Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Kind mishandeln -- Er wird uns mishandeln --
Herr von Walter, und Sie verlassen uns?

Miller. (lacht wütend) Verläßt uns! Frei-
lich! Warum nicht? -- Sie gab ihm ja alles
hin! (mit der einen Hand den Major, mit der andern
Louisen fassend)
Geduld Herr! der Weg aus meinem
Hause geht nur über Diese da -- Erwarte erst dei-
nen Vater, wenn du kein Bube bist -- Erzähl es
ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrüger,
oder bei Gott (ihm seine Tochter zuschleudernd, wild
und heftig)
Du sollst mir zuvor diesen wimmern-
den Wurm zertreten, den Liebe zu Dir so zu Schan-
den richtete.

Ferdinand. (kommt zurük, und geht auf und ab
in tiefen Gedanken)
Zwar die Gewalt des Präsidenten
ist gros -- Vaterrecht ist ein weites Wort -- der
Frevel selbst kann sich in seinen Falten versteken -- er
kann es weit damit treiben -- Weit! -- Doch aufs äuser-
ste treibts nur die Liebe -- Hier Louise! Deine Hand
in die meinige (er faßt diese heftig) So wahr mich
Gott im lezten Hauch nicht verlassen soll! -- Der
Augenblik, der diese zwo Hände trennt, zerreißt auch
den Faden zwischen Mir und der Schöpfung.

Louise. Mir wird bange! Blik weg! Deine
Lippen beben. Dein Auge rollt fürchterlich --

Ferdinand. Nein Louise. Zittre nicht. Es ist
nicht Wahnsinn was aus mir redet. Es ist das
köstliche Geschenk des Himmels, Entschluß in dem
geltenden Augenblik, wo die gepreßte Brust nur durch
etwas
Kind mishandeln — Er wird uns mishandeln —
Herr von Walter, und Sie verlaſſen uns?

Miller. (lacht wuͤtend) Verlaͤßt uns! Frei-
lich! Warum nicht? — Sie gab ihm ja alles
hin! (mit der einen Hand den Major, mit der andern
Louiſen faſſend)
Geduld Herr! der Weg aus meinem
Hauſe geht nur uͤber Dieſe da — Erwarte erſt dei-
nen Vater, wenn du kein Bube biſt — Erzaͤhl es
ihm, wie du dich in ihr Herz ſtahlſt, Betruͤger,
oder bei Gott (ihm ſeine Tochter zuſchleudernd, wild
und heftig)
Du ſollſt mir zuvor dieſen wimmern-
den Wurm zertreten, den Liebe zu Dir ſo zu Schan-
den richtete.

Ferdinand. (kommt zuruͤk, und geht auf und ab
in tiefen Gedanken)
Zwar die Gewalt des Praͤſidenten
iſt gros — Vaterrecht iſt ein weites Wort — der
Frevel ſelbſt kann ſich in ſeinen Falten verſteken — er
kann es weit damit treiben — Weit! — Doch aufs aͤuſer-
ſte treibts nur die Liebe — Hier Louiſe! Deine Hand
in die meinige (er faßt dieſe heftig) So wahr mich
Gott im lezten Hauch nicht verlaſſen ſoll! — Der
Augenblik, der dieſe zwo Haͤnde trennt, zerreißt auch
den Faden zwiſchen Mir und der Schoͤpfung.

Louiſe. Mir wird bange! Blik weg! Deine
Lippen beben. Dein Auge rollt fuͤrchterlich —

