Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Erster Akt. So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohnerwartete. So fürchterlich begrüßte mich Karl noch nie. Ein unnatürlich Roth entzündet sich auf Ihren blassen Wangen, und Ihre Lippen zittern fieberhaft. Was muß ich glauben, theurer Prinz? -- Das ist der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet -- denn jetzt steh' ich als Rodrigo nicht hier, nicht als des Knaben Karlos Spielgeselle -- ein Abgeordneter der ganzen Menschheit umarm' ich Sie -- es sind die Flandrischen Provinzen, die an Ihrem Halse weinen und feierlich um Rettung Sie bestürmen. Die Zeit ist da, die schreckenvolle Zeit, die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt. Tirannisch wühlt Dom Philipp in dem Herzen des freigeborenen Brabants. Es ist gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba, des Fanatismus rauher Henkersknecht, vor Brüssel rückt mit Spanischen Gesetzen. Auf Kaiser Karls glorwürd'gem Enkel ruht die letzte Hoffnung dieser edeln Lande. Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz vergessen hat für Menschlichkeit zu schlagen. Erſter Akt. So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohnerwartete. So fürchterlich begrüßte mich Karl noch nie. Ein unnatürlich Roth entzündet ſich auf Ihren blaſſen Wangen, und Ihre Lippen zittern fieberhaft. Was muß ich glauben, theurer Prinz? — Das iſt der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem ein unterdrücktes Heldenvolk mich ſendet — denn jetzt ſteh’ ich als Rodrigo nicht hier, nicht als des Knaben Karlos Spielgeſelle — ein Abgeordneter der ganzen Menſchheit umarm’ ich Sie — es ſind die Flandriſchen Provinzen, die an Ihrem Halſe weinen und feierlich um Rettung Sie beſtürmen. Die Zeit iſt da, die ſchreckenvolle Zeit, die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt. Tiranniſch wühlt Dom Philipp in dem Herzen des freigeborenen Brabants. Es iſt gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba, des Fanatismus rauher Henkersknecht, vor Brüſſel rückt mit Spaniſchen Geſetzen. Auf Kaiſer Karls glorwürd’gem Enkel ruht die letzte Hoffnung dieſer edeln Lande. Sie ſtürzt dahin, wenn ſein erhabnes Herz vergeſſen hat für Menſchlichkeit zu ſchlagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#MAR"> <p><pb facs="#f0023" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſter Akt</hi>.</fw><lb/> So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohn<lb/> erwartete. So fürchterlich begrüßte<lb/> mich Karl noch nie. Ein unnatürlich Roth<lb/> entzündet ſich auf Ihren blaſſen Wangen,<lb/> und Ihre Lippen zittern fieberhaft.<lb/> Was muß ich glauben, theurer Prinz? —<lb/> Das iſt<lb/> der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem<lb/> ein unterdrücktes Heldenvolk mich ſendet —<lb/> denn jetzt ſteh’ ich als Rodrigo nicht hier,<lb/> nicht als des Knaben Karlos Spielgeſelle —<lb/> ein Abgeordneter der ganzen Menſchheit<lb/> umarm’ ich Sie — es ſind die Flandriſchen<lb/> Provinzen, die an Ihrem Halſe weinen<lb/> und feierlich um Rettung Sie beſtürmen.<lb/> Die Zeit iſt da, die ſchreckenvolle Zeit,<lb/> die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt.<lb/> Tiranniſch wühlt Dom Philipp in dem Herzen<lb/> des freigeborenen Brabants. Es iſt<lb/> gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba,<lb/> des Fanatismus rauher Henkersknecht,<lb/> vor Brüſſel rückt mit Spaniſchen Geſetzen.<lb/> Auf Kaiſer Karls glorwürd’gem Enkel ruht<lb/> die letzte Hoffnung dieſer edeln Lande.<lb/> Sie ſtürzt dahin, wenn ſein erhabnes Herz<lb/> vergeſſen hat für Menſchlichkeit zu ſchlagen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0023]
Erſter Akt.
So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohn
erwartete. So fürchterlich begrüßte
mich Karl noch nie. Ein unnatürlich Roth
entzündet ſich auf Ihren blaſſen Wangen,
und Ihre Lippen zittern fieberhaft.
Was muß ich glauben, theurer Prinz? —
Das iſt
der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem
ein unterdrücktes Heldenvolk mich ſendet —
denn jetzt ſteh’ ich als Rodrigo nicht hier,
nicht als des Knaben Karlos Spielgeſelle —
ein Abgeordneter der ganzen Menſchheit
umarm’ ich Sie — es ſind die Flandriſchen
Provinzen, die an Ihrem Halſe weinen
und feierlich um Rettung Sie beſtürmen.
Die Zeit iſt da, die ſchreckenvolle Zeit,
die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt.
Tiranniſch wühlt Dom Philipp in dem Herzen
des freigeborenen Brabants. Es iſt
gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba,
des Fanatismus rauher Henkersknecht,
vor Brüſſel rückt mit Spaniſchen Geſetzen.
Auf Kaiſer Karls glorwürd’gem Enkel ruht
die letzte Hoffnung dieſer edeln Lande.
Sie ſtürzt dahin, wenn ſein erhabnes Herz
vergeſſen hat für Menſchlichkeit zu ſchlagen.
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