Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.die ich in diesen Tagen zu meiner eignen Erinnerung aufsetzte, eben von solchen Stücken, zu denen Sie sich vielleicht nicht entschließen würden. Louise. Desto besser, der Mannichfaltigkeit wegen. Lassen Sie doch hören. Waller. Wenn Sie sich wollen gefallen lassen, ein wenig herabzusteigen, recht gern. Jch habe sie hier in der Schreibtafel. "Eine Satyrn- und eine Tigerfamilie, die zusammen Weinlese halten, von Rubens. Jene besteht aus dem Vater und zwey Buben, diese aus der Tigerin und drey ganz kleinen saugenden Jungen: sie bilden eine leicht übersehbare Gruppe. Der Vater ist zu alt: über vierzig Jahre hinaus ziemt es niemanden ein Satyr zu seyn, und dieser bekommt, glaube ich, schon graue Haare. Doch ist in seinen grinsenden Mienen, in den Muskeln des braunen Körpers, und in der Bewegung der ins blaue fallenden Beine, die bis auf den gespaltenen Fuß mehr denen eines Pferdes als eines Bockes gleichen, große Kraft. Er hat ein rauhes Fell um den Rücken und über den linken Arm geworfen, wovon nur die innre glatte Seite, die sich aufschlägt, der Fleischfarbe daneben zu ähnlich ist, uud dadurch eine widrige Wirkung macht. Links auf einem Felsenstücke sitzend, vor einem von Reben üppig umrankten Baume, der den größten Theil des Grundes einnimmt, drückt er mit beyden Händen abgerissene Trauben aus; die gewöhnliche Satyrngeberde, die Beine an die Schenkel in die Höhe zu ziehn, bezeichnet hier nicht die thierische Begierde: es ist die Ungeschicklichkeit die ich in diesen Tagen zu meiner eignen Erinnerung aufsetzte, eben von solchen Stuͤcken, zu denen Sie sich vielleicht nicht entschließen wuͤrden. Louise. Desto besser, der Mannichfaltigkeit wegen. Lassen Sie doch hoͤren. Waller. Wenn Sie sich wollen gefallen lassen, ein wenig herabzusteigen, recht gern. Jch habe sie hier in der Schreibtafel. “Eine Satyrn- und eine Tigerfamilie, die zusammen Weinlese halten, von Rubens. Jene besteht aus dem Vater und zwey Buben, diese aus der Tigerin und drey ganz kleinen saugenden Jungen: sie bilden eine leicht uͤbersehbare Gruppe. Der Vater ist zu alt: uͤber vierzig Jahre hinaus ziemt es niemanden ein Satyr zu seyn, und dieser bekommt, glaube ich, schon graue Haare. Doch ist in seinen grinsenden Mienen, in den Muskeln des braunen Koͤrpers, und in der Bewegung der ins blaue fallenden Beine, die bis auf den gespaltenen Fuß mehr denen eines Pferdes als eines Bockes gleichen, große Kraft. Er hat ein rauhes Fell um den Ruͤcken und uͤber den linken Arm geworfen, wovon nur die innre glatte Seite, die sich aufschlaͤgt, der Fleischfarbe daneben zu aͤhnlich ist, uud dadurch eine widrige Wirkung macht. Links auf einem Felsenstuͤcke sitzend, vor einem von Reben uͤppig umrankten Baume, der den groͤßten Theil des Grundes einnimmt, druͤckt er mit beyden Haͤnden abgerissene Trauben aus; die gewoͤhnliche Satyrngeberde, die Beine an die Schenkel in die Hoͤhe zu ziehn, bezeichnet hier nicht die thierische Begierde: es ist die Ungeschicklichkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0115" n="107"/> die ich in diesen Tagen zu meiner eignen Erinnerung aufsetzte, eben von solchen Stuͤcken, zu denen Sie sich vielleicht nicht entschließen wuͤrden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Desto besser, der Mannichfaltigkeit wegen. Lassen Sie doch hoͤren.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Wenn Sie sich wollen gefallen lassen, ein wenig herabzusteigen, recht gern. Jch habe sie hier in der Schreibtafel.</p><lb/> <p>“Eine Satyrn- und eine Tigerfamilie, die zusammen Weinlese halten, von <hi rendition="#g">Rubens</hi>. Jene besteht aus dem Vater und zwey Buben, diese aus der Tigerin und drey ganz kleinen saugenden Jungen: sie bilden eine leicht uͤbersehbare Gruppe. Der Vater ist zu alt: uͤber vierzig Jahre hinaus ziemt es niemanden ein Satyr zu seyn, und dieser bekommt, glaube ich, schon graue Haare. Doch ist in seinen grinsenden Mienen, in den Muskeln des braunen Koͤrpers, und in der Bewegung der ins blaue fallenden Beine, die bis auf den gespaltenen Fuß mehr denen eines Pferdes als eines Bockes gleichen, große Kraft. Er hat ein rauhes Fell um den Ruͤcken und uͤber den linken Arm geworfen, wovon nur die innre glatte Seite, die sich aufschlaͤgt, der Fleischfarbe daneben zu aͤhnlich ist, uud dadurch eine widrige Wirkung macht. Links auf einem Felsenstuͤcke sitzend, vor einem von Reben uͤppig umrankten Baume, der den groͤßten Theil des Grundes einnimmt, druͤckt er mit beyden Haͤnden abgerissene Trauben aus; die gewoͤhnliche Satyrngeberde, die Beine an die Schenkel in die Hoͤhe zu ziehn, bezeichnet hier nicht die thierische Begierde: es ist die Ungeschicklichkeit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0115]
die ich in diesen Tagen zu meiner eignen Erinnerung aufsetzte, eben von solchen Stuͤcken, zu denen Sie sich vielleicht nicht entschließen wuͤrden.
Louise. Desto besser, der Mannichfaltigkeit wegen. Lassen Sie doch hoͤren.
Waller. Wenn Sie sich wollen gefallen lassen, ein wenig herabzusteigen, recht gern. Jch habe sie hier in der Schreibtafel.
“Eine Satyrn- und eine Tigerfamilie, die zusammen Weinlese halten, von Rubens. Jene besteht aus dem Vater und zwey Buben, diese aus der Tigerin und drey ganz kleinen saugenden Jungen: sie bilden eine leicht uͤbersehbare Gruppe. Der Vater ist zu alt: uͤber vierzig Jahre hinaus ziemt es niemanden ein Satyr zu seyn, und dieser bekommt, glaube ich, schon graue Haare. Doch ist in seinen grinsenden Mienen, in den Muskeln des braunen Koͤrpers, und in der Bewegung der ins blaue fallenden Beine, die bis auf den gespaltenen Fuß mehr denen eines Pferdes als eines Bockes gleichen, große Kraft. Er hat ein rauhes Fell um den Ruͤcken und uͤber den linken Arm geworfen, wovon nur die innre glatte Seite, die sich aufschlaͤgt, der Fleischfarbe daneben zu aͤhnlich ist, uud dadurch eine widrige Wirkung macht. Links auf einem Felsenstuͤcke sitzend, vor einem von Reben uͤppig umrankten Baume, der den groͤßten Theil des Grundes einnimmt, druͤckt er mit beyden Haͤnden abgerissene Trauben aus; die gewoͤhnliche Satyrngeberde, die Beine an die Schenkel in die Hoͤhe zu ziehn, bezeichnet hier nicht die thierische Begierde: es ist die Ungeschicklichkeit
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