Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite
Da meint' ich schon, 'nen guten Fang zu thun,
Denn keiner dachte dran, den Hut zu grüssen.
Da siehts der Pfaff, der Rösselmann -- kam just
Von einem Kranken her -- und stellt sich hin
Mit dem Hochwürdigen, grad vor die Stange --
Der Sigrist mußte mit dem Glöcklein schellen,
Da fielen all aufs Knie, ich selber mit,
Und grüßten die Monstranz, doch nicht den Hut. --

Leuthold
Höre Gesell, es fängt mir an zu däuchten,
Wir stehen hier am Pranger vor dem Hut,
's ist doch ein Schimpf für einen Reitersmann,
Schildwach zu stehn vor einem leeren Hut --
Und jeder rechte Kerl muß uns verachten.
-- Die Reverenz zu machen einem Hut,
Es ist doch traun! ein närrischer Befehl!

Frießhardt
Warum nicht einem leeren hohlen Hut?
Bückst du dich vor manchem hohlen Schädel.

(Hildegard, Mechthild und Elsbeth treten auf mit Kindern
und stellen sich um die Stange.)

l 2
Da meint’ ich ſchon, ’nen guten Fang zu thun,
Denn keiner dachte dran, den Hut zu gruͤſſen.
Da ſiehts der Pfaff, der Roͤſſelmann — kam juſt
Von einem Kranken her — und ſtellt ſich hin
Mit dem Hochwuͤrdigen, grad vor die Stange —
Der Sigriſt mußte mit dem Gloͤcklein ſchellen,
Da fielen all aufs Knie, ich ſelber mit,
Und gruͤßten die Monſtranz, doch nicht den Hut. —

Leuthold
Hoͤre Geſell, es faͤngt mir an zu daͤuchten,
Wir ſtehen hier am Pranger vor dem Hut,
’s iſt doch ein Schimpf fuͤr einen Reitersmann,
Schildwach zu ſtehn vor einem leeren Hut —
Und jeder rechte Kerl muß uns verachten.
— Die Reverenz zu machen einem Hut,
Es iſt doch traun! ein naͤrriſcher Befehl!

Frießhardt
Warum nicht einem leeren hohlen Hut?
Buͤckſt du dich vor manchem hohlen Schaͤdel.

(Hildegard, Mechthild und Elsbeth treten auf mit Kindern
und ſtellen ſich um die Stange.)

l 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FRI">
            <p><pb facs="#f0137" n="123"/>
Da meint&#x2019; ich &#x017F;chon, &#x2019;nen guten Fang zu thun,<lb/>
Denn keiner dachte dran, den Hut zu gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Da &#x017F;iehts der Pfaff, der Ro&#x0364;&#x017F;&#x017F;elmann &#x2014; kam ju&#x017F;t<lb/>
Von einem Kranken her &#x2014; und &#x017F;tellt &#x017F;ich hin<lb/>
Mit dem Hochwu&#x0364;rdigen, grad vor die Stange &#x2014;<lb/>
Der Sigri&#x017F;t mußte mit dem Glo&#x0364;cklein &#x017F;chellen,<lb/>
Da fielen all aufs Knie, ich &#x017F;elber mit,<lb/>
Und gru&#x0364;ßten die Mon&#x017F;tranz, doch nicht den Hut. &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LEU">
            <speaker> <hi rendition="#g">Leuthold</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ho&#x0364;re Ge&#x017F;ell, es fa&#x0364;ngt mir an zu da&#x0364;uchten,<lb/>
Wir &#x017F;tehen hier am Pranger vor dem Hut,<lb/>
&#x2019;s i&#x017F;t doch ein Schimpf fu&#x0364;r einen Reitersmann,<lb/>
Schildwach zu &#x017F;tehn vor einem leeren Hut &#x2014;<lb/>
Und jeder rechte Kerl muß uns verachten.<lb/>
&#x2014; Die Reverenz zu machen einem Hut,<lb/>
Es i&#x017F;t doch traun! ein na&#x0364;rri&#x017F;cher Befehl!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FRI">
            <speaker> <hi rendition="#g">Frießhardt</hi> </speaker><lb/>
            <p>Warum nicht einem leeren hohlen Hut?<lb/>
Bu&#x0364;ck&#x017F;t du dich vor manchem hohlen Scha&#x0364;del.</p><lb/>
            <stage>(Hildegard, Mechthild und Elsbeth treten auf mit Kindern<lb/>
und &#x017F;tellen &#x017F;ich um die Stange.)</stage><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">l 2</fw><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0137] Da meint’ ich ſchon, ’nen guten Fang zu thun, Denn keiner dachte dran, den Hut zu gruͤſſen. Da ſiehts der Pfaff, der Roͤſſelmann — kam juſt Von einem Kranken her — und ſtellt ſich hin Mit dem Hochwuͤrdigen, grad vor die Stange — Der Sigriſt mußte mit dem Gloͤcklein ſchellen, Da fielen all aufs Knie, ich ſelber mit, Und gruͤßten die Monſtranz, doch nicht den Hut. — Leuthold Hoͤre Geſell, es faͤngt mir an zu daͤuchten, Wir ſtehen hier am Pranger vor dem Hut, ’s iſt doch ein Schimpf fuͤr einen Reitersmann, Schildwach zu ſtehn vor einem leeren Hut — Und jeder rechte Kerl muß uns verachten. — Die Reverenz zu machen einem Hut, Es iſt doch traun! ein naͤrriſcher Befehl! Frießhardt Warum nicht einem leeren hohlen Hut? Buͤckſt du dich vor manchem hohlen Schaͤdel. (Hildegard, Mechthild und Elsbeth treten auf mit Kindern und ſtellen ſich um die Stange.) l 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/137
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/137>, abgerufen am 28.04.2024.