Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

und von ihrer rechten Seite zu sehen. Sie hält die umgewandte Hand vor der Stirn und schaut umher. Jhre Gewänder werden so unordentlich nach vorn und auseinander geweht, daß man zuerst nicht begreift, weswegen sie sich auf einer so windigen Anhöhe aufhält, bis man sich erinnert, daß es die Schwester des Kindes ist, welche in der Entfernung wachen muß, daß seine Aussetzung nicht bemerkt werde. Diese Entfernung schließt man aus der Verkleinerung, weniger aus den gedämpfteren Farben, denn die der vorderen Gegenstände sind schon matt und dumpf. Sie tritt daher zu nahe an die Mutter heran, und macht für eine Nebenperson zu viel Lärm. Die Zweydeutigkeit dieser Figur wird auf den ersten Anblick dadurch noch vermehrt, daß ihr Haarputz und ihr kurzes unter der Brust gegürtetes Obergewand und das untere, das sich seitwärts an den Knieen öffnet, etwas von der leichtgeschürzten Diana hat, so daß man sie für eine allegorische Gottheit halten könnte, wie den alten nackten Flußgott, der auf der vordersten Fläche liegend, beynah die ganze Breite des Bildes einnimmt. Er lehnt sich mit der Linken auf ein Felsstück, hinter welchem der Strom sich verliert; die rechte greift an das nachläßig angezogene linke Knie, der rechte Schenkel ist ausgestreckt, und wie der Rücken in seiner ganzen Länge sichtbar. Ein Füllhorn auf dem Boden neben ihm bezeichnet den befruchtenden Nil. Er sieht der Handlung, die an seinem Ufer vorgeht, in majestätischer Ruhe zu. Seine Formen sind groß, aber für lebendiges Fleisch

und von ihrer rechten Seite zu sehen. Sie haͤlt die umgewandte Hand vor der Stirn und schaut umher. Jhre Gewaͤnder werden so unordentlich nach vorn und auseinander geweht, daß man zuerst nicht begreift, weswegen sie sich auf einer so windigen Anhoͤhe aufhaͤlt, bis man sich erinnert, daß es die Schwester des Kindes ist, welche in der Entfernung wachen muß, daß seine Aussetzung nicht bemerkt werde. Diese Entfernung schließt man aus der Verkleinerung, weniger aus den gedaͤmpfteren Farben, denn die der vorderen Gegenstaͤnde sind schon matt und dumpf. Sie tritt daher zu nahe an die Mutter heran, und macht fuͤr eine Nebenperson zu viel Laͤrm. Die Zweydeutigkeit dieser Figur wird auf den ersten Anblick dadurch noch vermehrt, daß ihr Haarputz und ihr kurzes unter der Brust geguͤrtetes Obergewand und das untere, das sich seitwaͤrts an den Knieen oͤffnet, etwas von der leichtgeschuͤrzten Diana hat, so daß man sie fuͤr eine allegorische Gottheit halten koͤnnte, wie den alten nackten Flußgott, der auf der vordersten Flaͤche liegend, beynah die ganze Breite des Bildes einnimmt. Er lehnt sich mit der Linken auf ein Felsstuͤck, hinter welchem der Strom sich verliert; die rechte greift an das nachlaͤßig angezogene linke Knie, der rechte Schenkel ist ausgestreckt, und wie der Ruͤcken in seiner ganzen Laͤnge sichtbar. Ein Fuͤllhorn auf dem Boden neben ihm bezeichnet den befruchtenden Nil. Er sieht der Handlung, die an seinem Ufer vorgeht, in majestaͤtischer Ruhe zu. Seine Formen sind groß, aber fuͤr lebendiges Fleisch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="117"/>
