Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.ließe sich der entgegengesetzte Wahlspruch auf die geistlose Regelmäßigkeit anwenden: Vernünftig aber dumm. Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch seyn, sich bilden, sind Ausdrücke, die einerley bedeuten. Ächte Mystik ist Moral in der höchsten Dignität. Man soll nicht mit allen symphilosophiren wollen, sondern nur mit denen die a la hauteur sind. Einige haben Genie zur Wahrheit; viele haben Talent zum Jrren. Ein Talent, dem eine eben so große Jndustrie zur Seite steht. Wie zu einem Lekkerbissen sind oft zu einem einzigen Jrrthum die Bestandtheile aus allen Weltgegenden des menschlichen Geistes mit unermüdlicher Kunst zusammen geholt. Könnte es nicht noch vor Abfassung der logischen Konstituzion eine provisorische Philosophie geben; und ist nicht alle Philosophie provisorisch, bis die Konstituzion durch die Akzeptazion sankzionirt ist? Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens. ließe sich der entgegengesetzte Wahlspruch auf die geistlose Regelmaͤßigkeit anwenden: Vernuͤnftig aber dumm. Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch seyn, sich bilden, sind Ausdruͤcke, die einerley bedeuten. Ächte Mystik ist Moral in der hoͤchsten Dignitaͤt. Man soll nicht mit allen symphilosophiren wollen, sondern nur mit denen die à la hauteur sind. Einige haben Genie zur Wahrheit; viele haben Talent zum Jrren. Ein Talent, dem eine eben so große Jndustrie zur Seite steht. Wie zu einem Lekkerbissen sind oft zu einem einzigen Jrrthum die Bestandtheile aus allen Weltgegenden des menschlichen Geistes mit unermuͤdlicher Kunst zusammen geholt. Koͤnnte es nicht noch vor Abfassung der logischen Konstituzion eine provisorische Philosophie geben; und ist nicht alle Philosophie provisorisch, bis die Konstituzion durch die Akzeptazion sankzionirt ist? Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="73"/> ließe sich der entgegengesetzte Wahlspruch auf die geistlose Regelmaͤßigkeit anwenden: Vernuͤnftig aber dumm.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch seyn, sich bilden, sind Ausdruͤcke, die einerley bedeuten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ächte Mystik ist Moral in der hoͤchsten Dignitaͤt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Man soll nicht mit allen symphilosophiren wollen, sondern nur mit denen die <foreign xml:lang="fr">à la hauteur</foreign> sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Einige haben Genie zur Wahrheit; viele haben Talent zum Jrren. Ein Talent, dem eine eben so große Jndustrie zur Seite steht. Wie zu einem Lekkerbissen sind oft zu einem einzigen Jrrthum die Bestandtheile aus allen Weltgegenden des menschlichen Geistes mit unermuͤdlicher Kunst zusammen geholt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Koͤnnte es nicht noch vor Abfassung der logischen Konstituzion eine provisorische Philosophie geben; und ist nicht alle Philosophie provisorisch, bis die Konstituzion durch die Akzeptazion sankzionirt ist?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0262]
ließe sich der entgegengesetzte Wahlspruch auf die geistlose Regelmaͤßigkeit anwenden: Vernuͤnftig aber dumm.
Jeder gute Mensch wird immer mehr und mehr Gott. Gott werden, Mensch seyn, sich bilden, sind Ausdruͤcke, die einerley bedeuten.
Ächte Mystik ist Moral in der hoͤchsten Dignitaͤt.
Man soll nicht mit allen symphilosophiren wollen, sondern nur mit denen die à la hauteur sind.
Einige haben Genie zur Wahrheit; viele haben Talent zum Jrren. Ein Talent, dem eine eben so große Jndustrie zur Seite steht. Wie zu einem Lekkerbissen sind oft zu einem einzigen Jrrthum die Bestandtheile aus allen Weltgegenden des menschlichen Geistes mit unermuͤdlicher Kunst zusammen geholt.
Koͤnnte es nicht noch vor Abfassung der logischen Konstituzion eine provisorische Philosophie geben; und ist nicht alle Philosophie provisorisch, bis die Konstituzion durch die Akzeptazion sankzionirt ist?
Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/262>, abgerufen am 26.06.2024. |