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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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zusammentraf, ohne welche sie vermuthlich eine ganz andre Entwickelung gehabt haben würde. Diese waren: die auf einmal hervor springende Uebermacht des Hauses Oesterreich, welche die Freyheit Europens bedrohte, und der thätige Eifer dieses Hauses für die alte Religion. Das erste weckte die Regenten, das zweyte bewaffnete ihnen die Nationen.

Die Aufhebung einer fremden Gerichtsbarkeit in ihren Staaten, die höchste Gewalt in geistlichen Dingen, der gehemmte Abfluß des Geldes nach Rom, die reiche Beute der geistlichen Stifter, waren Vortheile, die für jeden Souverain auf gleiche Art verführerisch seyn mußten - warum, könnte man fragen, wirkten sie nicht eben so gut auf die Prinzen des Hauses Oesterreich; Was hinderte dieses Haus, und insbesondre die Deutsche Linie desselben, den dringenden Aufforderungen so vieler seiner Unterthanen Gehör zu geben, und sich nach dem Beyspiel andrer auf Unkosten einer wehrlosen Geistlichkeit zu verbessern? Es ist schwer zu glauben, daß die Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit der Römischen Kirche an der frommen Standhaftigkeit dieses Hauses einen grössern Antheil gehabt haben sollte, als die Ueberzeugung vom Gegentheil an dem Abfalle der protestantischen Fürsten. Mehrere Gründe vereinigten sich, die Oesterreichischen Prinzen zu Stüzen des Pabstthums zu machen. Spanien und Italien, aus welchen Ländern die Oesterreichische Macht einen großen Theil ihrer Stärke zog, waren dem Stuhle zu Rom mit blinder Anhänglichkeit ergeben, welche die Spanier insbesondre schon zu den Zeiten der Gothischen Herrschaft ausgezeichnet hat. Die geringste Annäherung an die verabscheuten Lehren Luthers und Kalvins mußte dem Beherrscher von Spanien die Herzen seiner Unterthanen unwiederbringlich entreißen; der Abfall von dem Pabstthum konnte ihm dieses Königreich kosten. Ein Spanischer König mußte ein rechtgläubiger Prinz seyn, oder er mußte von diesem Throne steigen. Den

zusammentraf, ohne welche sie vermuthlich eine ganz andre Entwickelung gehabt haben würde. Diese waren: die auf einmal hervor springende Uebermacht des Hauses Oesterreich, welche die Freyheit Europens bedrohte, und der thätige Eifer dieses Hauses für die alte Religion. Das erste weckte die Regenten, das zweyte bewaffnete ihnen die Nationen.

Die Aufhebung einer fremden Gerichtsbarkeit in ihren Staaten, die höchste Gewalt in geistlichen Dingen, der gehemmte Abfluß des Geldes nach Rom, die reiche Beute der geistlichen Stifter, waren Vortheile, die für jeden Souverain auf gleiche Art verführerisch seyn mußten – warum, könnte man fragen, wirkten sie nicht eben so gut auf die Prinzen des Hauses Oesterreich; Was hinderte dieses Haus, und insbesondre die Deutsche Linie desselben, den dringenden Aufforderungen so vieler seiner Unterthanen Gehör zu geben, und sich nach dem Beyspiel andrer auf Unkosten einer wehrlosen Geistlichkeit zu verbessern? Es ist schwer zu glauben, daß die Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit der Römischen Kirche an der frommen Standhaftigkeit dieses Hauses einen grössern Antheil gehabt haben sollte, als die Ueberzeugung vom Gegentheil an dem Abfalle der protestantischen Fürsten. Mehrere Gründe vereinigten sich, die Oesterreichischen Prinzen zu Stüzen des Pabstthums zu machen. Spanien und Italien, aus welchen Ländern die Oesterreichische Macht einen großen Theil ihrer Stärke zog, waren dem Stuhle zu Rom mit blinder Anhänglichkeit ergeben, welche die Spanier insbesondre schon zu den Zeiten der Gothischen Herrschaft ausgezeichnet hat. Die geringste Annäherung an die verabscheuten Lehren Luthers und Kalvins mußte dem Beherrscher von Spanien die Herzen seiner Unterthanen unwiederbringlich entreißen; der Abfall von dem Pabstthum konnte ihm dieses Königreich kosten. Ein Spanischer König mußte ein rechtgläubiger Prinz seyn, oder er mußte von diesem Throne steigen. Den

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[5/0013] zusammentraf, ohne welche sie vermuthlich eine ganz andre Entwickelung gehabt haben würde. Diese waren: die auf einmal hervor springende Uebermacht des Hauses Oesterreich, welche die Freyheit Europens bedrohte, und der thätige Eifer dieses Hauses für die alte Religion. Das erste weckte die Regenten, das zweyte bewaffnete ihnen die Nationen. Die Aufhebung einer fremden Gerichtsbarkeit in ihren Staaten, die höchste Gewalt in geistlichen Dingen, der gehemmte Abfluß des Geldes nach Rom, die reiche Beute der geistlichen Stifter, waren Vortheile, die für jeden Souverain auf gleiche Art verführerisch seyn mußten – warum, könnte man fragen, wirkten sie nicht eben so gut auf die Prinzen des Hauses Oesterreich; Was hinderte dieses Haus, und insbesondre die Deutsche Linie desselben, den dringenden Aufforderungen so vieler seiner Unterthanen Gehör zu geben, und sich nach dem Beyspiel andrer auf Unkosten einer wehrlosen Geistlichkeit zu verbessern? Es ist schwer zu glauben, daß die Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit der Römischen Kirche an der frommen Standhaftigkeit dieses Hauses einen grössern Antheil gehabt haben sollte, als die Ueberzeugung vom Gegentheil an dem Abfalle der protestantischen Fürsten. Mehrere Gründe vereinigten sich, die Oesterreichischen Prinzen zu Stüzen des Pabstthums zu machen. Spanien und Italien, aus welchen Ländern die Oesterreichische Macht einen großen Theil ihrer Stärke zog, waren dem Stuhle zu Rom mit blinder Anhänglichkeit ergeben, welche die Spanier insbesondre schon zu den Zeiten der Gothischen Herrschaft ausgezeichnet hat. Die geringste Annäherung an die verabscheuten Lehren Luthers und Kalvins mußte dem Beherrscher von Spanien die Herzen seiner Unterthanen unwiederbringlich entreißen; der Abfall von dem Pabstthum konnte ihm dieses Königreich kosten. Ein Spanischer König mußte ein rechtgläubiger Prinz seyn, oder er mußte von diesem Throne steigen. Den

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/13>, abgerufen am 26.04.2024.