Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

erschöpften Landes ließen es sich mit Freuden gefallen, dem König eine Contribution von hundert tausend Gulden zu bewilligen.

Torquato Conti, bey aller Härte seines Charakters ein vortrefflicher General, suchte dem König von Schweden den Besiz von Stettin wenigstens unnüz zu machen, da er ihn nicht von diesem Ort zu vertreiben vermochte. Er verschanzte sich zu Garz, oberhalb Stettin, an der Oder, um diesen Fluß zu beherrschen, und jener Stadt die Communication zu Wasser mit dem übrigen Deutschland abzuschneiden. Nichts konnte ihn dahin bringen, sich mit dem König von Schweden zu schlagen, der ihm an Mannschaft überlegen war; noch weniger wollte es diesem gelingen, die festen kaiserlichen Verschanzungen zu stürmen. Torquato, von Truppen und Geld allzu sehr entblößt, um angriffsweise gegen den König zu agiren, gedachte mit Hülfe dieses Operationsplans dem Grafen Tilly Zeit zu verschaffen, zur Vertheidigung Pommerns herbey zu eilen, und alsdann in Vereinigung mit diesem General auf den König von Schweden los zu gehen. Er benuzte sogar einmal die Entfernung des Königs, um sich durch einen unvermutheten Ueberfall Stettins zu bemächtigen; aber die Schweden ließen sich nicht unvorbereitet finden. Ein lebhafter Angriff der Kaiserlichen wurde mit Standhaftigkeit zurückgeschlagen, und Torquato verschwand mit einem großen Verluste. Nicht zu läugnen ist es, daß Gustav Adolph bey diesem günstigen Anfang eben so viel dem Glück als seiner Kriegserfahrenheit dankte. Die kaiserlichen Truppen in Pommern waren seit Wallensteins Abdankung aufs tiefste herunter gekommen. Grausam rächten sich ihre Ausschweifungen jezt an ihnen selbst; ein ausgezehrtes verödetes Land konnte ihnen keinen Unterhalt mehr darbiethen. Alle Mannszucht war dahin, keine Achtung mehr für die Befehle der Offiziere; zusehends schmolz ihre Anzahl durch häufige Desertionen, und durch ein allgemeines Sterben, welches die schneidende

erschöpften Landes ließen es sich mit Freuden gefallen, dem König eine Contribution von hundert tausend Gulden zu bewilligen.

