Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.dem römischen Hierarchen eine Hälfte Europens zu ent- lehr-
dem roͤmiſchen Hierarchen eine Haͤlfte Europens zu ent- lehr-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="20"/> dem roͤmiſchen Hierarchen eine Haͤlfte Europens zu ent-<lb/> reiſſen, — wenn wir uns als proteſtantiſche Chriſten<lb/> hier verſammeln ſollten. Wenn dieß geſchehen ſollte,<lb/> ſo mußten die Waffen unſrer Fuͤrſten Karln <hi rendition="#aq">V.</hi> einen<lb/> Religionsfrieden abnoͤthigen; ein Guſtav Adolf mußte<lb/> den Bruch dieſes Friedens raͤchen, und ein neuer all-<lb/> gemeiner Friede ihn auf ewig begruͤnden. Staͤdte muß-<lb/> ten ſich in Italien und Teutſchland erheben, dem Fleiß<lb/> ihre Thore oͤffnen, die Ketten der Leibeigenſchaft zer-<lb/> brechen, unwiſſenden Tyrannen den Richterſtab aus den<lb/> Haͤnden ringen, und durch eine kriegeriſche Hanſa ſich<lb/> in Achtung ſetzen, wenn Gewerbe und Handel bluͤhen,<lb/> und der Ueberfluß den Kuͤnſten der Freude rufen, wenn<lb/> der Staat den nuͤtzlichen Landmann ehren, und in dem<lb/> wohlthaͤtigen <hi rendition="#fr">Mittelſtande</hi>, dem Schoͤpfer unſrer gan-<lb/> zen Kultur, ein dauerhaftes Gluͤck fuͤr die Menſchheit<lb/> heran reifen ſollte. Teutſchlands Kaiſer mußten ſich<lb/> in Jahrhundertlangen Kaͤmpfen mit dem roͤmiſchen<lb/> Stuhl, mit ihren Vaſallen, und mit eiferſuͤchtigen Nach-<lb/> barn — Europa ſich ſeines gefaͤhrlichen Ueberfluſſes<lb/> in Aſiens Graͤbern entladen; und der trotzige Lehen-Adel<lb/> in einem moͤrderiſchen Fauſtrecht, Roͤmerzuͤgen und hei-<lb/> ligen Fahrten ſeinen Empoͤrungsgeiſt ausbluten: wenn<lb/> das verworrene Chaos ſich ſondern, und die ſtreitenden<lb/> Maͤchte des Staats in dem geſegneten Gleichgewicht<lb/> ruhen ſollten, wovon unſre jetzige Muße der Preiß iſt.<lb/> Wenn ſich unſer Geiſt aus der Unwiſſenheit herausrin-<lb/> gen ſollte, worin geiſtlicher und weltlicher Zwang ihn<lb/> gefeſſelt hielt: ſo mußte der lang erſtickte Keim der Ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">lehr-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0022]
dem roͤmiſchen Hierarchen eine Haͤlfte Europens zu ent-
reiſſen, — wenn wir uns als proteſtantiſche Chriſten
hier verſammeln ſollten. Wenn dieß geſchehen ſollte,
ſo mußten die Waffen unſrer Fuͤrſten Karln V. einen
Religionsfrieden abnoͤthigen; ein Guſtav Adolf mußte
den Bruch dieſes Friedens raͤchen, und ein neuer all-
gemeiner Friede ihn auf ewig begruͤnden. Staͤdte muß-
ten ſich in Italien und Teutſchland erheben, dem Fleiß
ihre Thore oͤffnen, die Ketten der Leibeigenſchaft zer-
brechen, unwiſſenden Tyrannen den Richterſtab aus den
Haͤnden ringen, und durch eine kriegeriſche Hanſa ſich
in Achtung ſetzen, wenn Gewerbe und Handel bluͤhen,
und der Ueberfluß den Kuͤnſten der Freude rufen, wenn
der Staat den nuͤtzlichen Landmann ehren, und in dem
wohlthaͤtigen Mittelſtande, dem Schoͤpfer unſrer gan-
zen Kultur, ein dauerhaftes Gluͤck fuͤr die Menſchheit
heran reifen ſollte. Teutſchlands Kaiſer mußten ſich
in Jahrhundertlangen Kaͤmpfen mit dem roͤmiſchen
Stuhl, mit ihren Vaſallen, und mit eiferſuͤchtigen Nach-
barn — Europa ſich ſeines gefaͤhrlichen Ueberfluſſes
in Aſiens Graͤbern entladen; und der trotzige Lehen-Adel
in einem moͤrderiſchen Fauſtrecht, Roͤmerzuͤgen und hei-
ligen Fahrten ſeinen Empoͤrungsgeiſt ausbluten: wenn
das verworrene Chaos ſich ſondern, und die ſtreitenden
Maͤchte des Staats in dem geſegneten Gleichgewicht
ruhen ſollten, wovon unſre jetzige Muße der Preiß iſt.
Wenn ſich unſer Geiſt aus der Unwiſſenheit herausrin-
gen ſollte, worin geiſtlicher und weltlicher Zwang ihn
gefeſſelt hielt: ſo mußte der lang erſtickte Keim der Ge-
lehr-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/22 |
Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/22>, abgerufen am 16.02.2025. |