dessen, was wir sehen." Jn unserm Handeln selbst liegt also die innigste Vereinigung des Menschen mit dem Menschen, und es ist keine Handlung möglich, die dem schlechthin widerspräche. Behaupten wir daher eine Ungleichheit unter den Menschen, so kann es selbst nur durch den Zweck unsers Handelns geschehen, und wo wir diesen im Gegenstande vor Augen haben, wird die Behauptung unmöglich. Wir mißdeuten also unser eigenes thätiges Daseyn in dem Bedürfnisse auf das innigste mit dem Menschen verbunden zu seyn. Wir suchen und wollen nichts anders, so gewiß wir nur handeln. Aber so gewiß wir nur handeln, können wir es nirgends auch suchen als in der wirklichen Anschauung. Hier finden wir es nun nimmer, wenn wir den Gegenstand nicht zugleich in unserm Natur. Aber keiner kann allein das Ganze um“fassen, sondern als Mensch unter Menschen kann er “es nur durch alle. Mithin muͤssen Alle jene Jdee “des Einzelnen realisiren, welches wieder nur durch “die vollkommenste Harmonie ihrer Vorstellungen von “der Welt und ihrer Kraftaͤußerung auf sie moͤg“lich ist.” “Die Staatsverfassungen sind Versuche, jene “Uebereinstimmung und jene Beherrschung der Natur “auszufuͤhren, und — weil es kein absolutes Mißlin“gen giebt — wenigstens zum Theil gelungene “Versuche. So lange die Welt steht, hat es keinen “Herrscher gegeben und keinen Knecht, sondern die “Gesellschaft strebt nach Einigkeit mit sich selbst, und “das ist die Bedeutung alles dessen, was wir sehen.” Jn unserm Handeln selbst liegt also die innigste Vereinigung des Menschen mit dem Menschen, und es ist keine Handlung moͤglich, die dem schlechthin widerspraͤche. Behaupten wir daher eine Ungleichheit unter den Menschen, so kann es selbst nur durch den Zweck unsers Handelns geschehen, und wo wir diesen im Gegenstande vor Augen haben, wird die Behauptung unmoͤglich. Wir mißdeuten also unser eigenes thaͤtiges Daseyn in dem Beduͤrfnisse auf das innigste mit dem Menschen verbunden zu seyn. Wir suchen und wollen nichts anders, so gewiß wir nur handeln. Aber so gewiß wir nur handeln, koͤnnen wir es nirgends auch suchen als in der wirklichen Anschauung. Hier finden wir es nun nimmer, wenn wir den Gegenstand nicht zugleich in unserm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0178" n="170"/> Natur. Aber keiner kann allein das Ganze um“fassen, sondern als Mensch unter Menschen kann er “es nur <hi rendition="#g">durch alle</hi>. Mithin muͤssen <hi rendition="#g">Alle</hi> jene Jdee “des Einzelnen realisiren, welches wieder nur durch “die vollkommenste Harmonie ihrer Vorstellungen von “der Welt und ihrer Kraftaͤußerung auf sie moͤg“lich ist.”</p><lb/> <p>“Die Staatsverfassungen sind Versuche, jene “Uebereinstimmung und jene Beherrschung der Natur “auszufuͤhren, und — weil es kein absolutes Mißlin“gen giebt — wenigstens zum <hi rendition="#g">Theil gelungene</hi> “Versuche. So lange die Welt steht, hat es keinen “Herrscher gegeben und keinen Knecht, sondern die “Gesellschaft strebt nach Einigkeit mit sich selbst, und “das ist die Bedeutung alles dessen, was wir sehen.”</p><lb/> <p>Jn unserm Handeln selbst liegt also die innigste Vereinigung des Menschen mit dem Menschen, und es ist keine Handlung moͤglich, die dem schlechthin widerspraͤche. Behaupten wir daher eine Ungleichheit unter den Menschen, so kann es selbst nur durch den Zweck unsers Handelns geschehen, und wo wir diesen im Gegenstande vor Augen haben, wird die Behauptung unmoͤglich.</p><lb/> <p>Wir mißdeuten also unser eigenes thaͤtiges Daseyn in dem Beduͤrfnisse auf das innigste mit dem Menschen verbunden zu seyn. Wir suchen und wollen nichts anders, so gewiß wir nur handeln. Aber so gewiß wir nur handeln, koͤnnen wir es nirgends auch suchen als in der wirklichen Anschauung. Hier finden wir es nun nimmer, wenn wir den Gegenstand nicht zugleich in unserm </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0178]
Natur. Aber keiner kann allein das Ganze um“fassen, sondern als Mensch unter Menschen kann er “es nur durch alle. Mithin muͤssen Alle jene Jdee “des Einzelnen realisiren, welches wieder nur durch “die vollkommenste Harmonie ihrer Vorstellungen von “der Welt und ihrer Kraftaͤußerung auf sie moͤg“lich ist.”
“Die Staatsverfassungen sind Versuche, jene “Uebereinstimmung und jene Beherrschung der Natur “auszufuͤhren, und — weil es kein absolutes Mißlin“gen giebt — wenigstens zum Theil gelungene “Versuche. So lange die Welt steht, hat es keinen “Herrscher gegeben und keinen Knecht, sondern die “Gesellschaft strebt nach Einigkeit mit sich selbst, und “das ist die Bedeutung alles dessen, was wir sehen.”
Jn unserm Handeln selbst liegt also die innigste Vereinigung des Menschen mit dem Menschen, und es ist keine Handlung moͤglich, die dem schlechthin widerspraͤche. Behaupten wir daher eine Ungleichheit unter den Menschen, so kann es selbst nur durch den Zweck unsers Handelns geschehen, und wo wir diesen im Gegenstande vor Augen haben, wird die Behauptung unmoͤglich.
Wir mißdeuten also unser eigenes thaͤtiges Daseyn in dem Beduͤrfnisse auf das innigste mit dem Menschen verbunden zu seyn. Wir suchen und wollen nichts anders, so gewiß wir nur handeln. Aber so gewiß wir nur handeln, koͤnnen wir es nirgends auch suchen als in der wirklichen Anschauung. Hier finden wir es nun nimmer, wenn wir den Gegenstand nicht zugleich in unserm
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/178>, abgerufen am 16.02.2025. |