Torquato Conti, bey aller Härte seines Charakters ein vortrefflicher General, suchte dem König von Schweden den Besiz von Stettin wenigstens unnüz zu machen, da er ihn nicht von diesem Ort zu vertreiben vermochte. Er verschanzte sich zu Garz, oberhalb Stettin, an der Oder, um diesen Fluß zu beherrschen, und jener Stadt die Communication zu Wasser mit dem übrigen Deutschland abzuschneiden. Nichts konnte ihn dahin bringen, sich mit dem König von Schweden zu schlagen, der ihm an Mannschaft überlegen war; noch weniger wollte es diesem gelingen, die festen kaiserlichen Verschanzungen zu stürmen. Torquato, von Truppen und Geld allzu sehr entblößt, um angriffsweise gegen den König zu agiren, gedachte mit Hülfe dieses Operationsplans dem Grafen Tilly Zeit zu verschaffen, zur Vertheidigung Pommerns herbey zu eilen, und alsdann in Vereinigung mit diesem General auf den König von Schweden los zu gehen. Er benuzte sogar einmal die Entfernung des Königs, um sich durch einen unvermutheten Ueberfall Stettins zu bemächtigen; aber die Schweden ließen sich nicht unvorbereitet finden. Ein lebhafter Angriff der Kaiserlichen wurde mit Standhaftigkeit zurückgeschlagen, und Torquato verschwand mit einem großen Verluste. Nicht zu läugnen ist es, daß Gustav Adolph bey diesem günstigen Anfang eben so viel dem Glück als seiner Kriegserfahrenheit dankte. Die kaiserlichen Truppen in Pommern waren seit Wallensteins Abdankung aufs tiefste herunter gekommen. Grausam rächten sich ihre Ausschweifungen jezt an ihnen selbst; ein ausgezehrtes verödetes Land konnte ihnen keinen Unterhalt mehr darbiethen. Alle Mannszucht war dahin, keine Achtung mehr für die Befehle der Offiziere; zusehends schmolz ihre Anzahl durch häufige Desertionen, und durch ein allgemeines Sterben, welches die schneidende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="180"/>
erschöpften Landes ließen es sich mit Freuden           gefallen, dem König eine Contribution von hundert tausend Gulden zu bewilligen.</p>
        <p>Torquato Conti, bey aller Härte seines Charakters ein vortrefflicher General, suchte dem           König von Schweden den Besiz von Stettin wenigstens unnüz zu machen, da er ihn nicht von           diesem Ort zu vertreiben vermochte. Er verschanzte sich zu Garz, oberhalb Stettin, an der           Oder, um diesen Fluß zu beherrschen, und jener Stadt die Communication zu Wasser mit dem           übrigen Deutschland abzuschneiden. Nichts konnte ihn dahin bringen, sich mit dem König von           Schweden zu schlagen, der ihm an Mannschaft überlegen war; noch weniger wollte es diesem           gelingen, die festen kaiserlichen Verschanzungen zu stürmen. Torquato, von Truppen und           Geld allzu sehr entblößt, um angriffsweise gegen den König zu agiren, gedachte mit Hülfe           dieses Operationsplans dem Grafen Tilly Zeit zu verschaffen, zur Vertheidigung Pommerns           herbey zu eilen, und alsdann in Vereinigung mit diesem General auf den König von Schweden           los zu gehen. Er benuzte sogar einmal die Entfernung des Königs, um sich durch einen           unvermutheten Ueberfall Stettins zu bemächtigen; aber die Schweden ließen sich nicht           unvorbereitet finden. Ein lebhafter Angriff der Kaiserlichen wurde mit Standhaftigkeit           zurückgeschlagen, und Torquato verschwand mit einem großen Verluste. Nicht zu läugnen ist           es, daß <persName>Gustav Adolph</persName> bey diesem günstigen Anfang eben so viel dem Glück als seiner           Kriegserfahrenheit dankte. Die kaiserlichen Truppen in Pommern waren seit Wallensteins           Abdankung aufs tiefste herunter gekommen. Grausam rächten sich ihre Ausschweifungen jezt           an ihnen selbst; ein ausgezehrtes verödetes Land konnte ihnen keinen Unterhalt mehr           darbiethen. Alle Mannszucht war dahin, keine Achtung mehr für die Befehle der Offiziere;           zusehends schmolz ihre Anzahl durch häufige Desertionen, und durch ein allgemeines           Sterben, welches die schneidende
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0188] erschöpften Landes ließen es sich mit Freuden gefallen, dem König eine Contribution von hundert tausend Gulden zu bewilligen. Torquato Conti, bey aller Härte seines Charakters ein vortrefflicher General, suchte dem König von Schweden den Besiz von Stettin wenigstens unnüz zu machen, da er ihn nicht von diesem Ort zu vertreiben vermochte. Er verschanzte sich zu Garz, oberhalb Stettin, an der Oder, um diesen Fluß zu beherrschen, und jener Stadt die Communication zu Wasser mit dem übrigen Deutschland abzuschneiden. Nichts konnte ihn dahin bringen, sich mit dem König von Schweden zu schlagen, der ihm an Mannschaft überlegen war; noch weniger wollte es diesem gelingen, die festen kaiserlichen Verschanzungen zu stürmen. Torquato, von Truppen und Geld allzu sehr entblößt, um angriffsweise gegen den König zu agiren, gedachte mit Hülfe dieses Operationsplans dem Grafen Tilly Zeit zu verschaffen, zur Vertheidigung Pommerns herbey zu eilen, und alsdann in Vereinigung mit diesem General auf den König von Schweden los zu gehen. Er benuzte sogar einmal die Entfernung des Königs, um sich durch einen unvermutheten Ueberfall Stettins zu bemächtigen; aber die Schweden ließen sich nicht unvorbereitet finden. Ein lebhafter Angriff der Kaiserlichen wurde mit Standhaftigkeit zurückgeschlagen, und Torquato verschwand mit einem großen Verluste. Nicht zu läugnen ist es, daß Gustav Adolph bey diesem günstigen Anfang eben so viel dem Glück als seiner Kriegserfahrenheit dankte. Die kaiserlichen Truppen in Pommern waren seit Wallensteins Abdankung aufs tiefste herunter gekommen. Grausam rächten sich ihre Ausschweifungen jezt an ihnen selbst; ein ausgezehrtes verödetes Land konnte ihnen keinen Unterhalt mehr darbiethen. Alle Mannszucht war dahin, keine Achtung mehr für die Befehle der Offiziere; zusehends schmolz ihre Anzahl durch häufige Desertionen, und durch ein allgemeines Sterben, welches die schneidende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/188
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/188>, abgerufen am 04.05.2024.