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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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man es an daß er rastlos nach der Wahrheit gräbt, und sie von innen heraus an das Licht bringt, so daß sein tiefsinniger Fleiß das Gemüth mit Ehrfurcht erfüllt.



Es befindet sich noch eine Herodias hier, welche ihm zugeschrieben wird. Verglichen mit dem Bildniß des Herzogs ist sie vielleicht nicht für eine Arbeit desselben Meisters zu halten. Die Mahlerey ist weniger ausführlich und doch kälter; auch in der Zeichnung fehlt es, und besonders sind die Hände gegen jene des Herzogs wie von Holz anzusehn. Dennoch bleibt sie eine merkwürdige Schöpfung, und wie sie mir erscheint, mischt sich darein auf eine sonderbare Weise das Beschränkte des Portraits mit einer originellen Jdee. Sie hat die ruhige Stellung, die dem bloßen Bildniß gegeben zu werden pflegt und eine prachtvolle Kleidung aus Leonardo's Zeiten. Mit beyden Händen hält sie die Schüssel mit dem Haupte des Johannes in den Schatten zum Rande des Bildes hinunter. Jhr Kopf ist wenig zur rechten nach dem Lichte gewendet, und zur nämlichen Seite hinab gesenkt, so daß sich nur der Schatten, der von der linken Schläfe ab die Wange umgiebt, stärker auszeichnet, und die stille Verachtung im Antlitz dadurch unterstützt wird. Ein ovaler hoher Kopf und streng regelmäßige Züge, gewölbte Augenbraunen und volle Augen, eine gerade Nase mit breitem Rücken, ein unergründlicher schön gezeichneter Mund, dessen Lippen es nicht der Mühe werth achten sich zu öffnen. Der Blick geht

man es an daß er rastlos nach der Wahrheit graͤbt, und sie von innen heraus an das Licht bringt, so daß sein tiefsinniger Fleiß das Gemuͤth mit Ehrfurcht erfuͤllt.



Es befindet sich noch eine Herodias hier, welche ihm zugeschrieben wird. Verglichen mit dem Bildniß des Herzogs ist sie vielleicht nicht fuͤr eine Arbeit desselben Meisters zu halten. Die Mahlerey ist weniger ausfuͤhrlich und doch kaͤlter; auch in der Zeichnung fehlt es, und besonders sind die Haͤnde gegen jene des Herzogs wie von Holz anzusehn. Dennoch bleibt sie eine merkwuͤrdige Schoͤpfung, und wie sie mir erscheint, mischt sich darein auf eine sonderbare Weise das Beschraͤnkte des Portraits mit einer originellen Jdee. Sie hat die ruhige Stellung, die dem bloßen Bildniß gegeben zu werden pflegt und eine prachtvolle Kleidung aus Leonardo's Zeiten. Mit beyden Haͤnden haͤlt sie die Schuͤssel mit dem Haupte des Johannes in den Schatten zum Rande des Bildes hinunter. Jhr Kopf ist wenig zur rechten nach dem Lichte gewendet, und zur naͤmlichen Seite hinab gesenkt, so daß sich nur der Schatten, der von der linken Schlaͤfe ab die Wange umgiebt, staͤrker auszeichnet, und die stille Verachtung im Antlitz dadurch unterstuͤtzt wird. Ein ovaler hoher Kopf und streng regelmaͤßige Zuͤge, gewoͤlbte Augenbraunen und volle Augen, eine gerade Nase mit breitem Ruͤcken, ein unergruͤndlicher schoͤn gezeichneter Mund, dessen Lippen es nicht der Muͤhe werth achten sich zu oͤffnen. Der Blick geht

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[99/0107] man es an daß er rastlos nach der Wahrheit graͤbt, und sie von innen heraus an das Licht bringt, so daß sein tiefsinniger Fleiß das Gemuͤth mit Ehrfurcht erfuͤllt. Es befindet sich noch eine Herodias hier, welche ihm zugeschrieben wird. Verglichen mit dem Bildniß des Herzogs ist sie vielleicht nicht fuͤr eine Arbeit desselben Meisters zu halten. Die Mahlerey ist weniger ausfuͤhrlich und doch kaͤlter; auch in der Zeichnung fehlt es, und besonders sind die Haͤnde gegen jene des Herzogs wie von Holz anzusehn. Dennoch bleibt sie eine merkwuͤrdige Schoͤpfung, und wie sie mir erscheint, mischt sich darein auf eine sonderbare Weise das Beschraͤnkte des Portraits mit einer originellen Jdee. Sie hat die ruhige Stellung, die dem bloßen Bildniß gegeben zu werden pflegt und eine prachtvolle Kleidung aus Leonardo's Zeiten. Mit beyden Haͤnden haͤlt sie die Schuͤssel mit dem Haupte des Johannes in den Schatten zum Rande des Bildes hinunter. Jhr Kopf ist wenig zur rechten nach dem Lichte gewendet, und zur naͤmlichen Seite hinab gesenkt, so daß sich nur der Schatten, der von der linken Schlaͤfe ab die Wange umgiebt, staͤrker auszeichnet, und die stille Verachtung im Antlitz dadurch unterstuͤtzt wird. Ein ovaler hoher Kopf und streng regelmaͤßige Zuͤge, gewoͤlbte Augenbraunen und volle Augen, eine gerade Nase mit breitem Ruͤcken, ein unergruͤndlicher schoͤn gezeichneter Mund, dessen Lippen es nicht der Muͤhe werth achten sich zu oͤffnen. Der Blick geht

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/107>, abgerufen am 03.05.2024.