Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798."Jch will einem Narren niemals trauen" sagt ein sehr gescheidter Narr beym Shakspeare, "bis ich sein Gehirn sehe." Man möchte diese Bedingung des Zutrauens gewissen angeblichen Philosophen zumuthen; was gilts, man fände papier mache aus Kantischen Schriften verfertigt. Diderot ist im Fatalisten, in den Versuchen über die Mahlerey, und überall wo er recht Diderot ist, bis zur Unverschämtheit wahr. Er hat die Natur nicht selten im reizenden Nachtkleide überrascht, er hat sie mitunter auch ihre Nothdurft verrichten sehen. Seit die Nothwendigkeit des Jdeals in der Kunst so dringend eingeschärft worden ist, sieht man die Lehrlinge treuherzig hinter diesem Vogel herlaufen, um ihm, so bald sie etwa nahe genug wären, das Salz der Ästhetik auf den Schwanz zu streuen. Moriz liebte den Griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive für Abstrakte, und suchte etwas geheimnißvolles darin. Man könnte in seiner Sprache von der Mythologie und Anthusa sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier überall zu nähern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht. Mag es noch so gut seyn, was jemand vom Katheder herab sagt: die beste Freude ist weg, weil man „Jch will einem Narren niemals trauen“ sagt ein sehr gescheidter Narr beym Shakspeare, „bis ich sein Gehirn sehe.“ Man moͤchte diese Bedingung des Zutrauens gewissen angeblichen Philosophen zumuthen; was gilts, man faͤnde papier maché aus Kantischen Schriften verfertigt. Diderot ist im Fatalisten, in den Versuchen uͤber die Mahlerey, und uͤberall wo er recht Diderot ist, bis zur Unverschaͤmtheit wahr. Er hat die Natur nicht selten im reizenden Nachtkleide uͤberrascht, er hat sie mitunter auch ihre Nothdurft verrichten sehen. Seit die Nothwendigkeit des Jdeals in der Kunst so dringend eingeschaͤrft worden ist, sieht man die Lehrlinge treuherzig hinter diesem Vogel herlaufen, um ihm, so bald sie etwa nahe genug waͤren, das Salz der Ästhetik auf den Schwanz zu streuen. Moriz liebte den Griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive fuͤr Abstrakte, und suchte etwas geheimnißvolles darin. Man koͤnnte in seiner Sprache von der Mythologie und Anthusa sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier uͤberall zu naͤhern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht. Mag es noch so gut seyn, was jemand vom Katheder herab sagt: die beste Freude ist weg, weil man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0242" n="53"/> <p>„Jch will einem Narren niemals trauen“ sagt ein sehr gescheidter Narr beym Shakspeare, „bis ich sein Gehirn sehe.“ Man moͤchte diese Bedingung des Zutrauens gewissen angeblichen Philosophen zumuthen; was gilts, man faͤnde <foreign xml:lang="fr">papier maché</foreign> aus Kantischen Schriften verfertigt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Diderot ist im Fatalisten, in den Versuchen uͤber die Mahlerey, und uͤberall wo er recht Diderot ist, bis zur Unverschaͤmtheit wahr. Er hat die Natur nicht selten im reizenden Nachtkleide uͤberrascht, er hat sie mitunter auch ihre Nothdurft verrichten sehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Seit die Nothwendigkeit des Jdeals in der Kunst so dringend eingeschaͤrft worden ist, sieht man die Lehrlinge treuherzig hinter diesem Vogel herlaufen, um ihm, so bald sie etwa nahe genug waͤren, das Salz der Ästhetik auf den Schwanz zu streuen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Moriz liebte den Griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive fuͤr Abstrakte, und suchte etwas geheimnißvolles darin. Man koͤnnte in seiner Sprache von der Mythologie und Anthusa sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier uͤberall zu naͤhern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Mag es noch so gut seyn, was jemand vom Katheder herab sagt: die beste Freude ist weg, weil man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0242]
„Jch will einem Narren niemals trauen“ sagt ein sehr gescheidter Narr beym Shakspeare, „bis ich sein Gehirn sehe.“ Man moͤchte diese Bedingung des Zutrauens gewissen angeblichen Philosophen zumuthen; was gilts, man faͤnde papier maché aus Kantischen Schriften verfertigt.
Diderot ist im Fatalisten, in den Versuchen uͤber die Mahlerey, und uͤberall wo er recht Diderot ist, bis zur Unverschaͤmtheit wahr. Er hat die Natur nicht selten im reizenden Nachtkleide uͤberrascht, er hat sie mitunter auch ihre Nothdurft verrichten sehen.
Seit die Nothwendigkeit des Jdeals in der Kunst so dringend eingeschaͤrft worden ist, sieht man die Lehrlinge treuherzig hinter diesem Vogel herlaufen, um ihm, so bald sie etwa nahe genug waͤren, das Salz der Ästhetik auf den Schwanz zu streuen.
Moriz liebte den Griechischen Gebrauch der geschlechtlosen Adjektive fuͤr Abstrakte, und suchte etwas geheimnißvolles darin. Man koͤnnte in seiner Sprache von der Mythologie und Anthusa sagen, daß das Menschliche dem Heiligen sich hier uͤberall zu naͤhern und das Denkende im Sinnbildlichen sich wieder zu erkennen sucht, aber sich manchmal selbst nicht versteht.
Mag es noch so gut seyn, was jemand vom Katheder herab sagt: die beste Freude ist weg, weil man
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