Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bists nicht.
Ich schaue durch deine Seele, wie durch das klare
Wasser dieses Brillanten, (er zeigt auf seinen Ring)
Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merk-
te -- kein Gedanke tritt in dis Angesicht, der mir
entwischte. Was hast du? Geschwind! Weis ich nur
diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke über die
Welt. Was bekümmert dich?

Louise. (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend
an, dann mit Wehmut)
Ferdinand! Ferdinand!
Daß du doch wüßtest, wie schön in dieser Sprache
das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt --

Ferdinand. Was ist das? (befremdet) Mäd-
chen! Höre! Wie kommst du auf das? -- Du bist
meine Louise. Wer sagt dir, daß du noch etwas
seyn soltest. Siehst du Falsche, auf welchem Kalt-
sinn ich dir begegnen muß. Wärest du ganz nur Lie-
be für mich, wann hättest du Zeit gehabt eine Ver-
gleichung zu machen. Wenn ich bei dir bin, zer-
schmilzt meine Vernunft in einen Blik -- in einen
Traum von dir, wenn ich weg bin, und Du hast
noch eine Klugheit neben deiner Liebe? -- Schäme
dich! Jeder Augenblik, den du an diesen Kummer
verlorst, war deinem Jüngling gestolen.

Louise. (faßt seine Hand indem sie den Kopf schüt-
telt)
Du wilst mich einschläfern Ferdinand -- wilst
meine Augen von diesem Abgrund hinwegloken, in
den ich ganz gewiß stürzen muß. Ich seh in die Zu-
kunft -- die Stimme des Ruhms -- deine Entwürfe --
dein
Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du biſts nicht.
Ich ſchaue durch deine Seele, wie durch das klare
Waſſer dieſes Brillanten, (er zeigt auf ſeinen Ring)
Hier wirft ſich kein Blaͤschen auf, das ich nicht merk-
te — kein Gedanke tritt in dis Angeſicht, der mir
entwiſchte. Was haſt du? Geſchwind! Weis ich nur
dieſen Spiegel helle, ſo laͤuft keine Wolke uͤber die
Welt. Was bekuͤmmert dich?

Louiſe. (ſieht ihn eine Weile ſtumm und bedeutend
an, dann mit Wehmut)
Ferdinand! Ferdinand!
Daß du doch wuͤßteſt, wie ſchoͤn in dieſer Sprache
das buͤrgerliche Maͤdchen ſich ausnimmt —

Ferdinand. Was iſt das? (befremdet) Maͤd-
chen! Hoͤre! Wie kommſt du auf das? — Du biſt
meine Louiſe. Wer ſagt dir, daß du noch etwas
ſeyn ſolteſt. Siehſt du Falſche, auf welchem Kalt-
ſinn ich dir begegnen muß. Waͤreſt du ganz nur Lie-
be fuͤr mich, wann haͤtteſt du Zeit gehabt eine Ver-
gleichung zu machen. Wenn ich bei dir bin, zer-
ſchmilzt meine Vernunft in einen Blik — in einen
Traum von dir, wenn ich weg bin, und Du haſt
noch eine Klugheit neben deiner Liebe? — Schaͤme
dich! Jeder Augenblik, den du an dieſen Kummer
verlorſt, war deinem Juͤngling geſtolen.

Louiſe. (faßt ſeine Hand indem ſie den Kopf ſchuͤt-
telt)
Du wilſt mich einſchlaͤfern Ferdinand — wilſt
meine Augen von dieſem Abgrund hinwegloken, in
den ich ganz gewiß ſtuͤrzen muß. Ich ſeh in die Zu-
kunft — die Stimme des Ruhms — deine Entwuͤrfe —
dein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0020" n="16"/>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p>Rede mir Wahrheit. Du bi&#x017F;ts nicht.<lb/>
Ich &#x017F;chaue durch deine Seele, wie durch das klare<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;es Brillanten, <stage>(er zeigt auf &#x017F;einen Ring)</stage><lb/>
Hier wirft &#x017F;ich kein Bla&#x0364;schen auf, das ich nicht merk-<lb/>
te &#x2014; kein Gedanke tritt in dis Ange&#x017F;icht, der mir<lb/>
entwi&#x017F;chte. Was ha&#x017F;t du? Ge&#x017F;chwind! Weis ich nur<lb/>
die&#x017F;en Spiegel helle, &#x017F;o la&#x0364;uft keine Wolke u&#x0364;ber die<lb/>
Welt. Was beku&#x0364;mmert dich?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;ieht ihn eine Weile &#x017F;tumm und bedeutend<lb/>
an, dann mit Wehmut)</stage> Ferdinand! Ferdinand!<lb/>
Daß du doch wu&#x0364;ßte&#x017F;t, wie &#x017F;cho&#x0364;n in die&#x017F;er Sprache<lb/>
das bu&#x0364;rgerliche Ma&#x0364;dchen &#x017F;ich ausnimmt &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p>Was i&#x017F;t das? <stage>(befremdet)</stage> Ma&#x0364;d-<lb/>
chen! Ho&#x0364;re! Wie komm&#x017F;t du auf das? &#x2014; Du bi&#x017F;t<lb/>
meine Loui&#x017F;e. Wer &#x017F;agt dir, daß du noch etwas<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte&#x017F;t. Sieh&#x017F;t du Fal&#x017F;che, auf welchem Kalt-<lb/>
&#x017F;inn ich dir begegnen muß. Wa&#x0364;re&#x017F;t du ganz nur Lie-<lb/>
be fu&#x0364;r mich, wann ha&#x0364;tte&#x017F;t du Zeit gehabt eine Ver-<lb/>
gleichung zu machen. Wenn ich bei dir bin, zer-<lb/>
&#x017F;chmilzt meine Vernunft in einen Blik &#x2014; in einen<lb/>
Traum von dir, wenn ich weg bin, und Du ha&#x017F;t<lb/>
noch eine Klugheit neben deiner Liebe? &#x2014; Scha&#x0364;me<lb/>
dich! Jeder Augenblik, den du an die&#x017F;en Kummer<lb/>
verlor&#x017F;t, war deinem Ju&#x0364;ngling ge&#x017F;tolen.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(faßt &#x017F;eine Hand indem &#x017F;ie den Kopf &#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
telt)</stage> Du wil&#x017F;t mich ein&#x017F;chla&#x0364;fern Ferdinand &#x2014; wil&#x017F;t<lb/>
meine Augen von die&#x017F;em Abgrund hinwegloken, in<lb/>
den ich ganz gewiß &#x017F;tu&#x0364;rzen muß. Ich &#x017F;eh in die Zu-<lb/>
kunft &#x2014; die Stimme des Ruhms &#x2014; deine Entwu&#x0364;rfe &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dein</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0020] Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du biſts nicht. Ich ſchaue durch deine Seele, wie durch das klare Waſſer dieſes Brillanten, (er zeigt auf ſeinen Ring) Hier wirft ſich kein Blaͤschen auf, das ich nicht merk- te — kein Gedanke tritt in dis Angeſicht, der mir entwiſchte. Was haſt du? Geſchwind! Weis ich nur dieſen Spiegel helle, ſo laͤuft keine Wolke uͤber die Welt. Was bekuͤmmert dich? Louiſe. (ſieht ihn eine Weile ſtumm und bedeutend an, dann mit Wehmut) Ferdinand! Ferdinand! Daß du doch wuͤßteſt, wie ſchoͤn in dieſer Sprache das buͤrgerliche Maͤdchen ſich ausnimmt — Ferdinand. Was iſt das? (befremdet) Maͤd- chen! Hoͤre! Wie kommſt du auf das? — Du biſt meine Louiſe. Wer ſagt dir, daß du noch etwas ſeyn ſolteſt. Siehſt du Falſche, auf welchem Kalt- ſinn ich dir begegnen muß. Waͤreſt du ganz nur Lie- be fuͤr mich, wann haͤtteſt du Zeit gehabt eine Ver- gleichung zu machen. Wenn ich bei dir bin, zer- ſchmilzt meine Vernunft in einen Blik — in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und Du haſt noch eine Klugheit neben deiner Liebe? — Schaͤme dich! Jeder Augenblik, den du an dieſen Kummer verlorſt, war deinem Juͤngling geſtolen. Louiſe. (faßt ſeine Hand indem ſie den Kopf ſchuͤt- telt) Du wilſt mich einſchlaͤfern Ferdinand — wilſt meine Augen von dieſem Abgrund hinwegloken, in den ich ganz gewiß ſtuͤrzen muß. Ich ſeh in die Zu- kunft — die Stimme des Ruhms — deine Entwuͤrfe — dein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/20
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/20>, abgerufen am 23.11.2024.