nur leise noch, das Urtheil ganz zu sprechen. Der Brief entschied. Der Würdige warst Du. Mit stolzer Freude sahst Du nun das Schicksal der Tirannei, des Raubes überwiesen. Du jauchtztest, der Beleidigte zu sein, denn Unrecht leiden schmeichelt großen Seelen. Doch hier verirrte Deine Phantasie, Dein Stolz empfand Genugthuung -- Dein Herz versprach sich Hoffnung. Sieh, ich wußt' es wohl, Du hattest dießmal selbst Dich mißverstanden.
Karlos gerührt. Nein Rodrigo, Du irrest sehr. Ich dachte so edel nicht, bei weitem nicht, als Du mich gerne glauben machen möchtest.
Marquis. Bin ich denn so wenig hier bekannt? Sieh, Karl, wenn Du verirrest, such' ich allemal die Tugend unter Hunderten zu rathen, die ich des Fehlers zeihen kann. Doch nun wir besser uns verstehen, wie ich meine, nun unterschreib' ich Deinen Wunsch. Du sollst die Königinn jetzt sprechen -- mußt sie spre- chen --
Dom Karlos.
nur leiſe noch, das Urtheil ganz zu ſprechen. Der Brief entſchied. Der Würdige warſt Du. Mit ſtolzer Freude ſahſt Du nun das Schickſal der Tirannei, des Raubes überwieſen. Du jauchtzteſt, der Beleidigte zu ſein, denn Unrecht leiden ſchmeichelt großen Seelen. Doch hier verirrte Deine Phantaſie, Dein Stolz empfand Genugthuung — Dein Herz verſprach ſich Hoffnung. Sieh, ich wußt’ es wohl, Du hatteſt dießmal ſelbſt Dich mißverſtanden.
Karlos gerührt. Nein Rodrigo, Du irreſt ſehr. Ich dachte ſo edel nicht, bei weitem nicht, als Du mich gerne glauben machen möchteſt.
Marquis. Bin ich denn ſo wenig hier bekannt? Sieh, Karl, wenn Du verirreſt, ſuch’ ich allemal die Tugend unter Hunderten zu rathen, die ich des Fehlers zeihen kann. Doch nun wir beſſer uns verſtehen, wie ich meine, nun unterſchreib’ ich Deinen Wunſch. Du ſollſt die Königinn jetzt ſprechen — mußt ſie ſpre- chen —
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Dom Karlos.
nur leiſe noch, das Urtheil ganz zu ſprechen.
Der Brief entſchied. Der Würdige warſt Du.
Mit ſtolzer Freude ſahſt Du nun das Schickſal
der Tirannei, des Raubes überwieſen.
Du jauchtzteſt, der Beleidigte zu ſein,
denn Unrecht leiden ſchmeichelt großen Seelen.
Doch hier verirrte Deine Phantaſie,
Dein Stolz empfand Genugthuung —
Dein Herz
verſprach ſich Hoffnung. Sieh, ich wußt’ es
wohl,
Du hatteſt dießmal ſelbſt Dich mißverſtanden.
Karlos gerührt.
Nein Rodrigo, Du irreſt ſehr. Ich dachte
ſo edel nicht, bei weitem nicht, als Du
mich gerne glauben machen möchteſt.
Marquis.
Bin
ich denn ſo wenig hier bekannt? Sieh, Karl,
wenn Du verirreſt, ſuch’ ich allemal
die Tugend unter Hunderten zu rathen,
die ich des Fehlers zeihen kann. Doch nun
wir beſſer uns verſtehen, wie ich meine,
nun unterſchreib’ ich Deinen Wunſch. Du ſollſt
die Königinn jetzt ſprechen — mußt ſie ſpre-
chen —
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Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/222>, abgerufen am 16.02.2025.
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