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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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gekommen war. Was er befürchtet hatte, geschah. Die Stände, welche ihre Wichtigkeit fühlten, wollten sich nicht eher zu einem Schritte verstehen, bis man ihnen über ihre ständischen Privilegien und die Religionsfreyheit vollkommene Sicherheit geleistet hätte. Es war vergeblich, sich jezt noch hinter die alten Ausflüchte zu verkriechen; des Kaisers Schicksal war in ihrer Gewalt, und er mußte sich in die Nothwendigkeit fügen. Doch geschah dieses nur in Betreff ihrer übrigen Foderungen; die Religionsangelegenheiten behielt er sich vor, auf dem nächsten Landtage zu berichtigen.

Nun ergriffen die Böhmen die Waffen zu seiner Vertheidigung, und ein blutiger Bürgerkrieg sollte sich nun zwischen beyden Brüdern entzünden. Aber Rudolph, der nichts so sehr fürchtete, als in dieser sklavischen Abhängigkeit von den Ständen zu bleiben, erwartete diesen nicht, sondern eilte, sich mit dem Erzherzog, seinem Bruder, auf einem friedlichen Weg abzufinden. In einer förmlichen Entsagungsakte überließ er demselben, was ihm nicht mehr zu nehmen war, Oesterreich und das Königreich Ungarn, und erkannte ihn als seinen Nachfolger auf dem Böhmischen Throne.

Theuer genug hatte sich der Kaiser aus diesem Bedrängniß gezogen, um sich unmittelbar darauf in einem neuen zu verwickeln. Die Religionsangelegenheiten der Böhmen waren auf den nächsten Landtag verwiesen worden; dieser Landtag erschien 1609. Sie foderten dieselbe freye Religionsübung wie unter dem vorigen Kaiser, ein eigenes Konsistorium, die Einräumung der Prager Akademie, und die Erlaubniß, Defensoren oder Freyheitsbeschützer aus ihrem Mittel aufzustellen. Es blieb bey der ersten Antwort, denn der katholische Theil hatte alle Entschließungen des furchtsamen Kaisers gefesselt. So oft und in so drohender Sprache auch die Stände ihre

gekommen war. Was er befürchtet hatte, geschah. Die Stände, welche ihre Wichtigkeit fühlten, wollten sich nicht eher zu einem Schritte verstehen, bis man ihnen über ihre ständischen Privilegien und die Religionsfreyheit vollkommene Sicherheit geleistet hätte. Es war vergeblich, sich jezt noch hinter die alten Ausflüchte zu verkriechen; des Kaisers Schicksal war in ihrer Gewalt, und er mußte sich in die Nothwendigkeit fügen. Doch geschah dieses nur in Betreff ihrer übrigen Foderungen; die Religionsangelegenheiten behielt er sich vor, auf dem nächsten Landtage zu berichtigen.

Nun ergriffen die Böhmen die Waffen zu seiner Vertheidigung, und ein blutiger Bürgerkrieg sollte sich nun zwischen beyden Brüdern entzünden. Aber Rudolph, der nichts so sehr fürchtete, als in dieser sklavischen Abhängigkeit von den Ständen zu bleiben, erwartete diesen nicht, sondern eilte, sich mit dem Erzherzog, seinem Bruder, auf einem friedlichen Weg abzufinden. In einer förmlichen Entsagungsakte überließ er demselben, was ihm nicht mehr zu nehmen war, Oesterreich und das Königreich Ungarn, und erkannte ihn als seinen Nachfolger auf dem Böhmischen Throne.

Theuer genug hatte sich der Kaiser aus diesem Bedrängniß gezogen, um sich unmittelbar darauf in einem neuen zu verwickeln. Die Religionsangelegenheiten der Böhmen waren auf den nächsten Landtag verwiesen worden; dieser Landtag erschien 1609. Sie foderten dieselbe freye Religionsübung wie unter dem vorigen Kaiser, ein eigenes Konsistorium, die Einräumung der Prager Akademie, und die Erlaubniß, Defensoren oder Freyheitsbeschützer aus ihrem Mittel aufzustellen. Es blieb bey der ersten Antwort, denn der katholische Theil hatte alle Entschließungen des furchtsamen Kaisers gefesselt. So oft und in so drohender Sprache auch die Stände ihre

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[37/0045] gekommen war. Was er befürchtet hatte, geschah. Die Stände, welche ihre Wichtigkeit fühlten, wollten sich nicht eher zu einem Schritte verstehen, bis man ihnen über ihre ständischen Privilegien und die Religionsfreyheit vollkommene Sicherheit geleistet hätte. Es war vergeblich, sich jezt noch hinter die alten Ausflüchte zu verkriechen; des Kaisers Schicksal war in ihrer Gewalt, und er mußte sich in die Nothwendigkeit fügen. Doch geschah dieses nur in Betreff ihrer übrigen Foderungen; die Religionsangelegenheiten behielt er sich vor, auf dem nächsten Landtage zu berichtigen. Nun ergriffen die Böhmen die Waffen zu seiner Vertheidigung, und ein blutiger Bürgerkrieg sollte sich nun zwischen beyden Brüdern entzünden. Aber Rudolph, der nichts so sehr fürchtete, als in dieser sklavischen Abhängigkeit von den Ständen zu bleiben, erwartete diesen nicht, sondern eilte, sich mit dem Erzherzog, seinem Bruder, auf einem friedlichen Weg abzufinden. In einer förmlichen Entsagungsakte überließ er demselben, was ihm nicht mehr zu nehmen war, Oesterreich und das Königreich Ungarn, und erkannte ihn als seinen Nachfolger auf dem Böhmischen Throne. Theuer genug hatte sich der Kaiser aus diesem Bedrängniß gezogen, um sich unmittelbar darauf in einem neuen zu verwickeln. Die Religionsangelegenheiten der Böhmen waren auf den nächsten Landtag verwiesen worden; dieser Landtag erschien 1609. Sie foderten dieselbe freye Religionsübung wie unter dem vorigen Kaiser, ein eigenes Konsistorium, die Einräumung der Prager Akademie, und die Erlaubniß, Defensoren oder Freyheitsbeschützer aus ihrem Mittel aufzustellen. Es blieb bey der ersten Antwort, denn der katholische Theil hatte alle Entschließungen des furchtsamen Kaisers gefesselt. So oft und in so drohender Sprache auch die Stände ihre

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/45>, abgerufen am 25.04.2024.