und von ihrer rechten Seite zu sehen. Sie ha&#x0364;lt die umgewandte Hand vor der Stirn und schaut umher. Jhre Gewa&#x0364;nder werden so unordentlich nach vorn und auseinander geweht, daß man zuerst nicht begreift, weswegen sie sich auf einer so windigen Anho&#x0364;he aufha&#x0364;lt, bis man sich erinnert, daß es die Schwester des Kindes ist, welche in der Entfernung wachen muß, daß seine Aussetzung nicht bemerkt werde. Diese Entfernung schließt man aus der Verkleinerung, weniger aus den geda&#x0364;mpfteren Farben, denn die der vorderen Gegensta&#x0364;nde sind schon matt und dumpf. Sie tritt daher zu nahe an die Mutter heran, und macht fu&#x0364;r eine Nebenperson zu viel La&#x0364;rm. Die Zweydeutigkeit dieser Figur wird auf den ersten Anblick dadurch noch vermehrt, daß ihr Haarputz und ihr kurzes unter der Brust gegu&#x0364;rtetes Obergewand und das untere, das sich seitwa&#x0364;rts an den Knieen o&#x0364;ffnet, etwas von der leichtgeschu&#x0364;rzten Diana hat, so daß man sie fu&#x0364;r eine allegorische Gottheit halten ko&#x0364;nnte, wie den alten nackten Flußgott, der auf der vordersten Fla&#x0364;che liegend, beynah die ganze Breite des Bildes einnimmt. Er lehnt sich mit der Linken auf ein Felsstu&#x0364;ck, hinter welchem der Strom sich verliert; die rechte greift an das nachla&#x0364;ßig angezogene linke Knie, der rechte Schenkel ist ausgestreckt, und wie der Ru&#x0364;cken in seiner ganzen La&#x0364;nge sichtbar. Ein Fu&#x0364;llhorn auf dem Boden neben ihm bezeichnet den befruchtenden Nil. Er sieht der Handlung, die an seinem Ufer vorgeht, in majesta&#x0364;tischer Ruhe zu. Seine Formen sind groß, aber fu&#x0364;r lebendiges Fleisch
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0125] und von ihrer rechten Seite zu sehen. Sie haͤlt die umgewandte Hand vor der Stirn und schaut umher. Jhre Gewaͤnder werden so unordentlich nach vorn und auseinander geweht, daß man zuerst nicht begreift, weswegen sie sich auf einer so windigen Anhoͤhe aufhaͤlt, bis man sich erinnert, daß es die Schwester des Kindes ist, welche in der Entfernung wachen muß, daß seine Aussetzung nicht bemerkt werde. Diese Entfernung schließt man aus der Verkleinerung, weniger aus den gedaͤmpfteren Farben, denn die der vorderen Gegenstaͤnde sind schon matt und dumpf. Sie tritt daher zu nahe an die Mutter heran, und macht fuͤr eine Nebenperson zu viel Laͤrm. Die Zweydeutigkeit dieser Figur wird auf den ersten Anblick dadurch noch vermehrt, daß ihr Haarputz und ihr kurzes unter der Brust geguͤrtetes Obergewand und das untere, das sich seitwaͤrts an den Knieen oͤffnet, etwas von der leichtgeschuͤrzten Diana hat, so daß man sie fuͤr eine allegorische Gottheit halten koͤnnte, wie den alten nackten Flußgott, der auf der vordersten Flaͤche liegend, beynah die ganze Breite des Bildes einnimmt. Er lehnt sich mit der Linken auf ein Felsstuͤck, hinter welchem der Strom sich verliert; die rechte greift an das nachlaͤßig angezogene linke Knie, der rechte Schenkel ist ausgestreckt, und wie der Ruͤcken in seiner ganzen Laͤnge sichtbar. Ein Fuͤllhorn auf dem Boden neben ihm bezeichnet den befruchtenden Nil. Er sieht der Handlung, die an seinem Ufer vorgeht, in majestaͤtischer Ruhe zu. Seine Formen sind groß, aber fuͤr lebendiges Fleisch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/125
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/125>, abgerufen am 03.05.2024.