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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Das Geld kam übrigens in sehr bedürftige
Hände. Einige Excellenza, die, wie die böse
Welt ihnen nachsagt, ihr frugales Mittagsmahl
in der Senatormütze selbst von dem Markte nach
Hause tragen, traten als Bettler in unser Haus,
und verließen es als wohlhabende Leute. Civitella
zeigte sie mir. Sehen Sie, sagte er, wie vielen
armen Teufeln es zu gute kommt, daß es einem
gescheuten Kopf einfällt, nicht bey sich selbst zu seyn!
Aber das gefällt mir. Das ist fürstlich und kö¬
niglich! Ein großer Mensch muß auch in seinen
Verirrungen noch Glückliche machen, und wie ein
übertretender Strom die benachbarten Felder
befeuchten."

Civitella denkt brav und edel -- aber der
Prinz ist ihm 24000 Zechinen schuldig!

Der so sehnlich erwartete Sonnabend erschien
endlich, und mein Herr ließ sich nicht abhalten,
sich gleich nach Mittag in der *** Kirche einzufin¬
den. Der Platz wurde in eben der Kapelle genom¬
men, wo er seine Unbekannte das erstemal gesehen
hatte, doch so, daß er ihr nicht sogleich in die
Augen fallen konnte. Biondello hatte Befehl, an
der Kirchthüre Wache zu stehen und dort mit dem
Begleiter der Dame Bekanntschaft anzuknüpfen.
Ich hatte auf mich genommen, als ein unverdäch¬
tiger Vorübergehender bey der Rückfahrt in der¬
selben Gondel Platz zu nehmen, um die Spur der
Unbekannten weiter zu verfolgen, wenn das übrige
mißlingen sollte. An demselben Orte, wo sie sich

nach

Das Geld kam übrigens in ſehr bedürftige
Hände. Einige Excellenza, die, wie die böſe
Welt ihnen nachſagt, ihr frugales Mittagsmahl
in der Senatormütze ſelbſt von dem Markte nach
Hauſe tragen, traten als Bettler in unſer Haus,
und verließen es als wohlhabende Leute. Civitella
zeigte ſie mir. Sehen Sie, ſagte er, wie vielen
armen Teufeln es zu gute kommt, daß es einem
geſcheuten Kopf einfällt, nicht bey ſich ſelbſt zu ſeyn!
Aber das gefällt mir. Das iſt fürſtlich und kö¬
niglich! Ein großer Menſch muß auch in ſeinen
Verirrungen noch Glückliche machen, und wie ein
übertretender Strom die benachbarten Felder
befeuchten.“

Civitella denkt brav und edel — aber der
Prinz iſt ihm 24000 Zechinen ſchuldig!

Der ſo ſehnlich erwartete Sonnabend erſchien
endlich, und mein Herr ließ ſich nicht abhalten,
ſich gleich nach Mittag in der *** Kirche einzufin¬
den. Der Platz wurde in eben der Kapelle genom¬
men, wo er ſeine Unbekannte das erſtemal geſehen
hatte, doch ſo, daß er ihr nicht ſogleich in die
Augen fallen konnte. Biondello hatte Befehl, an
der Kirchthüre Wache zu ſtehen und dort mit dem
Begleiter der Dame Bekanntſchaft anzuknüpfen.
Ich hatte auf mich genommen, als ein unverdäch¬
tiger Vorübergehender bey der Rückfahrt in der¬
ſelben Gondel Platz zu nehmen, um die Spur der
Unbekannten weiter zu verfolgen, wenn das übrige
mißlingen ſollte. An demſelben Orte, wo ſie ſich

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[186/0194] Das Geld kam übrigens in ſehr bedürftige Hände. Einige Excellenza, die, wie die böſe Welt ihnen nachſagt, ihr frugales Mittagsmahl in der Senatormütze ſelbſt von dem Markte nach Hauſe tragen, traten als Bettler in unſer Haus, und verließen es als wohlhabende Leute. Civitella zeigte ſie mir. Sehen Sie, ſagte er, wie vielen armen Teufeln es zu gute kommt, daß es einem geſcheuten Kopf einfällt, nicht bey ſich ſelbſt zu ſeyn! Aber das gefällt mir. Das iſt fürſtlich und kö¬ niglich! Ein großer Menſch muß auch in ſeinen Verirrungen noch Glückliche machen, und wie ein übertretender Strom die benachbarten Felder befeuchten.“ Civitella denkt brav und edel — aber der Prinz iſt ihm 24000 Zechinen ſchuldig! Der ſo ſehnlich erwartete Sonnabend erſchien endlich, und mein Herr ließ ſich nicht abhalten, ſich gleich nach Mittag in der *** Kirche einzufin¬ den. Der Platz wurde in eben der Kapelle genom¬ men, wo er ſeine Unbekannte das erſtemal geſehen hatte, doch ſo, daß er ihr nicht ſogleich in die Augen fallen konnte. Biondello hatte Befehl, an der Kirchthüre Wache zu ſtehen und dort mit dem Begleiter der Dame Bekanntſchaft anzuknüpfen. Ich hatte auf mich genommen, als ein unverdäch¬ tiger Vorübergehender bey der Rückfahrt in der¬ ſelben Gondel Platz zu nehmen, um die Spur der Unbekannten weiter zu verfolgen, wenn das übrige mißlingen ſollte. An demſelben Orte, wo ſie ſich nach

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/194>, abgerufen am 23.11.2024.