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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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eigenes Konsistorium zugestanden, welches von dem erzbischöflichen Stuhle zu Prag durchaus unabhängig ist. Alle Kirchen, die sie zur Zeit der Ausstellung dieses Briefes in Städten, Dörfern und Märkten bereits inne haben, sollen ihnen bleiben; und wenn sie über diese Zahl noch neue erbauen lassen wollten, so soll dieses dem Herren- und Ritterstande und allen Städten unverbothen seyn. Diese lezte Stelle im Majestätsbriefe ist es, über welche sich nachher der unglückliche Streit entspann, der Europa in Flammen sezte.

Der Majestätsbrief machte das protestantische Böhmen zu einer Art von Republik. Die Stände hatten die Macht kennen lernen, die sie durch Standhaftigkeit, Eintracht und Harmonie in ihren Maßregeln gewannen. Dem Kaiser blieb nicht viel mehr, als ein Schatten seiner landesherrlichen Gewalt; in der Person der so genannten Freyheitsbeschüzer wurde dem Geist des Aufruhrs eine gefährliche Aufmunterung gegeben. Böhmens Beyspiel und Glück war ein verführerischer Wink für die übrigen Erbstaaten Oesterreichs, und alle schickten sich an, ähnliche Privilegien auf einem ähnlichen Wege zu erpressen. Der Geist der Freyheit durchlief eine Provinz nach der andern; und da es vorzüglich die Uneinigkeit zwischen den Oesterreichischen Prinzen war, was die Protestanten so glücklich zu benuzen gewußt hatten, so eilte man, den Kaiser mit dem König von Ungarn zu versöhnen.

Aber diese Versöhnung konnte nimmermehr aufrichtig seyn. Die Beleidigung war zu schwer, um vergeben zu werden, und Rudolph fuhr fort, einen unauslöschlichen Haß gegen Matthias in seinem Herzen zu nähren. Mit Schmerz und Unwillen verweilte er bey dem Gedanken, daß endlich auch das Böhmische Scepter in eine so verhaßte Hand kommen sollte; und die Aussicht war nicht viel tröstlicher für

eigenes Konsistorium zugestanden, welches von dem erzbischöflichen Stuhle zu Prag durchaus unabhängig ist. Alle Kirchen, die sie zur Zeit der Ausstellung dieses Briefes in Städten, Dörfern und Märkten bereits inne haben, sollen ihnen bleiben; und wenn sie über diese Zahl noch neue erbauen lassen wollten, so soll dieses dem Herren- und Ritterstande und allen Städten unverbothen seyn. Diese lezte Stelle im Majestätsbriefe ist es, über welche sich nachher der unglückliche Streit entspann, der Europa in Flammen sezte.

Der Majestätsbrief machte das protestantische Böhmen zu einer Art von Republik. Die Stände hatten die Macht kennen lernen, die sie durch Standhaftigkeit, Eintracht und Harmonie in ihren Maßregeln gewannen. Dem Kaiser blieb nicht viel mehr, als ein Schatten seiner landesherrlichen Gewalt; in der Person der so genannten Freyheitsbeschüzer wurde dem Geist des Aufruhrs eine gefährliche Aufmunterung gegeben. Böhmens Beyspiel und Glück war ein verführerischer Wink für die übrigen Erbstaaten Oesterreichs, und alle schickten sich an, ähnliche Privilegien auf einem ähnlichen Wege zu erpressen. Der Geist der Freyheit durchlief eine Provinz nach der andern; und da es vorzüglich die Uneinigkeit zwischen den Oesterreichischen Prinzen war, was die Protestanten so glücklich zu benuzen gewußt hatten, so eilte man, den Kaiser mit dem König von Ungarn zu versöhnen.

Aber diese Versöhnung konnte nimmermehr aufrichtig seyn. Die Beleidigung war zu schwer, um vergeben zu werden, und Rudolph fuhr fort, einen unauslöschlichen Haß gegen Matthias in seinem Herzen zu nähren. Mit Schmerz und Unwillen verweilte er bey dem Gedanken, daß endlich auch das Böhmische Scepter in eine so verhaßte Hand kommen sollte; und die Aussicht war nicht viel tröstlicher für

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[39/0047] eigenes Konsistorium zugestanden, welches von dem erzbischöflichen Stuhle zu Prag durchaus unabhängig ist. Alle Kirchen, die sie zur Zeit der Ausstellung dieses Briefes in Städten, Dörfern und Märkten bereits inne haben, sollen ihnen bleiben; und wenn sie über diese Zahl noch neue erbauen lassen wollten, so soll dieses dem Herren- und Ritterstande und allen Städten unverbothen seyn. Diese lezte Stelle im Majestätsbriefe ist es, über welche sich nachher der unglückliche Streit entspann, der Europa in Flammen sezte. Der Majestätsbrief machte das protestantische Böhmen zu einer Art von Republik. Die Stände hatten die Macht kennen lernen, die sie durch Standhaftigkeit, Eintracht und Harmonie in ihren Maßregeln gewannen. Dem Kaiser blieb nicht viel mehr, als ein Schatten seiner landesherrlichen Gewalt; in der Person der so genannten Freyheitsbeschüzer wurde dem Geist des Aufruhrs eine gefährliche Aufmunterung gegeben. Böhmens Beyspiel und Glück war ein verführerischer Wink für die übrigen Erbstaaten Oesterreichs, und alle schickten sich an, ähnliche Privilegien auf einem ähnlichen Wege zu erpressen. Der Geist der Freyheit durchlief eine Provinz nach der andern; und da es vorzüglich die Uneinigkeit zwischen den Oesterreichischen Prinzen war, was die Protestanten so glücklich zu benuzen gewußt hatten, so eilte man, den Kaiser mit dem König von Ungarn zu versöhnen. Aber diese Versöhnung konnte nimmermehr aufrichtig seyn. Die Beleidigung war zu schwer, um vergeben zu werden, und Rudolph fuhr fort, einen unauslöschlichen Haß gegen Matthias in seinem Herzen zu nähren. Mit Schmerz und Unwillen verweilte er bey dem Gedanken, daß endlich auch das Böhmische Scepter in eine so verhaßte Hand kommen sollte; und die Aussicht war nicht viel tröstlicher für

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/47>, abgerufen am 25.04.2024.