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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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eine wirklich barbarische Hinopferung der Soldaten in Winterfeldzügen, Märschen, Stürmen und offenen Schlachten gewaltsam erzwungen worden, und es war Gustav Adolphs Maxime, nie an einem Siege zu verzagen, sobald er ihm mehr nicht als Menschen kostete. Dem Soldaten konnte seine Wichtigkeit nicht lange verborgen bleiben, und mit Recht verlangte er seinen Antheil an einem Gewinn, der mit seinem Blute errungen war. Aber mehrentheils konnte man ihm kaum den gebührenden Sold bezahlen, und die Gierigkeit der einzelnen Häupter, oder das Bedürfniß des Staats verschlang gewöhnlich den besten Theil der erpreßten Summen und der erworbnen Besitzungen. Für alle Mühseligkeiten, die er übernahm, blieb ihm nichts, als die zweifelhafte Aussicht auf Raub oder auf Beförderung; und in beyden mußte er sich nur zu oft hintergangen sehen. Furcht und Hoffnung unterdrückten zwar jeden gewaltsamen Ausbruch der Unzufriedenheit, so lange Adolph lebte; aber nach seinem Hintritt wurde der allgemeine Unwille laut, und der Soldat ergriff gerade den gefährlichsten Augenblick, sich seiner Wichtigkeit zu erinnern. Zwey Offiziere, Pfuhl und Mitschefal, schon bey Lebzeiten des Königs als unruhstiftende Köpfe berüchtigt, geben im Lager an der Donau das Beyspiel, das in wenigen Tagen unter den Offizieren der Armee eine fast allgemeine Nachahmung findet. Man verbindet sich unter einander durch Wort und Handschlag, keinem Kommando zu gehorchen, bis der seit Monaten und Jahren noch rückständige Sold entrichtet, und noch außerdem jedem Einzelnen eine verhältnißmäßige Belohnung an Geld oder liegenden Gründen bewilligt sey. "Ungeheure Summen," hörte man sie sagen, "würden täglich durch Brandschatzungen erpreßt, und all dieses Geld zerrinne in wenigen Händen. In Schnee und Eis treibe man sie hinaus, und nirgends kein Dank für diese unendliche Arbeit. Zu Heilbronn schreye man

eine wirklich barbarische Hinopferung der Soldaten in Winterfeldzügen, Märschen, Stürmen und offenen Schlachten gewaltsam erzwungen worden, und es war Gustav Adolphs Maxime, nie an einem Siege zu verzagen, sobald er ihm mehr nicht als Menschen kostete. Dem Soldaten konnte seine Wichtigkeit nicht lange verborgen bleiben, und mit Recht verlangte er seinen Antheil an einem Gewinn, der mit seinem Blute errungen war. Aber mehrentheils konnte man ihm kaum den gebührenden Sold bezahlen, und die Gierigkeit der einzelnen Häupter, oder das Bedürfniß des Staats verschlang gewöhnlich den besten Theil der erpreßten Summen und der erworbnen Besitzungen. Für alle Mühseligkeiten, die er übernahm, blieb ihm nichts, als die zweifelhafte Aussicht auf Raub oder auf Beförderung; und in beyden mußte er sich nur zu oft hintergangen sehen. Furcht und Hoffnung unterdrückten zwar jeden gewaltsamen Ausbruch der Unzufriedenheit, so lange Adolph lebte; aber nach seinem Hintritt wurde der allgemeine Unwille laut, und der Soldat ergriff gerade den gefährlichsten Augenblick, sich seiner Wichtigkeit zu erinnern. Zwey Offiziere, Pfuhl und Mitschefal, schon bey Lebzeiten des Königs als unruhstiftende Köpfe berüchtigt, geben im Lager an der Donau das Beyspiel, das in wenigen Tagen unter den Offizieren der Armee eine fast allgemeine Nachahmung findet. Man verbindet sich unter einander durch Wort und Handschlag, keinem Kommando zu gehorchen, bis der seit Monaten und Jahren noch rückständige Sold entrichtet, und noch außerdem jedem Einzelnen eine verhältnißmäßige Belohnung an Geld oder liegenden Gründen bewilligt sey. „Ungeheure Summen,“ hörte man sie sagen, „würden täglich durch Brandschatzungen erpreßt, und all dieses Geld zerrinne in wenigen Händen. In Schnee und Eis treibe man sie hinaus, und nirgends kein Dank für diese unendliche Arbeit. Zu Heilbronn schreye man

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[370/0378] eine wirklich barbarische Hinopferung der Soldaten in Winterfeldzügen, Märschen, Stürmen und offenen Schlachten gewaltsam erzwungen worden, und es war Gustav Adolphs Maxime, nie an einem Siege zu verzagen, sobald er ihm mehr nicht als Menschen kostete. Dem Soldaten konnte seine Wichtigkeit nicht lange verborgen bleiben, und mit Recht verlangte er seinen Antheil an einem Gewinn, der mit seinem Blute errungen war. Aber mehrentheils konnte man ihm kaum den gebührenden Sold bezahlen, und die Gierigkeit der einzelnen Häupter, oder das Bedürfniß des Staats verschlang gewöhnlich den besten Theil der erpreßten Summen und der erworbnen Besitzungen. Für alle Mühseligkeiten, die er übernahm, blieb ihm nichts, als die zweifelhafte Aussicht auf Raub oder auf Beförderung; und in beyden mußte er sich nur zu oft hintergangen sehen. Furcht und Hoffnung unterdrückten zwar jeden gewaltsamen Ausbruch der Unzufriedenheit, so lange Adolph lebte; aber nach seinem Hintritt wurde der allgemeine Unwille laut, und der Soldat ergriff gerade den gefährlichsten Augenblick, sich seiner Wichtigkeit zu erinnern. Zwey Offiziere, Pfuhl und Mitschefal, schon bey Lebzeiten des Königs als unruhstiftende Köpfe berüchtigt, geben im Lager an der Donau das Beyspiel, das in wenigen Tagen unter den Offizieren der Armee eine fast allgemeine Nachahmung findet. Man verbindet sich unter einander durch Wort und Handschlag, keinem Kommando zu gehorchen, bis der seit Monaten und Jahren noch rückständige Sold entrichtet, und noch außerdem jedem Einzelnen eine verhältnißmäßige Belohnung an Geld oder liegenden Gründen bewilligt sey. „Ungeheure Summen,“ hörte man sie sagen, „würden täglich durch Brandschatzungen erpreßt, und all dieses Geld zerrinne in wenigen Händen. In Schnee und Eis treibe man sie hinaus, und nirgends kein Dank für diese unendliche Arbeit. Zu Heilbronn schreye man

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/378>, abgerufen am 25.11.2024.