Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

erklärtesten Feinde: so war es die Schuld dieser Fürsten, welche sich Johann Georgs weise Politik nicht zum Muster nahmen. Wenn, dieser weisen Politik ungeachtet, der Sächsische Landmann, wie jeder andre, über die Gräuel der kaiserlichen Durchzüge seufzte; wenn ganz Deutschland Zeuge war, wie Ferdinand seinen Bundsgenossen täuschte, und seiner Versprechungen spottete - wenn Johann Georg dieses endlich selbst zu bemerken glaubte - desto mehr Schande für den Kaiser, der ein so redliches Vertrauen so grausam hinterging!

Wenn übertriebenes Vertrauen auf Oesterreich, und Hoffnung, seine Länder zu vermehren, dem Churfürsten von Sachsen die Hände banden, so hielten Furcht vor Oesterreich, und Angst, seine Länder zu verlieren, den schwachen Georg Wilhelm von Brandenburg in weit schimpflicheren Fesseln. Was man diesen beyden Fürsten zum Vorwurf machte, hätte dem Churfürsten von der Pfalz seinen Ruhm und seine Länder gerettet. Rasches Vertrauen auf ungeprüfte Kräfte, der Einfluß Französischer Rathschläge, und der verführerische Glanz einer Krone hatten diesen unglücklichen Fürsten zu einem Wagestück hingerissen, dem weder sein Genie noch seine politische Verfassung gewachsen war. Durch Zertheilung seiner Lande und die schlechte Harmonie seiner Beherrscher wurde die Macht des Pfälzischen Hauses geschwächt, welche, in einer einzigen Hand versammelt, den Ausschlag des Kriegs noch lange Zeit hätte zweifelhaft machen können.

Eben diese Zerstückelung der Lande entkräftete auch das Fürstenhaus Hessen, und die Verschiedenheit der Religion unterhielt zwischen Darmstadt und Kassel eine verderbliche Trennung. Die Linie Darmstadt, der Augsburgischen Konfession zugethan, hatte sich unter die Flügel des Kaisers geflüchtet, der sie auf Unkosten der reformirten Linie Kassel begünstigte.

erklärtesten Feinde: so war es die Schuld dieser Fürsten, welche sich Johann Georgs weise Politik nicht zum Muster nahmen. Wenn, dieser weisen Politik ungeachtet, der Sächsische Landmann, wie jeder andre, über die Gräuel der kaiserlichen Durchzüge seufzte; wenn ganz Deutschland Zeuge war, wie Ferdinand seinen Bundsgenossen täuschte, und seiner Versprechungen spottete – wenn Johann Georg dieses endlich selbst zu bemerken glaubte – desto mehr Schande für den Kaiser, der ein so redliches Vertrauen so grausam hinterging!

Wenn übertriebenes Vertrauen auf Oesterreich, und Hoffnung, seine Länder zu vermehren, dem Churfürsten von Sachsen die Hände banden, so hielten Furcht vor Oesterreich, und Angst, seine Länder zu verlieren, den schwachen Georg Wilhelm von Brandenburg in weit schimpflicheren Fesseln. Was man diesen beyden Fürsten zum Vorwurf machte, hätte dem Churfürsten von der Pfalz seinen Ruhm und seine Länder gerettet. Rasches Vertrauen auf ungeprüfte Kräfte, der Einfluß Französischer Rathschläge, und der verführerische Glanz einer Krone hatten diesen unglücklichen Fürsten zu einem Wagestück hingerissen, dem weder sein Genie noch seine politische Verfassung gewachsen war. Durch Zertheilung seiner Lande und die schlechte Harmonie seiner Beherrscher wurde die Macht des Pfälzischen Hauses geschwächt, welche, in einer einzigen Hand versammelt, den Ausschlag des Kriegs noch lange Zeit hätte zweifelhaft machen können.

