alle vergeblich; endlich um ihrem Zudringen zu ent¬ gehen, weil sie drohten, ihn rechtlich zu belangen, begab er sich bey dem Prinzen in Dienste. An diesen wandte sich nun der Haupterbe, dieser Kauf¬ mann, und that noch größre Erbiethungen, als die schon geschehen waren, wenn Biondello seinen Sinn ändern wollte. Aber auch die Fürsprache des Prinzen war umsonst. Diesem gestand er zwar, daß ihm wirklich dergleichen Geheimnisse an¬ vertraut waren, er läugnete auch nicht, daß der Verstorbene im Haß gegen seine Familie vielleicht zu weit gegangen sey, aber, sezte er war mein guter Herr und mein Wohlthäter, und im festen Vertrauen auf meine Redlichkeit starb er hin. Ich war der einzige Freund, den er auf der Welt ver¬ ließ -- um so weniger darf ich seine einzige Hoff¬ nung hintergehen. Zugleich ließ er merken, daß diese Eröffnungen dem Andenken seines verstorbenen Herrn nicht sehr zur Ehre gereichen dürften. Ist das nicht fein gedacht und edel? Auch können Sie leicht denken, daß der Prinz nicht sehr darauf be¬ harrte, ihn in einer so löblichen Gesinnung wan¬ kend zu machen. Diese seltene Treue, die er ge¬ gen einen Todten bewies, hat ihm einen Lebenden gewonnen!
Leben Sie glücklich -- liebster Freund. Wie sehne ich mich nach dem stillen Leben zurück, in wel¬ chem Sie uns hier fanden, und wofür Sie uns so angenehm entschädigten! Ich fürchte, meine gu¬ ten Zeiten in Venedig sind vorbey, und Gewinn
genug,
alle vergeblich; endlich um ihrem Zudringen zu ent¬ gehen, weil ſie drohten, ihn rechtlich zu belangen, begab er ſich bey dem Prinzen in Dienſte. An dieſen wandte ſich nun der Haupterbe, dieſer Kauf¬ mann, und that noch größre Erbiethungen, als die ſchon geſchehen waren, wenn Biondello ſeinen Sinn ändern wollte. Aber auch die Fürſprache des Prinzen war umſonſt. Dieſem geſtand er zwar, daß ihm wirklich dergleichen Geheimniſſe an¬ vertraut waren, er läugnete auch nicht, daß der Verſtorbene im Haß gegen ſeine Familie vielleicht zu weit gegangen ſey, aber, ſezte er war mein guter Herr und mein Wohlthäter, und im feſten Vertrauen auf meine Redlichkeit ſtarb er hin. Ich war der einzige Freund, den er auf der Welt ver¬ ließ — um ſo weniger darf ich ſeine einzige Hoff¬ nung hintergehen. Zugleich ließ er merken, daß dieſe Eröffnungen dem Andenken ſeines verſtorbenen Herrn nicht ſehr zur Ehre gereichen dürften. Iſt das nicht fein gedacht und edel? Auch können Sie leicht denken, daß der Prinz nicht ſehr darauf be¬ harrte, ihn in einer ſo löblichen Geſinnung wan¬ kend zu machen. Dieſe ſeltene Treue, die er ge¬ gen einen Todten bewies, hat ihm einen Lebenden gewonnen!
Leben Sie glücklich — liebſter Freund. Wie ſehne ich mich nach dem ſtillen Leben zurück, in wel¬ chem Sie uns hier fanden, und wofür Sie uns ſo angenehm entſchädigten! Ich fürchte, meine gu¬ ten Zeiten in Venedig ſind vorbey, und Gewinn
genug,
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alle vergeblich; endlich um ihrem Zudringen zu ent¬
gehen, weil ſie drohten, ihn rechtlich zu belangen,
begab er ſich bey dem Prinzen in Dienſte. An
dieſen wandte ſich nun der Haupterbe, dieſer Kauf¬
mann, und that noch größre Erbiethungen, als
die ſchon geſchehen waren, wenn Biondello ſeinen
Sinn ändern wollte. Aber auch die Fürſprache
des Prinzen war umſonſt. Dieſem geſtand er
zwar, daß ihm wirklich dergleichen Geheimniſſe an¬
vertraut waren, er läugnete auch nicht, daß der
Verſtorbene im Haß gegen ſeine Familie vielleicht zu
weit gegangen ſey, aber, ſezte er war mein
guter Herr und mein Wohlthäter, und im feſten
Vertrauen auf meine Redlichkeit ſtarb er hin. Ich
war der einzige Freund, den er auf der Welt ver¬
ließ — um ſo weniger darf ich ſeine einzige Hoff¬
nung hintergehen. Zugleich ließ er merken, daß
dieſe Eröffnungen dem Andenken ſeines verſtorbenen
Herrn nicht ſehr zur Ehre gereichen dürften. Iſt
das nicht fein gedacht und edel? Auch können Sie
leicht denken, daß der Prinz nicht ſehr darauf be¬
harrte, ihn in einer ſo löblichen Geſinnung wan¬
kend zu machen. Dieſe ſeltene Treue, die er ge¬
gen einen Todten bewies, hat ihm einen Lebenden
gewonnen!
Leben Sie glücklich — liebſter Freund. Wie
ſehne ich mich nach dem ſtillen Leben zurück, in wel¬
chem Sie uns hier fanden, und wofür Sie uns ſo
angenehm entſchädigten! Ich fürchte, meine gu¬
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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