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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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gelegen war, und wohin er ihn selbst begleitete.
Hier verließ er ihn in der Stille, und ohne sich zu
erkennen gegeben zu haben.

Aber durch einen Bedienten, der Biondello er¬
kannt hatte, ward er verrathen. Gleich den fol¬
genden Morgen erschien der Kardinal, eine alte
Bekanntschaft aus dem Bucentauro. Der Besuch
dauerte eine Stunde, der Kardinal war in großer
Bewegung, als sie heraus kamen, Thränen stan¬
den in seinen Augen, auch der Prinz war gerührt.
Noch an demselben Abend wurde bey dem Kranken
ein Besuch abgestattet, von dem der Wundarzt
übrigens das Beste versichert. Der Mantel, in
den er gehüllt war, hatte die Stöße unsicher ge¬
macht, und ihre Stärke gebrochen. Seit diesem
Vorfall verstrich kein Tag, an welchem der Prinz
nicht in dem Hause des Kardinals Besuche gegeben
oder empfangen hätte, und eine starke Freundschaft
fängt an, sich zwischen ihm und diesem Hause zu
bilden.

Der Kardinal ist ein ehrwürdiger Sechziger,
majestätisch von Ansehn, voll Heiterkeit und frischer
Gesundheit. Man hält ihn für einen der reich¬
sten Prälaten im ganzen Gebiethe der Republik.
Sein unermeßliches Vermögen soll er noch sehr ju¬
gendlich verwalten, und bey einer vernünftigen
Sparsamkeit keine Weltfreude verschmähen. Die¬
ser Neffe ist sein einziger Erbe, der aber mir seinem
Oheim nicht immer im besten Vernehmen stehen
soll. So wenig der Alte ein Feind des Vergnügens

ist,
d. Geisterseher. H

gelegen war, und wohin er ihn ſelbſt begleitete.
Hier verließ er ihn in der Stille, und ohne ſich zu
erkennen gegeben zu haben.

Aber durch einen Bedienten, der Biondello er¬
kannt hatte, ward er verrathen. Gleich den fol¬
genden Morgen erſchien der Kardinal, eine alte
Bekanntſchaft aus dem Bucentauro. Der Beſuch
dauerte eine Stunde, der Kardinal war in großer
Bewegung, als ſie heraus kamen, Thränen ſtan¬
den in ſeinen Augen, auch der Prinz war gerührt.
Noch an demſelben Abend wurde bey dem Kranken
ein Beſuch abgeſtattet, von dem der Wundarzt
übrigens das Beſte verſichert. Der Mantel, in
den er gehüllt war, hatte die Stöße unſicher ge¬
macht, und ihre Stärke gebrochen. Seit dieſem
Vorfall verſtrich kein Tag, an welchem der Prinz
nicht in dem Hauſe des Kardinals Beſuche gegeben
oder empfangen hätte, und eine ſtarke Freundſchaft
fängt an, ſich zwiſchen ihm und dieſem Hauſe zu
bilden.

Der Kardinal iſt ein ehrwürdiger Sechziger,
majeſtätiſch von Anſehn, voll Heiterkeit und friſcher
Geſundheit. Man hält ihn für einen der reich¬
ſten Prälaten im ganzen Gebiethe der Republik.
Sein unermeßliches Vermögen ſoll er noch ſehr ju¬
gendlich verwalten, und bey einer vernünftigen
Sparſamkeit keine Weltfreude verſchmähen. Die¬
ſer Neffe iſt ſein einziger Erbe, der aber mir ſeinem
Oheim nicht immer im beſten Vernehmen ſtehen
ſoll. So wenig der Alte ein Feind des Vergnügens

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[113/0121] gelegen war, und wohin er ihn ſelbſt begleitete. Hier verließ er ihn in der Stille, und ohne ſich zu erkennen gegeben zu haben. Aber durch einen Bedienten, der Biondello er¬ kannt hatte, ward er verrathen. Gleich den fol¬ genden Morgen erſchien der Kardinal, eine alte Bekanntſchaft aus dem Bucentauro. Der Beſuch dauerte eine Stunde, der Kardinal war in großer Bewegung, als ſie heraus kamen, Thränen ſtan¬ den in ſeinen Augen, auch der Prinz war gerührt. Noch an demſelben Abend wurde bey dem Kranken ein Beſuch abgeſtattet, von dem der Wundarzt übrigens das Beſte verſichert. Der Mantel, in den er gehüllt war, hatte die Stöße unſicher ge¬ macht, und ihre Stärke gebrochen. Seit dieſem Vorfall verſtrich kein Tag, an welchem der Prinz nicht in dem Hauſe des Kardinals Beſuche gegeben oder empfangen hätte, und eine ſtarke Freundſchaft fängt an, ſich zwiſchen ihm und dieſem Hauſe zu bilden. Der Kardinal iſt ein ehrwürdiger Sechziger, majeſtätiſch von Anſehn, voll Heiterkeit und friſcher Geſundheit. Man hält ihn für einen der reich¬ ſten Prälaten im ganzen Gebiethe der Republik. Sein unermeßliches Vermögen ſoll er noch ſehr ju¬ gendlich verwalten, und bey einer vernünftigen Sparſamkeit keine Weltfreude verſchmähen. Die¬ ſer Neffe iſt ſein einziger Erbe, der aber mir ſeinem Oheim nicht immer im beſten Vernehmen ſtehen ſoll. So wenig der Alte ein Feind des Vergnügens iſt, d. Geiſterſeher. H

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/121>, abgerufen am 22.11.2024.