Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Den frischen Lebensteppich vor mir aus Zu breiten -- Ich bin elend und gefangen. Mortimer. Auch ich wars, Königin! und mein Gefängniß Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend. Haß schwur ich nun dem engen dumpfen Buch, Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken, Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen. Viel edle Schotten drängten sich an mich Und der Franzosen muntre Landsmannschaften. Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim, Dem Kardinal von Guise -- Welch ein Mann! Wie sicher, klar und männlich groß! -- Wie ganz Gebohren, um die Geister zu regieren! Das Muster eines königlichen Priesters, Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah! Maria.
Ihr habt sein theures Angesicht gesehn, Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes, Der meiner zarten Jugend Führer war. O redet mir von ihm. Denkt er noch mein? Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch, Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?
Den friſchen Lebensteppich vor mir aus Zu breiten — Ich bin elend und gefangen. Mortimer. Auch ich wars, Koͤnigin! und mein Gefaͤngniß Sprang auf und frei auf einmal fuͤhlte ſich Der Geiſt, des Lebens ſchoͤnen Tag begruͤßend. Haß ſchwur ich nun dem engen dumpfen Buch, Mit friſchem Kranz die Schlaͤfe mir zu ſchmuͤcken, Mich froͤhlich an die Froͤhlichen zu ſchließen. Viel edle Schotten draͤngten ſich an mich Und der Franzoſen muntre Landsmannſchaften. Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim, Dem Kardinal von Guiſe — Welch ein Mann! Wie ſicher, klar und maͤnnlich groß! — Wie ganz Gebohren, um die Geiſter zu regieren! Das Muſter eines koͤniglichen Prieſters, Ein Fuͤrſt der Kirche, wie ich keinen ſah! Maria.
Ihr habt ſein theures Angeſicht geſehn, Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes, Der meiner zarten Jugend Fuͤhrer war. O redet mir von ihm. Denkt er noch mein? Liebt ihn das Gluͤck, bluͤht ihm das Leben noch, Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MARSTUA"> <p><pb facs="#f0036" n="30"/> Den friſchen Lebensteppich vor mir aus<lb/> Zu breiten — Ich bin elend und gefangen.</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Auch <hi rendition="#g">ich</hi> wars, Koͤnigin! und mein Gefaͤngniß<lb/> Sprang auf und frei auf einmal fuͤhlte ſich<lb/> Der Geiſt, des Lebens ſchoͤnen Tag begruͤßend.<lb/> Haß ſchwur ich nun dem engen dumpfen Buch,<lb/> Mit friſchem Kranz die Schlaͤfe mir zu ſchmuͤcken,<lb/> Mich froͤhlich an die Froͤhlichen zu ſchließen.<lb/> Viel edle Schotten draͤngten ſich an mich<lb/> Und der Franzoſen muntre Landsmannſchaften.<lb/> Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim,<lb/> Dem Kardinal von Guiſe — Welch ein Mann!<lb/> Wie ſicher, klar und maͤnnlich groß! — Wie ganz<lb/> Gebohren, um die Geiſter zu regieren!<lb/> Das Muſter eines koͤniglichen Prieſters,<lb/> Ein Fuͤrſt der Kirche, wie ich keinen ſah!</p><lb/> </sp> <sp who="#MARSTUA"> <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr habt ſein theures Angeſicht geſehn,<lb/> Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,<lb/> Der meiner zarten Jugend Fuͤhrer war.<lb/> O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?<lb/> Liebt ihn das Gluͤck, bluͤht ihm das Leben noch,<lb/> Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0036]
Den friſchen Lebensteppich vor mir aus
Zu breiten — Ich bin elend und gefangen.
Mortimer.
Auch ich wars, Koͤnigin! und mein Gefaͤngniß
Sprang auf und frei auf einmal fuͤhlte ſich
Der Geiſt, des Lebens ſchoͤnen Tag begruͤßend.
Haß ſchwur ich nun dem engen dumpfen Buch,
Mit friſchem Kranz die Schlaͤfe mir zu ſchmuͤcken,
Mich froͤhlich an die Froͤhlichen zu ſchließen.
Viel edle Schotten draͤngten ſich an mich
Und der Franzoſen muntre Landsmannſchaften.
Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim,
Dem Kardinal von Guiſe — Welch ein Mann!
Wie ſicher, klar und maͤnnlich groß! — Wie ganz
Gebohren, um die Geiſter zu regieren!
Das Muſter eines koͤniglichen Prieſters,
Ein Fuͤrſt der Kirche, wie ich keinen ſah!
Maria.
Ihr habt ſein theures Angeſicht geſehn,
Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,
Der meiner zarten Jugend Fuͤhrer war.
O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?
Liebt ihn das Gluͤck, bluͤht ihm das Leben noch,
Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?
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