Ferdinand. Nein Louiſe. Zittre nicht. Es iſt
nicht Wahnſinn was aus mir redet. Es iſt das
koͤſtliche Geſchenk des Himmels, Entſchluß in dem
geltenden Augenblik, wo die gepreßte Bruſt nur durch
etwas
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FMI">
            <p><pb facs="#f0064" n="60"/>
Kind mishandeln &#x2014; Er wird uns mishandeln &#x2014;<lb/>
Herr von Walter, und Sie verla&#x017F;&#x017F;en uns?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p><stage>(lacht wu&#x0364;tend)</stage> Verla&#x0364;ßt uns! Frei-<lb/>
lich! Warum nicht? &#x2014; Sie gab ihm ja alles<lb/>
hin! <stage>(mit der einen Hand den Major, mit der andern<lb/>
Loui&#x017F;en fa&#x017F;&#x017F;end)</stage> Geduld Herr! der Weg aus meinem<lb/>
Hau&#x017F;e geht nur u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Die&#x017F;e</hi> da &#x2014; Erwarte er&#x017F;t dei-<lb/>
nen Vater, wenn du kein Bube bi&#x017F;t &#x2014; Erza&#x0364;hl es<lb/>
ihm, wie du dich in ihr Herz &#x017F;tahl&#x017F;t, Betru&#x0364;ger,<lb/>
oder bei Gott <stage>(ihm &#x017F;eine Tochter zu&#x017F;chleudernd, wild<lb/>
und heftig)</stage> Du &#x017F;oll&#x017F;t mir zuvor die&#x017F;en wimmern-<lb/>
den Wurm zertreten, den Liebe zu Dir &#x017F;o zu Schan-<lb/>
den richtete.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p><stage>(kommt zuru&#x0364;k, und geht auf und ab<lb/>
in tiefen Gedanken)</stage> Zwar die Gewalt des Pra&#x0364;&#x017F;identen<lb/>
i&#x017F;t gros &#x2014; <hi rendition="#fr">Vaterrecht</hi> i&#x017F;t ein weites Wort &#x2014; der<lb/>
Frevel &#x017F;elb&#x017F;t kann &#x017F;ich in &#x017F;einen Falten ver&#x017F;teken &#x2014; er<lb/>
kann es weit damit treiben &#x2014; Weit! &#x2014; Doch aufs a&#x0364;u&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;te treibts nur die <hi rendition="#fr">Liebe</hi> &#x2014; Hier Loui&#x017F;e! Deine Hand<lb/>
in die meinige <stage>(er faßt die&#x017F;e heftig)</stage> So wahr mich<lb/>
Gott im lezten Hauch nicht verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll! &#x2014; Der<lb/>
Augenblik, der die&#x017F;e zwo Ha&#x0364;nde trennt, zerreißt auch<lb/>
den Faden zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Mir</hi> und der <hi rendition="#fr">Scho&#x0364;pfung.</hi></p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>Mir wird bange! Blik weg! Deine<lb/>
Lippen beben. Dein Auge rollt fu&#x0364;rchterlich &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p>Nein Loui&#x017F;e. Zittre nicht. Es i&#x017F;t<lb/>
nicht Wahn&#x017F;inn was aus mir redet. Es i&#x017F;t das<lb/>
ko&#x0364;&#x017F;tliche Ge&#x017F;chenk des Himmels, <hi rendition="#fr">Ent&#x017F;chluß</hi> in dem<lb/>
geltenden Augenblik, wo die gepreßte Bru&#x017F;t nur durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">etwas</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0064] Kind mishandeln — Er wird uns mishandeln — Herr von Walter, und Sie verlaſſen uns? Miller. (lacht wuͤtend) Verlaͤßt uns! Frei- lich! Warum nicht? — Sie gab ihm ja alles hin! (mit der einen Hand den Major, mit der andern Louiſen faſſend) Geduld Herr! der Weg aus meinem Hauſe geht nur uͤber Dieſe da — Erwarte erſt dei- nen Vater, wenn du kein Bube biſt — Erzaͤhl es ihm, wie du dich in ihr Herz ſtahlſt, Betruͤger, oder bei Gott (ihm ſeine Tochter zuſchleudernd, wild und heftig) Du ſollſt mir zuvor dieſen wimmern- den Wurm zertreten, den Liebe zu Dir ſo zu Schan- den richtete. Ferdinand. (kommt zuruͤk, und geht auf und ab in tiefen Gedanken) Zwar die Gewalt des Praͤſidenten iſt gros — Vaterrecht iſt ein weites Wort — der Frevel ſelbſt kann ſich in ſeinen Falten verſteken — er kann es weit damit treiben — Weit! — Doch aufs aͤuſer- ſte treibts nur die Liebe — Hier Louiſe! Deine Hand in die meinige (er faßt dieſe heftig) So wahr mich Gott im lezten Hauch nicht verlaſſen ſoll! — Der Augenblik, der dieſe zwo Haͤnde trennt, zerreißt auch den Faden zwiſchen Mir und der Schoͤpfung. Louiſe. Mir wird bange! Blik weg! Deine Lippen beben. Dein Auge rollt fuͤrchterlich — Ferdinand. Nein Louiſe. Zittre nicht. Es iſt nicht Wahnſinn was aus mir redet. Es iſt das koͤſtliche Geſchenk des Himmels, Entſchluß in dem geltenden Augenblik, wo die gepreßte Bruſt nur durch etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/64
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/64>, abgerufen am 24.11.2024.