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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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zugleich gegen politische Unterdrückung einen bleibenden Damm aufthürmte. Die Reformation war es großentheils, was die nordischen Mächte, Dänemark und Schweden, zuerst in das Staatssystem von Europa zog, weil sich der protestantische Staatenbund durch ihren Beytritt verstärkte, und weil dieser Bund ihnen selbst unentbehrlich ward. Staaten, die vorher kaum für einander vorhanden gewesen, fingen an, durch die Reformation einen wichtigen Berührungspunkt zu erhalten, und sich in einer neuen politischen Sympathie an einander zu schließen. So wie Bürger gegen Bürger, Herrscher gegen ihre Unterthanen, durch die Reformation in andre Verhältnisse kamen, rückten durch sie auch ganze Staaten in neue Stellungen gegen einander. Und so mußte es durch einen seltsamen Gang der Dinge die Kirchentrennung seyn, was die Staaten unter sich zu einer engern Vereinigung führte. Schrecklich zwar und verderblich war die erste Wirkung, durch welche diese allgemeine politische Sympathie sich verkündigte - ein dreyßigjähriger verheerender Krieg, der von dem Innern des Böhmerlandes bis an die Mündung der Schelde, von den Ufern des Po bis an die Küsten der Ostsee Länder entvölkerte, Aernten zertrat, Städte und Dörfer in die Asche legte; ein Krieg, in welchem mehr als dreymal hundert tausend Streiter ihren Untergang fanden, der den aufglimmenden Funken der Kultur in Deutschland auf ein halbes Jahrhundert verlöschte, und die kaum auflebenden bessern Sitten der alten barbarischen Wildheit zurück gab. Aber Europa gieng ununterdrückt und frey aus diesem fürchterlichen Krieg, in welchem es sich zum erstenmal als eine zusammenhängende Staatengesellschaft erkannt hatte; und diese Theilnehmung der Staaten an einander, welche sich in diesem Krieg eigentlich erst bildete, wäre allein schon Gewinn genug, den Weltbürger mit seinen Schrecken zu versöhnen. Die Hand des Fleißes hat unvermerkt alle verderbliche Spuren dieses Kriegs

zugleich gegen politische Unterdrückung einen bleibenden Damm aufthürmte. Die Reformation war es großentheils, was die nordischen Mächte, Dänemark und Schweden, zuerst in das Staatssystem von Europa zog, weil sich der protestantische Staatenbund durch ihren Beytritt verstärkte, und weil dieser Bund ihnen selbst unentbehrlich ward. Staaten, die vorher kaum für einander vorhanden gewesen, fingen an, durch die Reformation einen wichtigen Berührungspunkt zu erhalten, und sich in einer neuen politischen Sympathie an einander zu schließen. So wie Bürger gegen Bürger, Herrscher gegen ihre Unterthanen, durch die Reformation in andre Verhältnisse kamen, rückten durch sie auch ganze Staaten in neue Stellungen gegen einander. Und so mußte es durch einen seltsamen Gang der Dinge die Kirchentrennung seyn, was die Staaten unter sich zu einer engern Vereinigung führte. Schrecklich zwar und verderblich war die erste Wirkung, durch welche diese allgemeine politische Sympathie sich verkündigte – ein dreyßigjähriger verheerender Krieg, der von dem Innern des Böhmerlandes bis an die Mündung der Schelde, von den Ufern des Po bis an die Küsten der Ostsee Länder entvölkerte, Aernten zertrat, Städte und Dörfer in die Asche legte; ein Krieg, in welchem mehr als dreymal hundert tausend Streiter ihren Untergang fanden, der den aufglimmenden Funken der Kultur in Deutschland auf ein halbes Jahrhundert verlöschte, und die kaum auflebenden bessern Sitten der alten barbarischen Wildheit zurück gab. Aber Europa gieng ununterdrückt und frey aus diesem fürchterlichen Krieg, in welchem es sich zum erstenmal als eine zusammenhängende Staatengesellschaft erkannt hatte; und diese Theilnehmung der Staaten an einander, welche sich in diesem Krieg eigentlich erst bildete, wäre allein schon Gewinn genug, den Weltbürger mit seinen Schrecken zu versöhnen. Die Hand des Fleißes hat unvermerkt alle verderbliche Spuren dieses Kriegs

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[2/0010] zugleich gegen politische Unterdrückung einen bleibenden Damm aufthürmte. Die Reformation war es großentheils, was die nordischen Mächte, Dänemark und Schweden, zuerst in das Staatssystem von Europa zog, weil sich der protestantische Staatenbund durch ihren Beytritt verstärkte, und weil dieser Bund ihnen selbst unentbehrlich ward. Staaten, die vorher kaum für einander vorhanden gewesen, fingen an, durch die Reformation einen wichtigen Berührungspunkt zu erhalten, und sich in einer neuen politischen Sympathie an einander zu schließen. So wie Bürger gegen Bürger, Herrscher gegen ihre Unterthanen, durch die Reformation in andre Verhältnisse kamen, rückten durch sie auch ganze Staaten in neue Stellungen gegen einander. Und so mußte es durch einen seltsamen Gang der Dinge die Kirchentrennung seyn, was die Staaten unter sich zu einer engern Vereinigung führte. Schrecklich zwar und verderblich war die erste Wirkung, durch welche diese allgemeine politische Sympathie sich verkündigte – ein dreyßigjähriger verheerender Krieg, der von dem Innern des Böhmerlandes bis an die Mündung der Schelde, von den Ufern des Po bis an die Küsten der Ostsee Länder entvölkerte, Aernten zertrat, Städte und Dörfer in die Asche legte; ein Krieg, in welchem mehr als dreymal hundert tausend Streiter ihren Untergang fanden, der den aufglimmenden Funken der Kultur in Deutschland auf ein halbes Jahrhundert verlöschte, und die kaum auflebenden bessern Sitten der alten barbarischen Wildheit zurück gab. Aber Europa gieng ununterdrückt und frey aus diesem fürchterlichen Krieg, in welchem es sich zum erstenmal als eine zusammenhängende Staatengesellschaft erkannt hatte; und diese Theilnehmung der Staaten an einander, welche sich in diesem Krieg eigentlich erst bildete, wäre allein schon Gewinn genug, den Weltbürger mit seinen Schrecken zu versöhnen. Die Hand des Fleißes hat unvermerkt alle verderbliche Spuren dieses Kriegs

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/10>, abgerufen am 25.04.2024.