Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Erster Akt. als Du und ich, zween Knaben wilder Art,so brüderlich zusammen aufgewachsen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiste so sehr verdunkelt mich zu sehn -- ich endlich mich kühn entschloß, Dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu sein. Da fing ich an mit tausend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen; Du stolzes Herz gabst sie mir kalt zurück. Oft stand ich da, und -- doch das sahst Du nie! und heiße, schwere Thränentropfen hingen in meinem Aug', wenn Du, mich überhüpfend, Vasallenkinder in die Arme drücktest. Warum nur diese? rief ich trauernd aus: Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? -- Du aber, Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder: Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn. Marquis. O stille, Prinz, von diesen kindischen Geschichten, die mich jetzt noch schamroth machen. Karlos. Ich hatt' es nicht um Dich verdient. Ver- schmähen, B
Erſter Akt. als Du und ich, zween Knaben wilder Art,ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein. Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen; Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück. Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie! und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend, Vaſallenkinder in die Arme drückteſt. Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus: Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du aber, Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder: Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn. Marquis. O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen. Karlos. Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver- ſchmähen, B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#KAR"> <p><pb facs="#f0027" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſter Akt</hi>.</fw><lb/> als Du und ich, zween Knaben wilder Art,<lb/> ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen,<lb/> kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte<lb/> ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich<lb/> mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben,<lb/> weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein.<lb/> Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten<lb/> und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;<lb/> Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück.<lb/> Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie!<lb/> und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen<lb/> in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend,<lb/> Vaſallenkinder in die Arme drückteſt.<lb/> Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus:<lb/> Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du<lb/> aber,<lb/> Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder:<lb/> Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marquis</hi>.</speaker><lb/> <p>O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen<lb/> Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker><hi rendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver-<lb/> ſchmähen,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0027]
Erſter Akt.
als Du und ich, zween Knaben wilder Art,
ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen,
kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte
ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich
mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben,
weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein.
Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten
und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;
Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück.
Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie!
und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen
in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend,
Vaſallenkinder in die Arme drückteſt.
Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus:
Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du
aber,
Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder:
Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn.
Marquis.
O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen
Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen.
Karlos.
Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver-
ſchmähen,
B
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |