Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Geberden leidenschaftlicher Menschen, die er unbeobachtet beobachtete, als in den unmerklichsten optischen Täuschungen und den Phänomenen der Luftperspektiv; und in der Stille und Dunkelheit der Nacht ging er mit seiner Fantasie zu Rathe.

Waller. Das wunderbare ist, daß diese, bey allen excentrischen Flügen die er ihr erlaubte, wie man an seinen Erfindungen von ungeheuren Bestien und menschlichen Mißgestalten sieht, sich doch unter der Leitung seines grübelnden Kopfes gewöhnt hatte, gründlich und systematisch zu Werke gehn. So findet sich in seinem Buche eine Anzeichnung, wie eine Schlacht gemacht werden könnte, wo er diese große Erscheinung auf eine höchst merkwürdige Art, wenn ich so sagen darf, konstruirt. Er fängt an mit dem erregten Dampf und Staube, und der verschiedenen Behandlung beyder nach ihrer physischen Beschaffenheit; dann von der Beleuchtung durch das Feuer des Geschützes, und so steigt er von dem Allgemeinsten bis in die Tiefen des Getümmels, zu den Geberden und Lagen einzelner Streitenden hinab. Auch hier spürt er überall der Verkettung von Ursachen und Wirkungen nach, und nicht der kleinste Umstand, bis auf die tiefer eingedrückten Fußtapfen in dem Boden, der durch Vermischung des Staubes und Blutes schlüpfrig geworden ist, entgeht ihm, wenn er beytragen kann, in der Darstellung die ergreifendste Gegenwart und Ueberzeugung hervorzubringen. Und man glaube nicht etwa, weil er wie eine bloß überschauende Jntelligenz zuvörderst nach den Gesetzen der Erscheinung

in den Geberden leidenschaftlicher Menschen, die er unbeobachtet beobachtete, als in den unmerklichsten optischen Taͤuschungen und den Phaͤnomenen der Luftperspektiv; und in der Stille und Dunkelheit der Nacht ging er mit seiner Fantasie zu Rathe.

Waller. Das wunderbare ist, daß diese, bey allen excentrischen Fluͤgen die er ihr erlaubte, wie man an seinen Erfindungen von ungeheuren Bestien und menschlichen Mißgestalten sieht, sich doch unter der Leitung seines gruͤbelnden Kopfes gewoͤhnt hatte, gruͤndlich und systematisch zu Werke gehn. So findet sich in seinem Buche eine Anzeichnung, wie eine Schlacht gemacht werden koͤnnte, wo er diese große Erscheinung auf eine hoͤchst merkwuͤrdige Art, wenn ich so sagen darf, konstruirt. Er faͤngt an mit dem erregten Dampf und Staube, und der verschiedenen Behandlung beyder nach ihrer physischen Beschaffenheit; dann von der Beleuchtung durch das Feuer des Geschuͤtzes, und so steigt er von dem Allgemeinsten bis in die Tiefen des Getuͤmmels, zu den Geberden und Lagen einzelner Streitenden hinab. Auch hier spuͤrt er uͤberall der Verkettung von Ursachen und Wirkungen nach, und nicht der kleinste Umstand, bis auf die tiefer eingedruͤckten Fußtapfen in dem Boden, der durch Vermischung des Staubes und Blutes schluͤpfrig geworden ist, entgeht ihm, wenn er beytragen kann, in der Darstellung die ergreifendste Gegenwart und Ueberzeugung hervorzubringen. Und man glaube nicht etwa, weil er wie eine bloß uͤberschauende Jntelligenz zuvoͤrderst nach den Gesetzen der Erscheinung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="104"/>
in den Geberden leidenschaftlicher Menschen, die er unbeobachtet beobachtete, als in den unmerklichsten optischen Ta&#x0364;uschungen und den Pha&#x0364;nomenen der Luftperspektiv; und in der Stille und Dunkelheit der Nacht ging er mit seiner Fantasie zu Rathe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Das wunderbare ist, daß diese, bey allen excentrischen Flu&#x0364;gen die er ihr erlaubte, wie man an seinen Erfindungen von ungeheuren Bestien und menschlichen Mißgestalten sieht, sich doch unter der Leitung seines gru&#x0364;belnden Kopfes gewo&#x0364;hnt hatte, gru&#x0364;ndlich und systematisch zu Werke gehn. So findet sich in seinem Buche eine Anzeichnung, wie eine Schlacht gemacht werden ko&#x0364;nnte, wo er diese große Erscheinung auf eine ho&#x0364;chst merkwu&#x0364;rdige Art, wenn ich so sagen darf, konstruirt. Er fa&#x0364;ngt an mit dem erregten Dampf und Staube, und der verschiedenen Behandlung beyder nach ihrer physischen Beschaffenheit; dann von der Beleuchtung durch das Feuer des Geschu&#x0364;tzes, und so steigt er von dem Allgemeinsten bis in die Tiefen des Getu&#x0364;mmels, zu den Geberden und Lagen einzelner Streitenden hinab. Auch hier spu&#x0364;rt er u&#x0364;berall der Verkettung von Ursachen und Wirkungen nach, und nicht der kleinste Umstand, bis auf die tiefer eingedru&#x0364;ckten Fußtapfen in dem Boden, der durch Vermischung des Staubes und Blutes schlu&#x0364;pfrig geworden ist, entgeht ihm, wenn er beytragen kann, in der Darstellung die ergreifendste Gegenwart und Ueberzeugung hervorzubringen. Und man glaube nicht etwa, weil er wie eine bloß u&#x0364;berschauende Jntelligenz zuvo&#x0364;rderst nach den Gesetzen der Erscheinung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] in den Geberden leidenschaftlicher Menschen, die er unbeobachtet beobachtete, als in den unmerklichsten optischen Taͤuschungen und den Phaͤnomenen der Luftperspektiv; und in der Stille und Dunkelheit der Nacht ging er mit seiner Fantasie zu Rathe. Waller. Das wunderbare ist, daß diese, bey allen excentrischen Fluͤgen die er ihr erlaubte, wie man an seinen Erfindungen von ungeheuren Bestien und menschlichen Mißgestalten sieht, sich doch unter der Leitung seines gruͤbelnden Kopfes gewoͤhnt hatte, gruͤndlich und systematisch zu Werke gehn. So findet sich in seinem Buche eine Anzeichnung, wie eine Schlacht gemacht werden koͤnnte, wo er diese große Erscheinung auf eine hoͤchst merkwuͤrdige Art, wenn ich so sagen darf, konstruirt. Er faͤngt an mit dem erregten Dampf und Staube, und der verschiedenen Behandlung beyder nach ihrer physischen Beschaffenheit; dann von der Beleuchtung durch das Feuer des Geschuͤtzes, und so steigt er von dem Allgemeinsten bis in die Tiefen des Getuͤmmels, zu den Geberden und Lagen einzelner Streitenden hinab. Auch hier spuͤrt er uͤberall der Verkettung von Ursachen und Wirkungen nach, und nicht der kleinste Umstand, bis auf die tiefer eingedruͤckten Fußtapfen in dem Boden, der durch Vermischung des Staubes und Blutes schluͤpfrig geworden ist, entgeht ihm, wenn er beytragen kann, in der Darstellung die ergreifendste Gegenwart und Ueberzeugung hervorzubringen. Und man glaube nicht etwa, weil er wie eine bloß uͤberschauende Jntelligenz zuvoͤrderst nach den Gesetzen der Erscheinung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/112
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/112>, abgerufen am 03.05.2024.