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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Von grösserer Bedeutung waren zwey andere Versuche der Protestanten, ihr Gebieth und ihre Macht zu erweitern. Churfürst Gebhard zu Cölln, geborner Truchseß von Waldburg, empfand für die junge Gräfin Agnes von Mansfeld, Canonissin zu Girrisheim, eine heftige Liebe, die nicht unerwiedert blieb. Da die Augen von ganz Deutschland auf dieses Verständniß gerichtet waren, so foderten die Brüder der Gräfin, zwey eifrige Kalvinisten, Genugthuung für die beleidigte Ehre ihres Hauses, die, so lange der Churfürst ein katholischer Bischof blieb, durch keine Heirath gerettet werden konnte. Sie drohten dem Churfürsten, in seinem und ihrer Schwester Blut diese Schande zu tilgen, wenn er nicht sogleich allem Umgang mit der Gräfin entsagte, oder ihre Ehre vor dem Altar wieder herstellte. Der Churfürst, gleichgültig gegen alle Folgen dieses Schrittes, hörte nichts als die Stimme der Liebe. Sey es, daß er der reformirten Religion überhaupt schon geneigt war, oder daß die Reize seiner Geliebten allein dieses Wunder wirkten - er schwur den katholischen Glauben ab, und führte die schöne Agnes zum Altare.

Der Fall war von der höchsten Bedenklichkeit. Nach dem Buchstaben des geistlichen Vorbehalts hatte der Churfürst durch diese Apostasie alle Rechte an sein Erzstift verloren, und wenn es den Katholiken bey irgend einer Gelegenheit wichtig war, den geistlichen Vorbehalt durchzusezen, so war es bey Churfürstenthümern wichtig. Auf der andern Seite war die Scheidung von der höchsten Gewalt ein so harter Schritt, und um so härter für einen so zärtlichen Gemahl, der den Werth seines Herzens und seiner Hand durch das Geschenk eines Fürstenthums so gerne zu erhöhen gewünscht hätte. Der geistliche Vorbehalt war ohnehin ein bestrittener Artikel des Augsburger Friedens, und dem ganzen protestantischen Deutschland schien es von äusserster Wichtigkeit zu

Von grösserer Bedeutung waren zwey andere Versuche der Protestanten, ihr Gebieth und ihre Macht zu erweitern. Churfürst Gebhard zu Cölln, geborner Truchseß von Waldburg, empfand für die junge Gräfin Agnes von Mansfeld, Canonissin zu Girrisheim, eine heftige Liebe, die nicht unerwiedert blieb. Da die Augen von ganz Deutschland auf dieses Verständniß gerichtet waren, so foderten die Brüder der Gräfin, zwey eifrige Kalvinisten, Genugthuung für die beleidigte Ehre ihres Hauses, die, so lange der Churfürst ein katholischer Bischof blieb, durch keine Heirath gerettet werden konnte. Sie drohten dem Churfürsten, in seinem und ihrer Schwester Blut diese Schande zu tilgen, wenn er nicht sogleich allem Umgang mit der Gräfin entsagte, oder ihre Ehre vor dem Altar wieder herstellte. Der Churfürst, gleichgültig gegen alle Folgen dieses Schrittes, hörte nichts als die Stimme der Liebe. Sey es, daß er der reformirten Religion überhaupt schon geneigt war, oder daß die Reize seiner Geliebten allein dieses Wunder wirkten – er schwur den katholischen Glauben ab, und führte die schöne Agnes zum Altare.

Der Fall war von der höchsten Bedenklichkeit. Nach dem Buchstaben des geistlichen Vorbehalts hatte der Churfürst durch diese Apostasie alle Rechte an sein Erzstift verloren, und wenn es den Katholiken bey irgend einer Gelegenheit wichtig war, den geistlichen Vorbehalt durchzusezen, so war es bey Churfürstenthümern wichtig. Auf der andern Seite war die Scheidung von der höchsten Gewalt ein so harter Schritt, und um so härter für einen so zärtlichen Gemahl, der den Werth seines Herzens und seiner Hand durch das Geschenk eines Fürstenthums so gerne zu erhöhen gewünscht hätte. Der geistliche Vorbehalt war ohnehin ein bestrittener Artikel des Augsburger Friedens, und dem ganzen protestantischen Deutschland schien es von äusserster Wichtigkeit zu

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[45/0053] Von grösserer Bedeutung waren zwey andere Versuche der Protestanten, ihr Gebieth und ihre Macht zu erweitern. Churfürst Gebhard zu Cölln, geborner Truchseß von Waldburg, empfand für die junge Gräfin Agnes von Mansfeld, Canonissin zu Girrisheim, eine heftige Liebe, die nicht unerwiedert blieb. Da die Augen von ganz Deutschland auf dieses Verständniß gerichtet waren, so foderten die Brüder der Gräfin, zwey eifrige Kalvinisten, Genugthuung für die beleidigte Ehre ihres Hauses, die, so lange der Churfürst ein katholischer Bischof blieb, durch keine Heirath gerettet werden konnte. Sie drohten dem Churfürsten, in seinem und ihrer Schwester Blut diese Schande zu tilgen, wenn er nicht sogleich allem Umgang mit der Gräfin entsagte, oder ihre Ehre vor dem Altar wieder herstellte. Der Churfürst, gleichgültig gegen alle Folgen dieses Schrittes, hörte nichts als die Stimme der Liebe. Sey es, daß er der reformirten Religion überhaupt schon geneigt war, oder daß die Reize seiner Geliebten allein dieses Wunder wirkten – er schwur den katholischen Glauben ab, und führte die schöne Agnes zum Altare. Der Fall war von der höchsten Bedenklichkeit. Nach dem Buchstaben des geistlichen Vorbehalts hatte der Churfürst durch diese Apostasie alle Rechte an sein Erzstift verloren, und wenn es den Katholiken bey irgend einer Gelegenheit wichtig war, den geistlichen Vorbehalt durchzusezen, so war es bey Churfürstenthümern wichtig. Auf der andern Seite war die Scheidung von der höchsten Gewalt ein so harter Schritt, und um so härter für einen so zärtlichen Gemahl, der den Werth seines Herzens und seiner Hand durch das Geschenk eines Fürstenthums so gerne zu erhöhen gewünscht hätte. Der geistliche Vorbehalt war ohnehin ein bestrittener Artikel des Augsburger Friedens, und dem ganzen protestantischen Deutschland schien es von äusserster Wichtigkeit zu

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/53>, abgerufen am 30.11.2024.