Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Philosophisch ist Alles, was zur Realisirung des logischen Jdeals beyträgt, und wissenschaftliche Bildung hat. Bey den Ausdrücken, Seine Philosophie, Meine Philosophie, erinnert man sich immer an die Worte im Nathan: "Wem eignet Gott? Was ist das für ein Gott, der einem Menschen eignet?" Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen. Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. Sonst ist es keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe. Die Frauen haben durchaus keinen Sinn für die Kunst, wohl aber für die Poesie. Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. An Spekulazion, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstrakzion, die sich weit eher lernen läßt. Daß man eine Philosophie annihilirt, wobey sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihiliren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihilire sich selbst, kann ihr wenig schaden. Jst sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phönix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben. Philosophisch ist Alles, was zur Realisirung des logischen Jdeals beytraͤgt, und wissenschaftliche Bildung hat. Bey den Ausdruͤcken, Seine Philosophie, Meine Philosophie, erinnert man sich immer an die Worte im Nathan: „Wem eignet Gott? Was ist das fuͤr ein Gott, der einem Menschen eignet?“ Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen. Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. Sonst ist es keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe. Die Frauen haben durchaus keinen Sinn fuͤr die Kunst, wohl aber fuͤr die Poesie. Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. An Spekulazion, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstrakzion, die sich weit eher lernen laͤßt. Daß man eine Philosophie annihilirt, wobey sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihiliren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihilire sich selbst, kann ihr wenig schaden. Jst sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phoͤnix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0214" n="25"/> <p>Philosophisch ist Alles, was zur Realisirung des logischen Jdeals beytraͤgt, und wissenschaftliche Bildung hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Bey den Ausdruͤcken, Seine Philosophie, Meine Philosophie, erinnert man sich immer an die Worte im Nathan: „Wem eignet Gott? Was ist das fuͤr ein Gott, der einem Menschen eignet?“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. Sonst ist es keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Frauen haben durchaus keinen Sinn fuͤr die Kunst, wohl aber fuͤr die Poesie. Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. An Spekulazion, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstrakzion, die sich weit eher lernen laͤßt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Daß man eine Philosophie annihilirt, wobey sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihiliren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihilire sich selbst, kann ihr wenig schaden. Jst sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phoͤnix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0214]
Philosophisch ist Alles, was zur Realisirung des logischen Jdeals beytraͤgt, und wissenschaftliche Bildung hat.
Bey den Ausdruͤcken, Seine Philosophie, Meine Philosophie, erinnert man sich immer an die Worte im Nathan: „Wem eignet Gott? Was ist das fuͤr ein Gott, der einem Menschen eignet?“
Poetischer Schein ist Spiel der Vorstellungen, und Spiel ist Schein von Handlungen.
Was in der Poesie geschieht, geschieht nie, oder immer. Sonst ist es keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich geschehe.
Die Frauen haben durchaus keinen Sinn fuͤr die Kunst, wohl aber fuͤr die Poesie. Sie haben keine Anlage zur Wissenschaft, wohl aber zur Philosophie. An Spekulazion, innerer Anschauung des Unendlichen fehlts ihnen gar nicht; nur an Abstrakzion, die sich weit eher lernen laͤßt.
Daß man eine Philosophie annihilirt, wobey sich der Unvorsichtige leicht gelegentlich selbst mit annihiliren kann, oder daß man ihr zeigt, sie annihilire sich selbst, kann ihr wenig schaden. Jst sie wirklich Philosophie, so wird sie doch wie ein Phoͤnix aus ihrer eignen Asche immer wieder aufleben.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/214>, abgerufen am 16.02.2025. |