Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.lerin Großmuth aus ihrem lezten Todeskampfe mir (mit majestätischen Schritten auf und nieder) Verkrieche dich jezt weiches leidendes Weib -- (nach einer Pause, lebhaft) Es ist geschehen!-- Gehoben das furchtbare Hinderniß -- Zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wütende Liebe! -- -- In deine Arme werf ich mich, Tugend! -- Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie! -- Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht! so geho- ben mich fühle! -- Groß, wie eine fallende Son- ne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit herun- tersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und
lerin Großmuth aus ihrem lezten Todeskampfe mir (mit majeſtaͤtiſchen Schritten auf und nieder) Verkrieche dich jezt weiches leidendes Weib — (nach einer Pauſe, lebhaft) Es iſt geſchehen!— Gehoben das furchtbare Hinderniß — Zerbrochen alle Bande zwiſchen mir und dem Herzog, geriſſen aus meinem Buſen dieſe wuͤtende Liebe! — — In deine Arme werf ich mich, Tugend! — Nimm ſie auf, deine reuige Tochter Emilie! — Ha! wie mir ſo wohl iſt! Wie ich auf einmal ſo leicht! ſo geho- ben mich fuͤhle! — Groß, wie eine fallende Son- ne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit herun- terſinken, meine Herrlichkeit ſterbe mit meiner Liebe, und
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lerin Großmuth aus ihrem lezten Todeskampfe mir
zuwerfen wird? — Nehmen Sie ihn hin,
und das ſpricht ſie mit einem Tone, begleitet ſie
mit einem Blike — — Ha! Emilie! Biſt du dar-
um uͤber die Graͤnzen deines Geſchlechts weggeſchrit-
ten? Mußteſt du darum um den praͤchtigen Namen
des großen brittiſchen Weibes buhlen, daß das pra-
lende Gebaͤude deiner Ehre neben der hoͤheren Tu-
gend einer verwahrloſten Buͤrgerdirne verſinken ſoll?
— Nein ſtolze Ungluͤkliche! Nein! — Beſchaͤmen
laͤßt ſich Emilie Milford — doch beſchimpfen nie!
Auch ich habe Kraft, zu entſagen.
(mit majeſtaͤtiſchen Schritten auf und nieder)
Verkrieche dich jezt weiches leidendes Weib —
Fahret hin ſuͤße goldene Bilder der Liebe — Groß-
muth allein ſei jezt meine Fuͤhrerin! — — Dieſes
liebende Paar iſt verloren, oder Milford muß ihren
Anſpruch vertilgen, und im Herzen des Fuͤrſten er-
loͤſchen! (nach einer Pauſe, lebhaft) Es iſt geſchehen!
— Gehoben das furchtbare Hinderniß — Zerbrochen
alle Bande zwiſchen mir und dem Herzog, geriſſen
aus meinem Buſen dieſe wuͤtende Liebe! — — In
deine Arme werf ich mich, Tugend! — Nimm ſie
auf, deine reuige Tochter Emilie! — Ha! wie mir
ſo wohl iſt! Wie ich auf einmal ſo leicht! ſo geho-
ben mich fuͤhle! — Groß, wie eine fallende Son-
ne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit herun-
terſinken, meine Herrlichkeit ſterbe mit meiner Liebe,
und
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/126>, abgerufen am 05.07.2024. |