Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Mutter Antliz blaßt in Todesschauer,
Die thränenlosen Augen sind verglommen,
Jhr stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen.
Kein sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer.
Das prophezeyt' ihr einst das Wort des Frommen:
Es wird ein Schwert durch Deine Seele gehen.
Die Himmelfahrt der Jungfrau.
Wie ist mir? Wonne blitzt von Gottes Throne,
Und hat mit süßen Banden mich umschlungen.
Mein Sehnen ist die Himmel durchgedrungen:
Jch seh' den Vater bey dem theuern Sohne.
Hinan! hinan! auf daß ich bey euch wohne,
Vom Zug der Liebe leicht emporgeschwungen!
Jhr Heil'gen, die ihr treu mit mir gerungen,
Glaubt, liebet, hofft, und einst empfaht die Krone! --
Und wie sie so auf Wolk' und Duft entschwindet,
Umlächeln sie des Himmels jüngste Söhne;
Schon weichen unter ihrem Fuß die Sonnen.
Jm Lichte wird ein neues Licht enzündet,
So strahlt die Braut, verklärt in reiner Schöne,
Und ruht nun liebend an der Liebe Bronnen.
Der Mutter Antliz blaßt in Todesschauer,
Die thraͤnenlosen Augen sind verglommen,
Jhr stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen.
Kein sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer.
Das prophezeyt' ihr einst das Wort des Frommen:
Es wird ein Schwert durch Deine Seele gehen.
Die Himmelfahrt der Jungfrau.
Wie ist mir? Wonne blitzt von Gottes Throne,
Und hat mit suͤßen Banden mich umschlungen.
Mein Sehnen ist die Himmel durchgedrungen:
Jch seh' den Vater bey dem theuern Sohne.
Hinan! hinan! auf daß ich bey euch wohne,
Vom Zug der Liebe leicht emporgeschwungen!
Jhr Heil'gen, die ihr treu mit mir gerungen,
Glaubt, liebet, hofft, und einst empfaht die Krone! —
Und wie sie so auf Wolk' und Duft entschwindet,
Umlaͤcheln sie des Himmels juͤngste Soͤhne;
Schon weichen unter ihrem Fuß die Sonnen.
Jm Lichte wird ein neues Licht enzuͤndet,
So strahlt die Braut, verklaͤrt in reiner Schoͤne,
Und ruht nun liebend an der Liebe Bronnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0149" n="141"/>
            <lg n="3">
              <l>Der Mutter Antliz blaßt in Todesschauer,</l><lb/>
              <l>Die thra&#x0364;nenlosen Augen sind verglommen,</l><lb/>
              <l>Jhr stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Kein sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer.</l><lb/>
              <l>Das prophezeyt' ihr einst das Wort des Frommen:</l><lb/>
              <l>Es wird ein Schwert durch Deine Seele gehen.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <head>Die Himmelfahrt der Jungfrau.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Wie ist mir? Wonne blitzt von Gottes Throne,</l><lb/>
              <l>Und hat mit su&#x0364;ßen Banden mich umschlungen.</l><lb/>
              <l>Mein Sehnen ist die Himmel durchgedrungen:</l><lb/>
              <l>Jch seh' den Vater bey dem theuern Sohne.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Hinan! hinan! auf daß ich bey euch wohne,</l><lb/>
              <l>Vom Zug der Liebe leicht emporgeschwungen!</l><lb/>
              <l>Jhr Heil'gen, die ihr treu mit mir gerungen,</l><lb/>
              <l>Glaubt, liebet, hofft, und einst empfaht die Krone! &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und wie sie so auf Wolk' und Duft entschwindet,</l><lb/>
              <l>Umla&#x0364;cheln sie des Himmels ju&#x0364;ngste So&#x0364;hne;</l><lb/>
              <l>Schon weichen unter ihrem Fuß die Sonnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Jm Lichte wird ein neues Licht enzu&#x0364;ndet,</l><lb/>
              <l>So strahlt die Braut, verkla&#x0364;rt in reiner Scho&#x0364;ne,</l><lb/>
              <l>Und ruht nun liebend an der Liebe Bronnen.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0149] Der Mutter Antliz blaßt in Todesschauer, Die thraͤnenlosen Augen sind verglommen, Jhr stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen. Kein sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer. Das prophezeyt' ihr einst das Wort des Frommen: Es wird ein Schwert durch Deine Seele gehen. Die Himmelfahrt der Jungfrau. Wie ist mir? Wonne blitzt von Gottes Throne, Und hat mit suͤßen Banden mich umschlungen. Mein Sehnen ist die Himmel durchgedrungen: Jch seh' den Vater bey dem theuern Sohne. Hinan! hinan! auf daß ich bey euch wohne, Vom Zug der Liebe leicht emporgeschwungen! Jhr Heil'gen, die ihr treu mit mir gerungen, Glaubt, liebet, hofft, und einst empfaht die Krone! — Und wie sie so auf Wolk' und Duft entschwindet, Umlaͤcheln sie des Himmels juͤngste Soͤhne; Schon weichen unter ihrem Fuß die Sonnen. Jm Lichte wird ein neues Licht enzuͤndet, So strahlt die Braut, verklaͤrt in reiner Schoͤne, Und ruht nun liebend an der Liebe Bronnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/149
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/149>, abgerufen am 04.05.2024.