Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.ein Schauspiel. Väter werden heimgesucht im Dritten und viertenGlied -- laß ihns vollenden. Franz nimmt den Brief aus der Tasche. Jhr kennt unsern Korrespondenten! Seht! Den Finger mei- ner rechten Hand wollt ich drum geben, dürft ich sagen, er ist ein Lügner, ein schwarzer giftiger Lügner -- -- Faßt euch! Jhr vergebt mir, wenn ich euch den Brief nicht selbst lesen lasse -- Noch dörft ihr nicht alles hören. D. a. Moor. Alles, alles -- mein Sohn, du ersparst mir die Krücke. Franz ließt. "Leipzig vom I. May. -- Verbän- de mich nicht eine unverbrüchliche Zusage dir auch nicht das geringste zu verhelen, was ich von den Schicksalen deines Bruders auffangen kann, lieb- ster Freund, nimmermehr würde meine unschuldige Feder an dir zur Tyranninn geworden seyn. Jch kann aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie Nachrichten dieser Art dein brüderliches Herz durch- bohren müßen, mir ists als säh ich dich schon um den Nichtswürdigen, den Abscheulichen" -- -- Der alte Moor verbirgt sein Gesicht. Seht Vater! ich lese euch nur das glimpflichste -- "den Abscheuli- chen in tausend Thränen ergossen," ach sie floßen -- stürzten stromweis von dieser mitleidigen Wan- ge -- "mir ists, als säh ich schon deinen alten, frommen Vater Todtenbleich" -- Jesus Maria! ihr seyds, eh ihr noch das mindeste wisset? D. a. A 2
ein Schauſpiel. Vaͤter werden heimgeſucht im Dritten und viertenGlied — laß ihns vollenden. Franz nimmt den Brief aus der Taſche. Jhr kennt unſern Korreſpondenten! Seht! Den Finger mei- ner rechten Hand wollt ich drum geben, duͤrft ich ſagen, er iſt ein Luͤgner, ein ſchwarzer giftiger Luͤgner — — Faßt euch! Jhr vergebt mir, wenn ich euch den Brief nicht ſelbſt leſen laſſe — Noch doͤrft ihr nicht alles hoͤren. D. a. Moor. Alles, alles — mein Sohn, du erſparſt mir die Kruͤcke. Franz ließt. „Leipzig vom I. May. — Verbaͤn- de mich nicht eine unverbruͤchliche Zuſage dir auch nicht das geringſte zu verhelen, was ich von den Schickſalen deines Bruders auffangen kann, lieb- ſter Freund, nimmermehr wuͤrde meine unſchuldige Feder an dir zur Tyranninn geworden ſeyn. Jch kann aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie Nachrichten dieſer Art dein bruͤderliches Herz durch- bohren muͤßen, mir iſts als ſaͤh ich dich ſchon um den Nichtswuͤrdigen, den Abſcheulichen″ — — Der alte Moor verbirgt ſein Geſicht. Seht Vater! ich leſe euch nur das glimpflichſte — „den Abſcheuli- chen in tauſend Thraͤnen ergoſſen,″ ach ſie floßen — ſtuͤrzten ſtromweis von dieſer mitleidigen Wan- ge — „mir iſts, als ſaͤh ich ſchon deinen alten, frommen Vater Todtenbleich″ — Jeſus Maria! ihr ſeyds, eh ihr noch das mindeſte wiſſet? D. a. A 2
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ein Schauſpiel.
Vaͤter werden heimgeſucht im Dritten und vierten
Glied — laß ihns vollenden.
Franz nimmt den Brief aus der Taſche. Jhr kennt
unſern Korreſpondenten! Seht! Den Finger mei-
ner rechten Hand wollt ich drum geben, duͤrft ich
ſagen, er iſt ein Luͤgner, ein ſchwarzer giftiger
Luͤgner — — Faßt euch! Jhr vergebt mir, wenn
ich euch den Brief nicht ſelbſt leſen laſſe — Noch
doͤrft ihr nicht alles hoͤren.
D. a. Moor. Alles, alles — mein Sohn,
du erſparſt mir die Kruͤcke.
Franz ließt. „Leipzig vom I. May. — Verbaͤn-
de mich nicht eine unverbruͤchliche Zuſage dir auch
nicht das geringſte zu verhelen, was ich von den
Schickſalen deines Bruders auffangen kann, lieb-
ſter Freund, nimmermehr wuͤrde meine unſchuldige
Feder an dir zur Tyranninn geworden ſeyn. Jch
kann aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie
Nachrichten dieſer Art dein bruͤderliches Herz durch-
bohren muͤßen, mir iſts als ſaͤh ich dich ſchon um
den Nichtswuͤrdigen, den Abſcheulichen″ — —
Der alte Moor verbirgt ſein Geſicht. Seht Vater! ich
leſe euch nur das glimpflichſte — „den Abſcheuli-
chen in tauſend Thraͤnen ergoſſen,″ ach ſie floßen
— ſtuͤrzten ſtromweis von dieſer mitleidigen Wan-
ge — „mir iſts, als ſaͤh ich ſchon deinen alten,
frommen Vater Todtenbleich″ — Jeſus Maria!
ihr ſeyds, eh ihr noch das mindeſte wiſſet?
D. a.
A 2
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/25>, abgerufen am 27.07.2024. |