Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft, versäumte er - das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen - die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee - eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm als ihrem Gesetzgeber und Richter zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebnen Schmeicheleyen, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte, und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte. Zerreißen mußten alle

vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft, versäumte er – das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen – die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee – eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm als ihrem Gesetzgeber und Richter zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebnen Schmeicheleyen, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte, und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte. Zerreißen mußten alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0402" n="394"/>
vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft, versäumte er &#x2013; das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen &#x2013; die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee &#x2013; eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm als ihrem Gesetzgeber und Richter zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebnen Schmeicheleyen, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte, und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der <hi rendition="#g">Würde</hi> dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die <hi rendition="#g">legale</hi> Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte. Zerreißen mußten alle
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0402] vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft, versäumte er – das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen – die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee – eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm als ihrem Gesetzgeber und Richter zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebnen Schmeicheleyen, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte, und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte. Zerreißen mußten alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/402
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/402>, abgerufen am 23.11.2024.