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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Erstes Buch.

Ich erzähle eine Begebenheit, die vielen unglaub¬
lich scheinen wird, und von der ich großentheils
selbst Augenzeuge war. Den wenigen, welche von
einem gewissen politischen Vorfalle unterrichtet sind,
wird sie -- wenn anders diese Blätter sie noch am
Leben finden -- einen willkommenen Aufschluß
darüber geben; und auch ohne diesen Schlüssel
wird sie den übrigen, als ein Beytrag zur Geschich¬
te des Betrugs und der Verirrungen des mensch¬
lichen Geistes vielleicht wichtig seyn. Man wird
über die Kühnheit des Zwecks erstaunen, den
die Bosheit zu entwerfen und zu verfolgen im Stan¬
de ist; man wird über die Mittel erstaunen,
die sie aufzubieten vermag, um sich dieses Zwecks zu
versichern. Reine, strenge Wahrheit wird meine
Feder leiten, denn wenn diese Blätter an die Welt
treten, bin ich nicht mehr, und nie werde ich ihr
Schicksal erfahren.

Es war auf meiner Zurückreise nach Kurland,
im Jahr 17** um die Karnevalszeit, als ich den

Prin¬
A 2
Erſtes Buch.

Ich erzähle eine Begebenheit, die vielen unglaub¬
lich ſcheinen wird, und von der ich großentheils
ſelbſt Augenzeuge war. Den wenigen, welche von
einem gewiſſen politiſchen Vorfalle unterrichtet ſind,
wird ſie — wenn anders dieſe Blätter ſie noch am
Leben finden — einen willkommenen Aufſchluß
darüber geben; und auch ohne dieſen Schlüſſel
wird ſie den übrigen, als ein Beytrag zur Geſchich¬
te des Betrugs und der Verirrungen des menſch¬
lichen Geiſtes vielleicht wichtig ſeyn. Man wird
über die Kühnheit des Zwecks erſtaunen, den
die Bosheit zu entwerfen und zu verfolgen im Stan¬
de iſt; man wird über die Mittel erſtaunen,
die ſie aufzubieten vermag, um ſich dieſes Zwecks zu
verſichern. Reine, ſtrenge Wahrheit wird meine
Feder leiten, denn wenn dieſe Blätter an die Welt
treten, bin ich nicht mehr, und nie werde ich ihr
Schickſal erfahren.

Es war auf meiner Zurückreiſe nach Kurland,
im Jahr 17** um die Karnevalszeit, als ich den

Prin¬
A 2
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[[3]/0011] Erſtes Buch. Ich erzähle eine Begebenheit, die vielen unglaub¬ lich ſcheinen wird, und von der ich großentheils ſelbſt Augenzeuge war. Den wenigen, welche von einem gewiſſen politiſchen Vorfalle unterrichtet ſind, wird ſie — wenn anders dieſe Blätter ſie noch am Leben finden — einen willkommenen Aufſchluß darüber geben; und auch ohne dieſen Schlüſſel wird ſie den übrigen, als ein Beytrag zur Geſchich¬ te des Betrugs und der Verirrungen des menſch¬ lichen Geiſtes vielleicht wichtig ſeyn. Man wird über die Kühnheit des Zwecks erſtaunen, den die Bosheit zu entwerfen und zu verfolgen im Stan¬ de iſt; man wird über die Mittel erſtaunen, die ſie aufzubieten vermag, um ſich dieſes Zwecks zu verſichern. Reine, ſtrenge Wahrheit wird meine Feder leiten, denn wenn dieſe Blätter an die Welt treten, bin ich nicht mehr, und nie werde ich ihr Schickſal erfahren. Es war auf meiner Zurückreiſe nach Kurland, im Jahr 17** um die Karnevalszeit, als ich den Prin¬ A 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/11>, abgerufen am 27.11.2024.