Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.ihm dieses fehl, wer ist unglücklicher als der Brodge- Beklagenswerther Mensch, der mit dem edelsten Dem A 4
ihm dieſes fehl, wer iſt ungluͤcklicher als der Brodge- Beklagenswerther Menſch, der mit dem edelſten Dem A 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="7"/> ihm dieſes fehl, wer iſt ungluͤcklicher als der Brodge-<lb/> lehrte? Er hat umſonſt gelebt, gewacht, gearbeitet;<lb/> er hat umſonſt nach Wahrheit geforſcht, wenn ſich Wahr-<lb/> heit, fuͤr ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in Fuͤr-<lb/> ſtengunſt verwandelt.</p><lb/> <p>Beklagenswerther Menſch, der mit dem edelſten<lb/> aller Werkzeuge, mit Wiſſenſchaft und Kunſt, nichts<lb/> hoͤheres will und ausrichtet, als der Tagloͤhner mit dem<lb/> ſchlechteſten! der im Reiche der vollkommenſten Frey-<lb/> heit eine Sclavenſeele mit ſich herum traͤgt! — Noch<lb/> beklagenswerther aber iſt der junge Mann von Genie,<lb/> deſſen natuͤrlich ſchoͤner Gang durch ſchaͤdliche Lehren<lb/> und Muſter auf dieſen traurigen Abweg verlenkt wird,<lb/> der ſich uͤberreden ließ, fuͤr ſeinen kuͤnftigen Beruf mit<lb/> dieſer kuͤmmerlichen Genauigkeit zu ſammeln. Bald<lb/> wird ſeine Berufswiſſenſchaft als ein Stuͤckwerk ihn an-<lb/> ekeln; Wuͤnſche werden in ihm aufwachen, die ſie nicht<lb/> zu befriedigen vermag, ſein Genie wird ſich gegen ſei-<lb/> ne Beſtimmung auflehnen. Als Bruchſtuͤck erſcheint<lb/> ihm jetzt alles was er thut, er ſieht keinen Zweck ſei-<lb/> nes Wirkens, und doch kann er Zweckloſigkeit nicht er-<lb/> tragen. Das Muͤhſelige, das Geringfuͤgige in ſeinen<lb/> Berufsgeſchaͤften druͤckt ihn zu Boden, weil er ihm den<lb/> frohen Muth nicht entgegen ſetzen kann, der nur die<lb/> helle Einſicht, nur die geahndete Vollendung begleitet.<lb/> Er fuͤhlt ſich abgeſchnitten, herausgeriſſen aus dem Zu-<lb/> ſammenhang der Dinge, weil er unterlaſſen hat, ſeine<lb/> Thaͤtigkeit an das große Ganze der Welt anzuſchließen.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Dem</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0009]
ihm dieſes fehl, wer iſt ungluͤcklicher als der Brodge-
lehrte? Er hat umſonſt gelebt, gewacht, gearbeitet;
er hat umſonſt nach Wahrheit geforſcht, wenn ſich Wahr-
heit, fuͤr ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in Fuͤr-
ſtengunſt verwandelt.
Beklagenswerther Menſch, der mit dem edelſten
aller Werkzeuge, mit Wiſſenſchaft und Kunſt, nichts
hoͤheres will und ausrichtet, als der Tagloͤhner mit dem
ſchlechteſten! der im Reiche der vollkommenſten Frey-
heit eine Sclavenſeele mit ſich herum traͤgt! — Noch
beklagenswerther aber iſt der junge Mann von Genie,
deſſen natuͤrlich ſchoͤner Gang durch ſchaͤdliche Lehren
und Muſter auf dieſen traurigen Abweg verlenkt wird,
der ſich uͤberreden ließ, fuͤr ſeinen kuͤnftigen Beruf mit
dieſer kuͤmmerlichen Genauigkeit zu ſammeln. Bald
wird ſeine Berufswiſſenſchaft als ein Stuͤckwerk ihn an-
ekeln; Wuͤnſche werden in ihm aufwachen, die ſie nicht
zu befriedigen vermag, ſein Genie wird ſich gegen ſei-
ne Beſtimmung auflehnen. Als Bruchſtuͤck erſcheint
ihm jetzt alles was er thut, er ſieht keinen Zweck ſei-
nes Wirkens, und doch kann er Zweckloſigkeit nicht er-
tragen. Das Muͤhſelige, das Geringfuͤgige in ſeinen
Berufsgeſchaͤften druͤckt ihn zu Boden, weil er ihm den
frohen Muth nicht entgegen ſetzen kann, der nur die
helle Einſicht, nur die geahndete Vollendung begleitet.
Er fuͤhlt ſich abgeſchnitten, herausgeriſſen aus dem Zu-
ſammenhang der Dinge, weil er unterlaſſen hat, ſeine
Thaͤtigkeit an das große Ganze der Welt anzuſchließen.
Dem
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