Eben diese Zerstückelung der Lande entkräftete auch das Fürstenhaus Hessen, und die Verschiedenheit der Religion unterhielt zwischen Darmstadt und Kassel eine verderbliche Trennung. Die Linie Darmstadt, der Augsburgischen Konfession zugethan, hatte sich unter die Flügel des Kaisers geflüchtet, der sie auf Unkosten der reformirten Linie Kassel begünstigte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="107"/>
erklärtesten <hi rendition="#fr">Feinde</hi>:           so war es die Schuld <hi rendition="#fr">dieser</hi> Fürsten, welche sich Johann Georgs           weise Politik nicht zum Muster nahmen. Wenn, dieser weisen Politik ungeachtet, der           Sächsische Landmann, wie jeder andre, über die Gräuel der kaiserlichen Durchzüge seufzte;           wenn ganz Deutschland Zeuge war, wie Ferdinand seinen Bundsgenossen täuschte, und seiner           Versprechungen spottete &#x2013; wenn Johann Georg dieses endlich selbst zu bemerken glaubte &#x2013;           desto mehr Schande für den Kaiser, der ein so redliches Vertrauen so grausam           hinterging!</p>
        <p>Wenn übertriebenes Vertrauen auf Oesterreich, und Hoffnung, seine Länder zu vermehren,           dem Churfürsten von Sachsen die Hände banden, so hielten Furcht vor Oesterreich, und           Angst, seine Länder zu verlieren, den schwachen Georg Wilhelm von Brandenburg in weit           schimpflicheren Fesseln. Was man diesen beyden Fürsten zum Vorwurf machte, hätte dem           Churfürsten von der Pfalz seinen Ruhm und seine Länder gerettet. Rasches Vertrauen auf           ungeprüfte Kräfte, der Einfluß Französischer Rathschläge, und der verführerische Glanz           einer Krone hatten diesen unglücklichen Fürsten zu einem Wagestück hingerissen, dem weder           sein Genie noch seine politische Verfassung gewachsen war. Durch Zertheilung seiner Lande           und die schlechte Harmonie seiner Beherrscher wurde die Macht des Pfälzischen Hauses           geschwächt, welche, in einer einzigen Hand versammelt, den Ausschlag des Kriegs noch lange           Zeit hätte zweifelhaft machen können.</p>
        <p>Eben diese Zerstückelung der Lande entkräftete auch das Fürstenhaus Hessen, und die           Verschiedenheit der Religion unterhielt zwischen Darmstadt und Kassel eine verderbliche           Trennung. Die Linie Darmstadt, der Augsburgischen Konfession zugethan, hatte sich unter           die Flügel des Kaisers geflüchtet, der sie auf Unkosten der reformirten Linie Kassel           begünstigte.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0115] erklärtesten Feinde: so war es die Schuld dieser Fürsten, welche sich Johann Georgs weise Politik nicht zum Muster nahmen. Wenn, dieser weisen Politik ungeachtet, der Sächsische Landmann, wie jeder andre, über die Gräuel der kaiserlichen Durchzüge seufzte; wenn ganz Deutschland Zeuge war, wie Ferdinand seinen Bundsgenossen täuschte, und seiner Versprechungen spottete – wenn Johann Georg dieses endlich selbst zu bemerken glaubte – desto mehr Schande für den Kaiser, der ein so redliches Vertrauen so grausam hinterging! Wenn übertriebenes Vertrauen auf Oesterreich, und Hoffnung, seine Länder zu vermehren, dem Churfürsten von Sachsen die Hände banden, so hielten Furcht vor Oesterreich, und Angst, seine Länder zu verlieren, den schwachen Georg Wilhelm von Brandenburg in weit schimpflicheren Fesseln. Was man diesen beyden Fürsten zum Vorwurf machte, hätte dem Churfürsten von der Pfalz seinen Ruhm und seine Länder gerettet. Rasches Vertrauen auf ungeprüfte Kräfte, der Einfluß Französischer Rathschläge, und der verführerische Glanz einer Krone hatten diesen unglücklichen Fürsten zu einem Wagestück hingerissen, dem weder sein Genie noch seine politische Verfassung gewachsen war. Durch Zertheilung seiner Lande und die schlechte Harmonie seiner Beherrscher wurde die Macht des Pfälzischen Hauses geschwächt, welche, in einer einzigen Hand versammelt, den Ausschlag des Kriegs noch lange Zeit hätte zweifelhaft machen können. Eben diese Zerstückelung der Lande entkräftete auch das Fürstenhaus Hessen, und die Verschiedenheit der Religion unterhielt zwischen Darmstadt und Kassel eine verderbliche Trennung. Die Linie Darmstadt, der Augsburgischen Konfession zugethan, hatte sich unter die Flügel des Kaisers geflüchtet, der sie auf Unkosten der reformirten Linie Kassel begünstigte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/115
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/115>, abgerufen am 30.04.2024.