Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt, und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich - ob aus Pflichtgefühl oder aus niedrigen Antrieben, ist ungewiß - bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Kommendanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieutenant Gordon, zweyen protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwey Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherey und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fodert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen; und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Komplott, und Wallenstein, ohne Ahndung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treusten Verfechter zu finden. Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lägern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr, Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt, und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich – ob aus Pflichtgefühl oder aus niedrigen Antrieben, ist ungewiß – bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Kommendanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieutenant Gordon, zweyen protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwey Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherey und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fodert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen; und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Komplott, und Wallenstein, ohne Ahndung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treusten Verfechter zu finden. Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lägern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0413" n="405"/> Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens <hi rendition="#g">Leßlie</hi>, mit vorzüglicher Gunst beehrt, und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich – ob aus Pflichtgefühl oder aus niedrigen Antrieben, ist ungewiß – bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Kommendanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieutenant Gordon, zweyen protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwey Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherey und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fodert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen; und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Komplott, und Wallenstein, ohne Ahndung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treusten Verfechter zu finden.</p> <p>Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lägern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr, </p> </div> </body> </text> </TEI> [405/0413]
Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt, und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich – ob aus Pflichtgefühl oder aus niedrigen Antrieben, ist ungewiß – bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Kommendanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieutenant Gordon, zweyen protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwey Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherey und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fodert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen; und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Komplott, und Wallenstein, ohne Ahndung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treusten Verfechter zu finden.
Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lägern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr,
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