Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

vereinigen. Der eine Befehl ohne den andern ist todt, schrecklich, abscheulich. Sey glücklich ohne Tugend! und die Erde fällt unter dem Glück des Menschen in Trümmer. Sey tugendhaft ohne Glück! und der Thron der Liebe stürzt unter diesem barbarischen Befehle. Beyde gehören ewig zusammen, die beyden Stämme einer Wurzel. Sie haben Eine Natur, Ein Wesen, und befehlen beyde, ohne Gründe anzugeben. Sey glücklich! nur ein Narr fragt, warum. Sey tugendhaft! nur ein Rasender fragt nach der Ursache. Das eine erhält die fühlende Natur, das andre die moralische. Beyde machen unser Wesen aus, eins und unzertrennlich." Das heißt doch gewiß Tugend und Glück von allen Seiten beleuchten, und ist nun so die gehaltvolle Form dessen, was er Weisheit nennt. Der glücklichste Zufall ist noch die Eile, mit der er auf den letzten Seiten die Französische und die Kantische Revolution abzufertigen genöthigt ist. Bey Jglou unterdrückt man gern die profane Vermuthung, daß Mignon im Wilhelm Meister auf diese Schöpfung geführt haben möchte; denn es ist nicht zu läugnen, sie macht zu Anfang eine mehr hündische als menschliche Erscheinung, mit der die nachherige hohe Bildung, die er ihr beylegt, nicht aussöhnt. Den Hang, groteske Figuren gleichsam auf die Spitze des Edlen zu treiben, hat er übrigends mit dem Jtzehoer Müller gemein, so wie mehre unsrer komischen Schriftsteller, auch Wezel, der diese beyden bey weitem überwiegt, oft lustig anfangen und so ernsthaft endigen, daß die Natur der Sache und

vereinigen. Der eine Befehl ohne den andern ist todt, schrecklich, abscheulich. Sey gluͤcklich ohne Tugend! und die Erde faͤllt unter dem Gluͤck des Menschen in Truͤmmer. Sey tugendhaft ohne Gluͤck! und der Thron der Liebe stuͤrzt unter diesem barbarischen Befehle. Beyde gehoͤren ewig zusammen, die beyden Staͤmme einer Wurzel. Sie haben Eine Natur, Ein Wesen, und befehlen beyde, ohne Gruͤnde anzugeben. Sey gluͤcklich! nur ein Narr fragt, warum. Sey tugendhaft! nur ein Rasender fragt nach der Ursache. Das eine erhaͤlt die fuͤhlende Natur, das andre die moralische. Beyde machen unser Wesen aus, eins und unzertrennlich.“ Das heißt doch gewiß Tugend und Gluͤck von allen Seiten beleuchten, und ist nun so die gehaltvolle Form dessen, was er Weisheit nennt. Der gluͤcklichste Zufall ist noch die Eile, mit der er auf den letzten Seiten die Franzoͤsische und die Kantische Revolution abzufertigen genoͤthigt ist. Bey Jglou unterdruͤckt man gern die profane Vermuthung, daß Mignon im Wilhelm Meister auf diese Schoͤpfung gefuͤhrt haben moͤchte; denn es ist nicht zu laͤugnen, sie macht zu Anfang eine mehr huͤndische als menschliche Erscheinung, mit der die nachherige hohe Bildung, die er ihr beylegt, nicht aussoͤhnt. Den Hang, groteske Figuren gleichsam auf die Spitze des Edlen zu treiben, hat er uͤbrigends mit dem Jtzehoer Muͤller gemein, so wie mehre unsrer komischen Schriftsteller, auch Wezel, der diese beyden bey weitem uͤberwiegt, oft lustig anfangen und so ernsthaft endigen, daß die Natur der Sache und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0173" n="162"/>
