Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Dichter sind doch immer Narzisse. Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Händen machten, und die Männer mit dem Handwerksgeräth. Das männliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Müttern eingeführt seyn wird. Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Theilen unsrer Bildung gewahr. So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Händen der neuesten Pädagogik zu kommen. Es giebt Geister, denen es bey großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr seyn diese Lieblingssätze immer zu wiederhohlen. Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett drückt, ohne ihn umzudrehen. Es giebt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist über den sophistischen Misbrauch der Philosophie, die deklamatorische Stylübung, die angewandte Poesie, die improvisirte Politik, welche man mit demselben Nahmen zu bezeichnen Dichter sind doch immer Narzisse. Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Haͤnden machten, und die Maͤnner mit dem Handwerksgeraͤth. Das maͤnnliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Muͤttern eingefuͤhrt seyn wird. Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Theilen unsrer Bildung gewahr. So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Haͤnden der neuesten Paͤdagogik zu kommen. Es giebt Geister, denen es bey großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr seyn diese Lieblingssaͤtze immer zu wiederhohlen. Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett druͤckt, ohne ihn umzudrehen. Es giebt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist uͤber den sophistischen Misbrauch der Philosophie, die deklamatorische Styluͤbung, die angewandte Poesie, die improvisirte Politik, welche man mit demselben Nahmen zu bezeichnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" n="35"/> <p>Dichter sind doch immer Narzisse.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Haͤnden machten, und die Maͤnner mit dem Handwerksgeraͤth.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Das maͤnnliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Muͤttern eingefuͤhrt seyn wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Theilen unsrer Bildung gewahr. So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Haͤnden der neuesten Paͤdagogik zu kommen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt Geister, denen es bey großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr seyn diese Lieblingssaͤtze immer zu wiederhohlen. Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett druͤckt, ohne ihn umzudrehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist uͤber den sophistischen Misbrauch der Philosophie, die deklamatorische Styluͤbung, die angewandte Poesie, die improvisirte Politik, welche man mit demselben Nahmen zu bezeichnen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0224]
Dichter sind doch immer Narzisse.
Es ist als wenn die Weiber alles mit eignen Haͤnden machten, und die Maͤnner mit dem Handwerksgeraͤth.
Das maͤnnliche Geschlecht wird nicht eher durch das weibliche verbessert werden, als bis die Geschlechtsfolge der Nayren nach den Muͤttern eingefuͤhrt seyn wird.
Zuweilen nimmt man doch einen Zusammenhang zwischen den getrennten, und oft sich widersprechenden Theilen unsrer Bildung gewahr. So scheinen die besseren Menschen in unsern moralischen Dramen aus den Haͤnden der neuesten Paͤdagogik zu kommen.
Es giebt Geister, denen es bey großer Anstrengung und bestimmter Richtung ihrer Kraft an Biegsamkeit fehlt. Sie werden entdecken, aber weniges, und in Gefahr seyn diese Lieblingssaͤtze immer zu wiederhohlen. Man dringt nicht tief, wenn man einen Bohrer mit großer Gewalt gegen ein Brett druͤckt, ohne ihn umzudrehen.
Es giebt eine materiale, enthusiastische Rhetorik die unendlich weit erhaben ist uͤber den sophistischen Misbrauch der Philosophie, die deklamatorische Styluͤbung, die angewandte Poesie, die improvisirte Politik, welche man mit demselben Nahmen zu bezeichnen
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/224>, abgerufen am 28.07.2024. |