Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.aber nicht gleich von ebner Länge, tritt hier und da unregelmäßig in die ebne, wenig gewölbte Stirn herein, und fließt an beyden Seiten des länglichten, doch geräumigen Gesichtes auf die Schultern herab; große braune Augen von offnem, festem, lichtem Blick, über die sich die vom aufgeschlagnen Augenliede gebildete Linie in ungewöhnlicher Entfernung schön gebogen herumzieht; über ihnen Schatten durch die Vertiefung unter den Augenbrauen; diese nicht stark, welches die Majestät vermindert, aber auch nicht schlicht anliegend, sondern von etwas strebendem und ungleichem Haar, und also auch nicht von einem leidenden Charakter; die Nase mit einer kleinen Einbiegung an die Stirn gefügt, der Nasenrücken breit, doch rundet er sich an beyden Seiten; der Zwischenraum von da bis zur Oberlippe klein und nicht sehr nach innen ausgeschweift; die Lippen voll, der Mund in einer ziemlich ebnen Linie geschlossen, die beschattete Vertiefung über dem Kinn sehr kräftig, der Bart mit hellerem und krauserem Haar angeflogen; alle Züge groß und in ihrer Großheit still und geordnet; ein hoher einfältiger Beruf, keine schwermüthige Vorahndung von Leiden, sondern die weiseste, heiterste, überschauendste Fassung; viel von einem Sohne Jupiters und doch auch etwas von einem Juden: das ist der Christuskopf des Hannibal Carracci." Louise. Der Schluß Jhrer Beschreibung blieb mir kein Räthsel, ich erkannte darnach das Bild viel früher. Das ist wirklich der Christus des Hannibal aber nicht gleich von ebner Laͤnge, tritt hier und da unregelmaͤßig in die ebne, wenig gewoͤlbte Stirn herein, und fließt an beyden Seiten des laͤnglichten, doch geraͤumigen Gesichtes auf die Schultern herab; große braune Augen von offnem, festem, lichtem Blick, uͤber die sich die vom aufgeschlagnen Augenliede gebildete Linie in ungewoͤhnlicher Entfernung schoͤn gebogen herumzieht; uͤber ihnen Schatten durch die Vertiefung unter den Augenbrauen; diese nicht stark, welches die Majestaͤt vermindert, aber auch nicht schlicht anliegend, sondern von etwas strebendem und ungleichem Haar, und also auch nicht von einem leidenden Charakter; die Nase mit einer kleinen Einbiegung an die Stirn gefuͤgt, der Nasenruͤcken breit, doch rundet er sich an beyden Seiten; der Zwischenraum von da bis zur Oberlippe klein und nicht sehr nach innen ausgeschweift; die Lippen voll, der Mund in einer ziemlich ebnen Linie geschlossen, die beschattete Vertiefung uͤber dem Kinn sehr kraͤftig, der Bart mit hellerem und krauserem Haar angeflogen; alle Zuͤge groß und in ihrer Großheit still und geordnet; ein hoher einfaͤltiger Beruf, keine schwermuͤthige Vorahndung von Leiden, sondern die weiseste, heiterste, uͤberschauendste Fassung; viel von einem Sohne Jupiters und doch auch etwas von einem Juden: das ist der Christuskopf des Hannibal Carracci.” Louise. Der Schluß Jhrer Beschreibung blieb mir kein Raͤthsel, ich erkannte darnach das Bild viel fruͤher. Das ist wirklich der Christus des Hannibal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="123"/> aber nicht gleich von ebner Laͤnge, tritt hier und da unregelmaͤßig in die ebne, wenig gewoͤlbte Stirn herein, und fließt an beyden Seiten des laͤnglichten, doch geraͤumigen Gesichtes auf die Schultern herab; große braune Augen von offnem, festem, lichtem Blick, uͤber die sich die vom aufgeschlagnen Augenliede gebildete Linie in ungewoͤhnlicher Entfernung schoͤn gebogen herumzieht; uͤber ihnen Schatten durch die Vertiefung unter den Augenbrauen; diese nicht stark, welches die Majestaͤt vermindert, aber auch nicht schlicht anliegend, sondern von etwas strebendem und ungleichem Haar, und also auch nicht von einem leidenden Charakter; die Nase mit einer kleinen Einbiegung an die Stirn gefuͤgt, der Nasenruͤcken breit, doch rundet er sich an beyden Seiten; der Zwischenraum von da bis zur Oberlippe klein und nicht sehr nach innen ausgeschweift; die Lippen voll, der Mund in einer ziemlich ebnen Linie geschlossen, die beschattete Vertiefung uͤber dem Kinn sehr kraͤftig, der Bart mit hellerem und krauserem Haar angeflogen; alle Zuͤge groß und in ihrer Großheit still und geordnet; ein hoher einfaͤltiger Beruf, keine schwermuͤthige Vorahndung von Leiden, sondern die weiseste, heiterste, uͤberschauendste Fassung; viel von einem Sohne Jupiters und doch auch etwas von einem Juden: das ist der Christuskopf des <hi rendition="#g">Hannibal Carracci</hi>.”</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Der Schluß Jhrer Beschreibung blieb mir kein Raͤthsel, ich erkannte darnach das Bild viel fruͤher. Das ist wirklich der Christus des Hannibal </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0131]
aber nicht gleich von ebner Laͤnge, tritt hier und da unregelmaͤßig in die ebne, wenig gewoͤlbte Stirn herein, und fließt an beyden Seiten des laͤnglichten, doch geraͤumigen Gesichtes auf die Schultern herab; große braune Augen von offnem, festem, lichtem Blick, uͤber die sich die vom aufgeschlagnen Augenliede gebildete Linie in ungewoͤhnlicher Entfernung schoͤn gebogen herumzieht; uͤber ihnen Schatten durch die Vertiefung unter den Augenbrauen; diese nicht stark, welches die Majestaͤt vermindert, aber auch nicht schlicht anliegend, sondern von etwas strebendem und ungleichem Haar, und also auch nicht von einem leidenden Charakter; die Nase mit einer kleinen Einbiegung an die Stirn gefuͤgt, der Nasenruͤcken breit, doch rundet er sich an beyden Seiten; der Zwischenraum von da bis zur Oberlippe klein und nicht sehr nach innen ausgeschweift; die Lippen voll, der Mund in einer ziemlich ebnen Linie geschlossen, die beschattete Vertiefung uͤber dem Kinn sehr kraͤftig, der Bart mit hellerem und krauserem Haar angeflogen; alle Zuͤge groß und in ihrer Großheit still und geordnet; ein hoher einfaͤltiger Beruf, keine schwermuͤthige Vorahndung von Leiden, sondern die weiseste, heiterste, uͤberschauendste Fassung; viel von einem Sohne Jupiters und doch auch etwas von einem Juden: das ist der Christuskopf des Hannibal Carracci.”
Louise. Der Schluß Jhrer Beschreibung blieb mir kein Raͤthsel, ich erkannte darnach das Bild viel fruͤher. Das ist wirklich der Christus des Hannibal
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/131>, abgerufen am 16.02.2025. |