Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.durchschimmern lassen: beydes wie aus der Natur gestohlen. Die obige Bemerkung finde ich gleich an dem daneben hängenden Bilde desselben Meisters bestätigt, das unter dem Namen Quos ego berühmt ist. Eine Anspielung auf die Virgilische Szene, worin diese gebietenden Worte vorkommen, verherrlicht mit mythologisechm Aufwande die Seefahrt des Cardinals Ferdinand von Oesterreich von Spanien nach Jtalien. Aber wie hat die keusche Dichtung in diesem üppigen Boden gewuchert! Virgil würde sich schwerlich in einer solchen Nachbildung wieder erkennen, die halb eine überspannende Parodie, halb (wie Mengs sich bey einer andern Gelegenheit über Rubens ausdrückt) Uebersetzung ins Flamändische ist. Auf einem großen Muschelwagen, von Seerossen gezogen, fährt Neptun von der Linken herein. Die Kraft seiner Muskeln ist nicht durch Göttlichkeit gemäßigt, vielmehr schweift sie in Umrissen aus, die der Natur oder der Fantasie zu voreilig, nur noch als Entwurf, entschlüpft zu seyn scheinen. Jn dem Kopfe ist dagegen der ohnmächtige Zorn eines ganz gemeinen Menschen -- was sage ich? eines alten Weibes. Die zerwehten greisen Haare werden auch der Sache nicht den Ausschlag geben. Man wundert sich, daß er durch das Alter nicht mehr zur Vernunft gekommen ist. Warum schreitet er nur in einer solchen Fechterstellung weit aus, und hält den Dreyzack in der Rechten, als wollte er damit so recht ins Meer hineingabeln? Lenkte er statt dessen doch seine Rosse, die verwirrt über einander durchschimmern lassen: beydes wie aus der Natur gestohlen. Die obige Bemerkung finde ich gleich an dem daneben haͤngenden Bilde desselben Meisters bestaͤtigt, das unter dem Namen Quos ego beruͤhmt ist. Eine Anspielung auf die Virgilische Szene, worin diese gebietenden Worte vorkommen, verherrlicht mit mythologisechm Aufwande die Seefahrt des Cardinals Ferdinand von Oesterreich von Spanien nach Jtalien. Aber wie hat die keusche Dichtung in diesem uͤppigen Boden gewuchert! Virgil wuͤrde sich schwerlich in einer solchen Nachbildung wieder erkennen, die halb eine uͤberspannende Parodie, halb (wie Mengs sich bey einer andern Gelegenheit uͤber Rubens ausdruͤckt) Uebersetzung ins Flamaͤndische ist. Auf einem großen Muschelwagen, von Seerossen gezogen, faͤhrt Neptun von der Linken herein. Die Kraft seiner Muskeln ist nicht durch Goͤttlichkeit gemaͤßigt, vielmehr schweift sie in Umrissen aus, die der Natur oder der Fantasie zu voreilig, nur noch als Entwurf, entschluͤpft zu seyn scheinen. Jn dem Kopfe ist dagegen der ohnmaͤchtige Zorn eines ganz gemeinen Menschen — was sage ich? eines alten Weibes. Die zerwehten greisen Haare werden auch der Sache nicht den Ausschlag geben. Man wundert sich, daß er durch das Alter nicht mehr zur Vernunft gekommen ist. Warum schreitet er nur in einer solchen Fechterstellung weit aus, und haͤlt den Dreyzack in der Rechten, als wollte er damit so recht ins Meer hineingabeln? Lenkte er statt dessen doch seine Rosse, die verwirrt uͤber einander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="110"/> durchschimmern lassen: beydes wie aus der Natur gestohlen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die obige Bemerkung finde ich gleich an dem daneben haͤngenden Bilde desselben Meisters bestaͤtigt, das unter dem Namen Quos ego beruͤhmt ist. Eine Anspielung auf die Virgilische Szene, worin diese gebietenden Worte vorkommen, verherrlicht mit mythologisechm Aufwande die Seefahrt des Cardinals Ferdinand von Oesterreich von Spanien nach Jtalien. Aber wie hat die keusche Dichtung in diesem uͤppigen Boden gewuchert! Virgil wuͤrde sich schwerlich in einer solchen Nachbildung wieder erkennen, die halb eine uͤberspannende Parodie, halb (wie Mengs sich bey einer andern Gelegenheit uͤber Rubens ausdruͤckt) Uebersetzung ins Flamaͤndische ist. Auf einem großen Muschelwagen, von Seerossen gezogen, faͤhrt Neptun von der Linken herein. Die Kraft seiner Muskeln ist nicht durch Goͤttlichkeit gemaͤßigt, vielmehr schweift sie in Umrissen aus, die der Natur oder der Fantasie zu voreilig, nur noch als Entwurf, entschluͤpft zu seyn scheinen. Jn dem Kopfe ist dagegen der ohnmaͤchtige Zorn eines ganz gemeinen Menschen — was sage ich? eines alten Weibes. Die zerwehten greisen Haare werden auch der Sache nicht den Ausschlag geben. Man wundert sich, daß er durch das Alter nicht mehr zur Vernunft gekommen ist. Warum schreitet er nur in einer solchen Fechterstellung weit aus, und haͤlt den Dreyzack in der Rechten, als wollte er damit so recht ins Meer hineingabeln? Lenkte er statt dessen doch seine Rosse, die verwirrt uͤber einander </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
durchschimmern lassen: beydes wie aus der Natur gestohlen.
Die obige Bemerkung finde ich gleich an dem daneben haͤngenden Bilde desselben Meisters bestaͤtigt, das unter dem Namen Quos ego beruͤhmt ist. Eine Anspielung auf die Virgilische Szene, worin diese gebietenden Worte vorkommen, verherrlicht mit mythologisechm Aufwande die Seefahrt des Cardinals Ferdinand von Oesterreich von Spanien nach Jtalien. Aber wie hat die keusche Dichtung in diesem uͤppigen Boden gewuchert! Virgil wuͤrde sich schwerlich in einer solchen Nachbildung wieder erkennen, die halb eine uͤberspannende Parodie, halb (wie Mengs sich bey einer andern Gelegenheit uͤber Rubens ausdruͤckt) Uebersetzung ins Flamaͤndische ist. Auf einem großen Muschelwagen, von Seerossen gezogen, faͤhrt Neptun von der Linken herein. Die Kraft seiner Muskeln ist nicht durch Goͤttlichkeit gemaͤßigt, vielmehr schweift sie in Umrissen aus, die der Natur oder der Fantasie zu voreilig, nur noch als Entwurf, entschluͤpft zu seyn scheinen. Jn dem Kopfe ist dagegen der ohnmaͤchtige Zorn eines ganz gemeinen Menschen — was sage ich? eines alten Weibes. Die zerwehten greisen Haare werden auch der Sache nicht den Ausschlag geben. Man wundert sich, daß er durch das Alter nicht mehr zur Vernunft gekommen ist. Warum schreitet er nur in einer solchen Fechterstellung weit aus, und haͤlt den Dreyzack in der Rechten, als wollte er damit so recht ins Meer hineingabeln? Lenkte er statt dessen doch seine Rosse, die verwirrt uͤber einander
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |