Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Louise. (küßt seine Hand mit der heftigsten Rüh-
rung)
Nein mein Vater. Ich gehe als Seine große
Schuldnerin aus der Welt, und werde in der Ewig-
keit mit Wucher bezalen.

Miller. Gib acht, ob du dich da nicht ver-
rechnest, mein Kind? (sehr ernst und feierlich) Wer-
den wir uns dort wol noch finden? -- -- Sieh!
Wie du blaß wirst! -- Meine Louise begreift es
von selbst, daß ich sie in jener Welt nicht wol mehr
einholen kann, weil ich nicht so früh dahin eile,
wie sie (Louise stürzt ihm in den Arm, von Schauern
ergriffen -- Er drükt sie mit Feuer an seine Brust und
fährt fort mit beschwörender Stimme)
o Tochter! Toch-
ter! Gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter!
Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich kann
nicht über dich wachen. Ich kann dir die Messer neh-
men, du kannst dich mit einer Striknadel tödten.
Für Gift kann ich dich bewahren, du kannst dich
mit einer Schnur Perlen erwürgen. -- Louise --
Louise -- nur warnen kann ich dich noch -- Wilst
du es darauf ankommen lassen, daß dein treuloses
Gaukelbild auf der schröklichen Brüke zwischen Zeit
und Ewigkeit von dir weiche? Wilst du dich vor
des Allwissenden Tron mit der Lüge wägen: Dei-
netwegen
, Schöpfer, bin ich da! wenn deine straf-
bare Augen ihre sterbliche Puppe suchen? -- Und
wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns,
jezt Wurm wie du, zu den Füßen deines Rich-
ters sich windet, deine gottlose Zuversicht in die-
sem
Louiſe. (kuͤßt ſeine Hand mit der heftigſten Ruͤh-
rung)
Nein mein Vater. Ich gehe als Seine große
Schuldnerin aus der Welt, und werde in der Ewig-
keit mit Wucher bezalen.

Miller. Gib acht, ob du dich da nicht ver-
rechneſt, mein Kind? (ſehr ernſt und feierlich) Wer-
den wir uns dort wol noch finden? — — Sieh!
Wie du blaß wirſt! — Meine Louiſe begreift es
von ſelbſt, daß ich ſie in jener Welt nicht wol mehr
einholen kann, weil ich nicht ſo fruͤh dahin eile,
wie ſie (Louiſe ſtuͤrzt ihm in den Arm, von Schauern
ergriffen — Er druͤkt ſie mit Feuer an ſeine Bruſt und
faͤhrt fort mit beſchwoͤrender Stimme)
o Tochter! Toch-
ter! Gefallene, vielleicht ſchon verlorene Tochter!
Beherzige das ernſthafte Vaterwort! Ich kann
nicht uͤber dich wachen. Ich kann dir die Meſſer neh-
men, du kannſt dich mit einer Striknadel toͤdten.
Fuͤr Gift kann ich dich bewahren, du kannſt dich
mit einer Schnur Perlen erwuͤrgen. — Louiſe —
Louiſe — nur warnen kann ich dich noch — Wilſt
du es darauf ankommen laſſen, daß dein treuloſes
Gaukelbild auf der ſchroͤklichen Bruͤke zwiſchen Zeit
und Ewigkeit von dir weiche? Wilſt du dich vor
des Allwiſſenden Tron mit der Luͤge waͤgen: Dei-
netwegen
, Schoͤpfer, bin ich da! wenn deine ſtraf-
bare Augen ihre ſterbliche Puppe ſuchen? — Und
wenn dieſer zerbrechliche Gott deines Gehirns,
jezt Wurm wie du, zu den Fuͤßen deines Rich-
ters ſich windet, deine gottloſe Zuverſicht in die-
ſem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0138" n="134"/>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(ku&#x0364;ßt &#x017F;eine Hand mit der heftig&#x017F;ten Ru&#x0364;h-<lb/>
rung)</stage> Nein mein Vater. Ich gehe als Seine große<lb/>
Schuldnerin aus der Welt, und werde in der Ewig-<lb/>
keit mit Wucher bezalen.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MIL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker>
            <p>Gib acht, ob du dich da nicht ver-<lb/>
rechne&#x017F;t, mein Kind? <stage>(&#x017F;ehr ern&#x017F;t und feierlich)</stage> Wer-<lb/>
den wir uns dort wol noch finden? &#x2014; &#x2014; Sieh!<lb/>
Wie du blaß wir&#x017F;t! &#x2014; Meine Loui&#x017F;e begreift es<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t, daß ich &#x017F;ie in jener Welt nicht wol mehr<lb/>
einholen kann, weil ich nicht &#x017F;o <hi rendition="#fr">fru&#x0364;h</hi> dahin eile,<lb/>
wie &#x017F;ie <stage>(Loui&#x017F;e &#x017F;tu&#x0364;rzt ihm in den Arm, von Schauern<lb/>
ergriffen &#x2014; Er dru&#x0364;kt &#x017F;ie mit Feuer an &#x017F;eine Bru&#x017F;t und<lb/>
fa&#x0364;hrt fort mit be&#x017F;chwo&#x0364;render Stimme)</stage> o Tochter! Toch-<lb/>
ter! Gefallene, vielleicht &#x017F;chon verlorene Tochter!<lb/>
Beherzige das ern&#x017F;thafte Vaterwort! Ich kann<lb/>
nicht u&#x0364;ber dich wachen. Ich kann dir die Me&#x017F;&#x017F;er neh-<lb/>
men, du kann&#x017F;t dich mit einer Striknadel to&#x0364;dten.<lb/>
Fu&#x0364;r Gift kann ich dich bewahren, du kann&#x017F;t dich<lb/>
mit einer Schnur Perlen erwu&#x0364;rgen. &#x2014; Loui&#x017F;e &#x2014;<lb/>
Loui&#x017F;e &#x2014; nur <hi rendition="#fr">warnen</hi> kann ich dich noch &#x2014; Wil&#x017F;t<lb/>
du es darauf ankommen la&#x017F;&#x017F;en, daß dein treulo&#x017F;es<lb/>
Gaukelbild auf der &#x017F;chro&#x0364;klichen Bru&#x0364;ke zwi&#x017F;chen Zeit<lb/>
und Ewigkeit von dir weiche? Wil&#x017F;t du dich vor<lb/>
des Allwi&#x017F;&#x017F;enden Tron mit der Lu&#x0364;ge wa&#x0364;gen: <hi rendition="#fr">Dei-<lb/>
netwegen</hi>, Scho&#x0364;pfer, bin ich da! wenn deine &#x017F;traf-<lb/>
bare Augen ihre &#x017F;terbliche Puppe &#x017F;uchen? &#x2014; Und<lb/>
wenn die&#x017F;er zerbrechliche Gott deines Gehirns,<lb/>
jezt Wurm wie du, zu den Fu&#x0364;ßen deines Rich-<lb/>
ters &#x017F;ich windet, deine gottlo&#x017F;e Zuver&#x017F;icht in die-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;em</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0138] Louiſe. (kuͤßt ſeine Hand mit der heftigſten Ruͤh- rung) Nein mein Vater. Ich gehe als Seine große Schuldnerin aus der Welt, und werde in der Ewig- keit mit Wucher bezalen. Miller. Gib acht, ob du dich da nicht ver- rechneſt, mein Kind? (ſehr ernſt und feierlich) Wer- den wir uns dort wol noch finden? — — Sieh! Wie du blaß wirſt! — Meine Louiſe begreift es von ſelbſt, daß ich ſie in jener Welt nicht wol mehr einholen kann, weil ich nicht ſo fruͤh dahin eile, wie ſie (Louiſe ſtuͤrzt ihm in den Arm, von Schauern ergriffen — Er druͤkt ſie mit Feuer an ſeine Bruſt und faͤhrt fort mit beſchwoͤrender Stimme) o Tochter! Toch- ter! Gefallene, vielleicht ſchon verlorene Tochter! Beherzige das ernſthafte Vaterwort! Ich kann nicht uͤber dich wachen. Ich kann dir die Meſſer neh- men, du kannſt dich mit einer Striknadel toͤdten. Fuͤr Gift kann ich dich bewahren, du kannſt dich mit einer Schnur Perlen erwuͤrgen. — Louiſe — Louiſe — nur warnen kann ich dich noch — Wilſt du es darauf ankommen laſſen, daß dein treuloſes Gaukelbild auf der ſchroͤklichen Bruͤke zwiſchen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Wilſt du dich vor des Allwiſſenden Tron mit der Luͤge waͤgen: Dei- netwegen, Schoͤpfer, bin ich da! wenn deine ſtraf- bare Augen ihre ſterbliche Puppe ſuchen? — Und wenn dieſer zerbrechliche Gott deines Gehirns, jezt Wurm wie du, zu den Fuͤßen deines Rich- ters ſich windet, deine gottloſe Zuverſicht in die- ſem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/138
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/138>, abgerufen am 24.11.2024.