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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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zugleich, den Wahren und ihren Bewunderer --
Die gefällige Geschmeidigkeit des leztern macht die
rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der
eine rügt eine häßliche Blatternarbe. Weit gefehlt,
sagt der andere, es ist ein Grübchen der Grazien.
Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch die-
ser
gesagt hat, hüpft von einem zum andern, bis
ihr zulezt die Aussagen beider verwechselt -- Warum
begaft sie mich so?

Louise. Verzeihen Sie gnädige Frau -- Ich
war so eben im Begriff, diesen prächtig blitzenden
Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muß, daß
seine Besizerin so scharf wider Eitelkeit eifert.

Lady. (erröthend) Keinen Seitensprung, Lose!
-- Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind,
was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand
zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren
und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich
ihrer bürgerlichen Vorurtheile entledigen kann?

Louise. Auch meiner bürgerlichen Unschuld,
Milady?

Lady. Läppischer Einwurf! Der ausgelassenste
Bube ist zu verzagt, uns etwas beschimpfendes zuzu-
muthen, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd ent-
gegen gehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie
sich Ehre und Würde, und ich sage ihrer Jugend
für alle Versuchung gut.

Louise. Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich
mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Palläste
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zugleich, den Wahren und ihren Bewunderer —
Die gefaͤllige Geſchmeidigkeit des leztern macht die
rauhe Offenherzigkeit des erſtern wieder gut. Der
eine ruͤgt eine haͤßliche Blatternarbe. Weit gefehlt,
ſagt der andere, es iſt ein Gruͤbchen der Grazien.
Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch die-
ſer
geſagt hat, huͤpft von einem zum andern, bis
ihr zulezt die Auſſagen beider verwechſelt — Warum
begaft ſie mich ſo?

Louiſe. Verzeihen Sie gnaͤdige Frau — Ich
war ſo eben im Begriff, dieſen praͤchtig blitzenden
Rubin zu beweinen, der es nicht wiſſen muß, daß
ſeine Beſizerin ſo ſcharf wider Eitelkeit eifert.

Lady. (erroͤthend) Keinen Seitenſprung, Loſe!
— Wenn es nicht die Promeſſen Ihrer Geſtalt ſind,
was in der Welt koͤnnte Sie abhalten, einen Stand
zu erwaͤhlen, der der einzige iſt, wo Sie Manieren
und Welt lernen kann, der einzige iſt, wo Sie ſich
ihrer buͤrgerlichen Vorurtheile entledigen kann?

Louiſe. Auch meiner buͤrgerlichen Unſchuld,
Milady?

Lady. Laͤppiſcher Einwurf! Der ausgelaſſenſte
Bube iſt zu verzagt, uns etwas beſchimpfendes zuzu-
muthen, wenn wir ihm nicht ſelbſt ermunternd ent-
gegen gehn. Zeige Sie, wer Sie iſt. Gebe Sie
ſich Ehre und Wuͤrde, und ich ſage ihrer Jugend
fuͤr alle Verſuchung gut.

Louiſe. Erlauben Sie, gnaͤdige Frau, daß ich
mich unterſtehe, daran zu zweifeln. Die Pallaͤſte
ge-
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[115/0119] zugleich, den Wahren und ihren Bewunderer — Die gefaͤllige Geſchmeidigkeit des leztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erſtern wieder gut. Der eine ruͤgt eine haͤßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, ſagt der andere, es iſt ein Gruͤbchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch die- ſer geſagt hat, huͤpft von einem zum andern, bis ihr zulezt die Auſſagen beider verwechſelt — Warum begaft ſie mich ſo? Louiſe. Verzeihen Sie gnaͤdige Frau — Ich war ſo eben im Begriff, dieſen praͤchtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wiſſen muß, daß ſeine Beſizerin ſo ſcharf wider Eitelkeit eifert. Lady. (erroͤthend) Keinen Seitenſprung, Loſe! — Wenn es nicht die Promeſſen Ihrer Geſtalt ſind, was in der Welt koͤnnte Sie abhalten, einen Stand zu erwaͤhlen, der der einzige iſt, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige iſt, wo Sie ſich ihrer buͤrgerlichen Vorurtheile entledigen kann? Louiſe. Auch meiner buͤrgerlichen Unſchuld, Milady? Lady. Laͤppiſcher Einwurf! Der ausgelaſſenſte Bube iſt zu verzagt, uns etwas beſchimpfendes zuzu- muthen, wenn wir ihm nicht ſelbſt ermunternd ent- gegen gehn. Zeige Sie, wer Sie iſt. Gebe Sie ſich Ehre und Wuͤrde, und ich ſage ihrer Jugend fuͤr alle Verſuchung gut. Louiſe. Erlauben Sie, gnaͤdige Frau, daß ich mich unterſtehe, daran zu zweifeln. Die Pallaͤſte ge- H 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/119>, abgerufen am 25.11.2024.