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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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wechselseitigen Hülfsleistung vermögen. Die Verschiedenheit der Verfassung, der Geseze, der Sprache, der Sitten, des Nationalcharakters, welche die Nationen und Länder in eben so viele verschiedene Ganze absonderte, und eine fortdauernde Scheidewand zwischen sie stellte, machte den einen Staat unempfindlich gegen die Bedrängnisse des andern, wo ihn nicht gar die Nationaleifersucht zu einer feindseligen Schadenfreude reizte. Die Reformation stürzte diese Scheidewand. Ein lebhafteres näher liegendes Interesse als der Nationalvortheil oder die Vaterlandsliebe, und welches von bürgerlichen Verhältnissen durchaus unabhängig war, fing an, die einzelnen Bürger und ganze Staaten zu beseelen. Dieses Interesse konnte mehrere und selbst die entlegensten Staaten mit einander verbinden, und bey Unterthanen des nehmlichen Staats konnte dieses Band wegfallen. Der Französische Kalvinist hatte also mit dem reformirten Genfer, Engländer, Deutschen oder Holländer einen Berührungspunkt, den er mit seinem eignen katholischen Mitbürger nicht hatte. Das Glück der Niederländischen Waffen, welche für seine Religion geführt wurden, mußte ihn also näher angehen, als die Triumphe seines eigenen Landesherrn, welche zum Vortheil des Pabstthums erfochten wurden. Er hörte also in einem sehr wichtigen Punkte auf, Bürger eines einzelnen Staats zu seyn, seine Aufmerksamkeit und Theilnahme auf diesen einzelnen Staat einzuschränken. Sein Kreis erweitert sich, er fängt an, aus dem Schicksale fremder Länder, die seines Glaubens sind, sich sein eignes zu weissagen, und ihre Sache zu der seinigen zu machen. Nun erst dürfen die Regenten es wagen, auswärtige Angelegenheiten vor die Versammlung ihrer Landstände zu bringen, nun erst hoffen, ein williges Ohr und schnelle Hülfe zu finden. Diese auswärtige Angelegenheiten sind jezt zu einheimischen geworden, und gerne reicht man dem Glaubensverwandten eine hülfreiche Hand, die man dem bloßen Nachbar, und noch mehr dem fernen Ausländer, verweigert hätte. Jetzt verläßt der

wechselseitigen Hülfsleistung vermögen. Die Verschiedenheit der Verfassung, der Geseze, der Sprache, der Sitten, des Nationalcharakters, welche die Nationen und Länder in eben so viele verschiedene Ganze absonderte, und eine fortdauernde Scheidewand zwischen sie stellte, machte den einen Staat unempfindlich gegen die Bedrängnisse des andern, wo ihn nicht gar die Nationaleifersucht zu einer feindseligen Schadenfreude reizte. Die Reformation stürzte diese Scheidewand. Ein lebhafteres näher liegendes Interesse als der Nationalvortheil oder die Vaterlandsliebe, und welches von bürgerlichen Verhältnissen durchaus unabhängig war, fing an, die einzelnen Bürger und ganze Staaten zu beseelen. Dieses Interesse konnte mehrere und selbst die entlegensten Staaten mit einander verbinden, und bey Unterthanen des nehmlichen Staats konnte dieses Band wegfallen. Der Französische Kalvinist hatte also mit dem reformirten Genfer, Engländer, Deutschen oder Holländer einen Berührungspunkt, den er mit seinem eignen katholischen Mitbürger nicht hatte. Das Glück der Niederländischen Waffen, welche für seine Religion geführt wurden, mußte ihn also näher angehen, als die Triumphe seines eigenen Landesherrn, welche zum Vortheil des Pabstthums erfochten wurden. Er hörte also in einem sehr wichtigen Punkte auf, Bürger eines einzelnen Staats zu seyn, seine Aufmerksamkeit und Theilnahme auf diesen einzelnen Staat einzuschränken. Sein Kreis erweitert sich, er fängt an, aus dem Schicksale fremder Länder, die seines Glaubens sind, sich sein eignes zu weissagen, und ihre Sache zu der seinigen zu machen. Nun erst dürfen die Regenten es wagen, auswärtige Angelegenheiten vor die Versammlung ihrer Landstände zu bringen, nun erst hoffen, ein williges Ohr und schnelle Hülfe zu finden. Diese auswärtige Angelegenheiten sind jezt zu einheimischen geworden, und gerne reicht man dem Glaubensverwandten eine hülfreiche Hand, die man dem bloßen Nachbar, und noch mehr dem fernen Ausländer, verweigert hätte. Jetzt verläßt der

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[10/0018] wechselseitigen Hülfsleistung vermögen. Die Verschiedenheit der Verfassung, der Geseze, der Sprache, der Sitten, des Nationalcharakters, welche die Nationen und Länder in eben so viele verschiedene Ganze absonderte, und eine fortdauernde Scheidewand zwischen sie stellte, machte den einen Staat unempfindlich gegen die Bedrängnisse des andern, wo ihn nicht gar die Nationaleifersucht zu einer feindseligen Schadenfreude reizte. Die Reformation stürzte diese Scheidewand. Ein lebhafteres näher liegendes Interesse als der Nationalvortheil oder die Vaterlandsliebe, und welches von bürgerlichen Verhältnissen durchaus unabhängig war, fing an, die einzelnen Bürger und ganze Staaten zu beseelen. Dieses Interesse konnte mehrere und selbst die entlegensten Staaten mit einander verbinden, und bey Unterthanen des nehmlichen Staats konnte dieses Band wegfallen. Der Französische Kalvinist hatte also mit dem reformirten Genfer, Engländer, Deutschen oder Holländer einen Berührungspunkt, den er mit seinem eignen katholischen Mitbürger nicht hatte. Das Glück der Niederländischen Waffen, welche für seine Religion geführt wurden, mußte ihn also näher angehen, als die Triumphe seines eigenen Landesherrn, welche zum Vortheil des Pabstthums erfochten wurden. Er hörte also in einem sehr wichtigen Punkte auf, Bürger eines einzelnen Staats zu seyn, seine Aufmerksamkeit und Theilnahme auf diesen einzelnen Staat einzuschränken. Sein Kreis erweitert sich, er fängt an, aus dem Schicksale fremder Länder, die seines Glaubens sind, sich sein eignes zu weissagen, und ihre Sache zu der seinigen zu machen. Nun erst dürfen die Regenten es wagen, auswärtige Angelegenheiten vor die Versammlung ihrer Landstände zu bringen, nun erst hoffen, ein williges Ohr und schnelle Hülfe zu finden. Diese auswärtige Angelegenheiten sind jezt zu einheimischen geworden, und gerne reicht man dem Glaubensverwandten eine hülfreiche Hand, die man dem bloßen Nachbar, und noch mehr dem fernen Ausländer, verweigert hätte. Jetzt verläßt der

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/18>, abgerufen am 24.11.2024.