Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.in die klassische Mythologie und Geschichte, oder plagen sich mit Allegorie, oder wenn sie recht nordische Naturen sind, lassen sie gar die Geister Ossians im Nebel erscheinen. Waller. Das erste thaten die Meister der schönsten Periode auch zuweilen zur Abwechselung; doch blieb die Religion mit ihren Geschichten immer ihre Hauptbeschäftigung, so wie sie ihnen fast ausschließend Beschäftigung gab. Man hat es noch nicht erlebt, daß die große Geschichtsmahlerey in einem protestantischen Lande recht geblüht hätte. Reinhold. Der politische Enthusiasmus müßte ihr dann irgendwo ein neues weites Feld und eine ruhmvolle öffentliche Bestimmung öffnen. Waller. Sie würde freylich dadurch aus der Verlegenheit gezogen, meistens für ein gelehrteres Privatinteresse zu arbeiten, welches niemals popular werden kann. Allein der Republikanismus wird nie etwas übermenschliches ersinnen. Wenn der Künstler auf dieses also nicht ganz Verzicht thun will, so ist er auf die Alternative reduzirt, die Jdeale einer ausgestorbnen Götterwelt zu wiederholen, oder den göttlichen und heiligen Personen eines noch bestehenden und wirkenden Glaubens fortbildend zu huldigen. Reinhold. Eines noch bestehenden! Aber wie lange? Waller. Als schöne freye Dichtung verdient er eine unvergängliche Dauer. Jch habe ihn als solche zu nehmen versucht, und mir nicht grade einzelne Gemählde, aber hergebrachte Gegenstände dazu gewählt. in die klassische Mythologie und Geschichte, oder plagen sich mit Allegorie, oder wenn sie recht nordische Naturen sind, lassen sie gar die Geister Ossians im Nebel erscheinen. Waller. Das erste thaten die Meister der schoͤnsten Periode auch zuweilen zur Abwechselung; doch blieb die Religion mit ihren Geschichten immer ihre Hauptbeschaͤftigung, so wie sie ihnen fast ausschließend Beschaͤftigung gab. Man hat es noch nicht erlebt, daß die große Geschichtsmahlerey in einem protestantischen Lande recht gebluͤht haͤtte. Reinhold. Der politische Enthusiasmus muͤßte ihr dann irgendwo ein neues weites Feld und eine ruhmvolle oͤffentliche Bestimmung oͤffnen. Waller. Sie wuͤrde freylich dadurch aus der Verlegenheit gezogen, meistens fuͤr ein gelehrteres Privatinteresse zu arbeiten, welches niemals popular werden kann. Allein der Republikanismus wird nie etwas uͤbermenschliches ersinnen. Wenn der Kuͤnstler auf dieses also nicht ganz Verzicht thun will, so ist er auf die Alternative reduzirt, die Jdeale einer ausgestorbnen Goͤtterwelt zu wiederholen, oder den goͤttlichen und heiligen Personen eines noch bestehenden und wirkenden Glaubens fortbildend zu huldigen. Reinhold. Eines noch bestehenden! Aber wie lange? Waller. Als schoͤne freye Dichtung verdient er eine unvergaͤngliche Dauer. Jch habe ihn als solche zu nehmen versucht, und mir nicht grade einzelne Gemaͤhlde, aber hergebrachte Gegenstaͤnde dazu gewaͤhlt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="136"/> in die klassische Mythologie und Geschichte, oder plagen sich mit Allegorie, oder wenn sie recht nordische Naturen sind, lassen sie gar die Geister Ossians im Nebel erscheinen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Das erste thaten die Meister der schoͤnsten Periode auch zuweilen zur Abwechselung; doch blieb die Religion mit ihren Geschichten immer ihre Hauptbeschaͤftigung, so wie sie ihnen fast ausschließend Beschaͤftigung gab. Man hat es noch nicht erlebt, daß die große Geschichtsmahlerey in einem protestantischen Lande recht gebluͤht haͤtte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Der politische Enthusiasmus muͤßte ihr dann irgendwo ein neues weites Feld und eine ruhmvolle oͤffentliche Bestimmung oͤffnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Sie wuͤrde freylich dadurch aus der Verlegenheit gezogen, meistens fuͤr ein gelehrteres Privatinteresse zu arbeiten, welches niemals popular werden kann. Allein der Republikanismus wird nie etwas uͤbermenschliches ersinnen. Wenn der Kuͤnstler auf dieses also nicht ganz Verzicht thun will, so ist er auf die Alternative reduzirt, die Jdeale einer ausgestorbnen Goͤtterwelt zu wiederholen, oder den goͤttlichen und heiligen Personen eines noch bestehenden und wirkenden Glaubens fortbildend zu huldigen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Eines noch bestehenden! Aber wie lange?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Als schoͤne freye Dichtung verdient er eine unvergaͤngliche Dauer. Jch habe ihn als solche zu nehmen versucht, und mir nicht grade einzelne Gemaͤhlde, aber hergebrachte Gegenstaͤnde dazu gewaͤhlt. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0144]
in die klassische Mythologie und Geschichte, oder plagen sich mit Allegorie, oder wenn sie recht nordische Naturen sind, lassen sie gar die Geister Ossians im Nebel erscheinen.
Waller. Das erste thaten die Meister der schoͤnsten Periode auch zuweilen zur Abwechselung; doch blieb die Religion mit ihren Geschichten immer ihre Hauptbeschaͤftigung, so wie sie ihnen fast ausschließend Beschaͤftigung gab. Man hat es noch nicht erlebt, daß die große Geschichtsmahlerey in einem protestantischen Lande recht gebluͤht haͤtte.
Reinhold. Der politische Enthusiasmus muͤßte ihr dann irgendwo ein neues weites Feld und eine ruhmvolle oͤffentliche Bestimmung oͤffnen.
Waller. Sie wuͤrde freylich dadurch aus der Verlegenheit gezogen, meistens fuͤr ein gelehrteres Privatinteresse zu arbeiten, welches niemals popular werden kann. Allein der Republikanismus wird nie etwas uͤbermenschliches ersinnen. Wenn der Kuͤnstler auf dieses also nicht ganz Verzicht thun will, so ist er auf die Alternative reduzirt, die Jdeale einer ausgestorbnen Goͤtterwelt zu wiederholen, oder den goͤttlichen und heiligen Personen eines noch bestehenden und wirkenden Glaubens fortbildend zu huldigen.
Reinhold. Eines noch bestehenden! Aber wie lange?
Waller. Als schoͤne freye Dichtung verdient er eine unvergaͤngliche Dauer. Jch habe ihn als solche zu nehmen versucht, und mir nicht grade einzelne Gemaͤhlde, aber hergebrachte Gegenstaͤnde dazu gewaͤhlt.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/144>, abgerufen am 16.02.2025. |