vereinigen. Der eine Befehl ohne den andern ist todt, schrecklich, abscheulich. Sey glu&#x0364;cklich ohne Tugend! und die Erde fa&#x0364;llt unter dem Glu&#x0364;ck des Menschen in Tru&#x0364;mmer. Sey tugendhaft ohne Glu&#x0364;ck! und der Thron der Liebe stu&#x0364;rzt unter diesem barbarischen Befehle. Beyde geho&#x0364;ren ewig zusammen, die beyden Sta&#x0364;mme einer Wurzel. Sie haben Eine Natur, Ein Wesen, und befehlen beyde, ohne Gru&#x0364;nde anzugeben. Sey glu&#x0364;cklich! nur ein Narr fragt, warum. Sey tugendhaft! nur ein Rasender fragt nach der Ursache. Das eine erha&#x0364;lt die fu&#x0364;hlende Natur, das andre die moralische. Beyde machen unser Wesen aus, eins und unzertrennlich.&#x201C; Das heißt doch gewiß Tugend und Glu&#x0364;ck von allen Seiten beleuchten, und ist nun so die gehaltvolle Form dessen, was er Weisheit nennt. Der glu&#x0364;cklichste Zufall ist noch die Eile, mit der er auf den letzten Seiten die Franzo&#x0364;sische und die Kantische Revolution abzufertigen geno&#x0364;thigt ist. Bey Jglou unterdru&#x0364;ckt man gern die profane Vermuthung, daß Mignon im Wilhelm Meister auf diese Scho&#x0364;pfung gefu&#x0364;hrt haben mo&#x0364;chte; denn es ist nicht zu la&#x0364;ugnen, sie macht zu Anfang eine mehr hu&#x0364;ndische als menschliche Erscheinung, mit der die nachherige hohe Bildung, die er ihr beylegt, nicht ausso&#x0364;hnt. Den Hang, groteske Figuren gleichsam auf die Spitze des Edlen zu treiben, hat er u&#x0364;brigends mit dem Jtzehoer Mu&#x0364;ller gemein, so wie mehre unsrer komischen Schriftsteller, auch Wezel, der diese beyden bey weitem u&#x0364;berwiegt, oft lustig anfangen und so ernsthaft endigen, daß die Natur der Sache und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0173] vereinigen. Der eine Befehl ohne den andern ist todt, schrecklich, abscheulich. Sey gluͤcklich ohne Tugend! und die Erde faͤllt unter dem Gluͤck des Menschen in Truͤmmer. Sey tugendhaft ohne Gluͤck! und der Thron der Liebe stuͤrzt unter diesem barbarischen Befehle. Beyde gehoͤren ewig zusammen, die beyden Staͤmme einer Wurzel. Sie haben Eine Natur, Ein Wesen, und befehlen beyde, ohne Gruͤnde anzugeben. Sey gluͤcklich! nur ein Narr fragt, warum. Sey tugendhaft! nur ein Rasender fragt nach der Ursache. Das eine erhaͤlt die fuͤhlende Natur, das andre die moralische. Beyde machen unser Wesen aus, eins und unzertrennlich.“ Das heißt doch gewiß Tugend und Gluͤck von allen Seiten beleuchten, und ist nun so die gehaltvolle Form dessen, was er Weisheit nennt. Der gluͤcklichste Zufall ist noch die Eile, mit der er auf den letzten Seiten die Franzoͤsische und die Kantische Revolution abzufertigen genoͤthigt ist. Bey Jglou unterdruͤckt man gern die profane Vermuthung, daß Mignon im Wilhelm Meister auf diese Schoͤpfung gefuͤhrt haben moͤchte; denn es ist nicht zu laͤugnen, sie macht zu Anfang eine mehr huͤndische als menschliche Erscheinung, mit der die nachherige hohe Bildung, die er ihr beylegt, nicht aussoͤhnt. Den Hang, groteske Figuren gleichsam auf die Spitze des Edlen zu treiben, hat er uͤbrigends mit dem Jtzehoer Muͤller gemein, so wie mehre unsrer komischen Schriftsteller, auch Wezel, der diese beyden bey weitem uͤberwiegt, oft lustig anfangen und so ernsthaft endigen, daß die Natur der Sache und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/173
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/173>, abgerufen am 24.11.2024.