Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch. Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist. Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfänglichen Gestalt.



Ob sich nicht etwas für die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? Gehört nicht zur beharrlichen Mittelmäßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn?



Wo ächter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivität. Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemühen, den Grund der Gedanken zu finden. Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. Bey vielen währt dieser Hang nur eine Zeitlang. Er wächst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Mühe des Nachdenkens ferner überhoben zu seyn.



Jrrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel für den Selbstthätigen, jeder Last gewachsenen. Für den Schwachen sind sie positiv schwächende Mittel.



Das Volk ist eine Jdee. Wir sollen ein Volk

Jch. Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist. Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfaͤnglichen Gestalt.



Ob sich nicht etwas fuͤr die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? Gehoͤrt nicht zur beharrlichen Mittelmaͤßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn?



Wo aͤchter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivitaͤt. Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemuͤhen, den Grund der Gedanken zu finden. Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. Bey vielen waͤhrt dieser Hang nur eine Zeitlang. Er waͤchst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Muͤhe des Nachdenkens ferner uͤberhoben zu seyn.



Jrrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel fuͤr den Selbstthaͤtigen, jeder Last gewachsenen. Fuͤr den Schwachen sind sie positiv schwaͤchende Mittel.



Das Volk ist eine Jdee. Wir sollen ein Volk

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="83"/>
Jch. Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist. Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfa&#x0364;nglichen Gestalt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Ob sich nicht etwas fu&#x0364;r die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? Geho&#x0364;rt nicht zur beharrlichen Mittelma&#x0364;ßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wo a&#x0364;chter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivita&#x0364;t. Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemu&#x0364;hen, den Grund der Gedanken zu finden. Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. Bey vielen wa&#x0364;hrt dieser Hang nur eine Zeitlang. Er wa&#x0364;chst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Mu&#x0364;he des Nachdenkens ferner u&#x0364;berhoben zu seyn.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jrrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel fu&#x0364;r den Selbsttha&#x0364;tigen, jeder Last gewachsenen. Fu&#x0364;r den Schwachen sind sie positiv schwa&#x0364;chende Mittel.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Das Volk ist eine Jdee. Wir sollen ein Volk<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0094] Jch. Man sieht hier, wie relativ das Herausgehn und Hineingehn ist. Was wir Hineingehn nennen, ist eigentlich Herausgehn, eine Wiederannahme der anfaͤnglichen Gestalt. Ob sich nicht etwas fuͤr die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? Gehoͤrt nicht zur beharrlichen Mittelmaͤßigkeit die meiste Kraft? und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo seyn? Wo aͤchter Hang zum Nachdenken, nicht bloß zum Denken dieses oder jenes Gedankens, herrschend ist, da ist auch Progreßivitaͤt. Sehr viele Gelehrte besitzen diesen Hang nicht. Sie haben schließen und folgern gelernt, wie ein Schuster das Schuhmachen, ohne je auf den Einfall zu gerathen, oder sich zu bemuͤhen, den Grund der Gedanken zu finden. Dennoch liegt das Heil auf keinem andern Wege. Bey vielen waͤhrt dieser Hang nur eine Zeitlang. Er waͤchst und nimmt ab, sehr oft mit den Jahren, oft mit dem Fund eines Systems, das sie nur suchten, um der Muͤhe des Nachdenkens ferner uͤberhoben zu seyn. Jrrthum und Vorurtheil sind Lasten, indirekt reizende Mittel fuͤr den Selbstthaͤtigen, jeder Last gewachsenen. Fuͤr den Schwachen sind sie positiv schwaͤchende Mittel. Das Volk ist eine Jdee. Wir sollen ein Volk

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/94
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/94>, abgerufen am 18.05.2024.