des einz'gen Sohns -- zu theuer nie erkaufen. Der Arm der Könige reicht weit -- Wär's möglich? Wär' noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel dem liebsten seiner Söhne weigerte? Ich stand dabei, als in Toledo's Mauern der stolze Karl die Huldigung empfing, als Fürsten sich zu seinem Handkuß drängten, und jetzt in Einem -- Einem Niederfall sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen -- ich stand und sah das junge stolze Blut in seine Wangen steigen, seinen Busen von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah sein trunknes Aug' durch die Versammlung fliegen, in Wonne brechen -- Prinz, und dieses Auge gestand: Ich bin gesättigt. Dieser stille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde schon in Ihren Blicken lesen, das Räthsel dieses ganzen Hofs, die Angst des Königreichs, hat Seiner Majestät schon manche sorgenvolle Nacht gekostet, schon manche Thräne Ihrer Mutter.
Karlos Dreht sich rasch um. Mutter?
Dom Karlos.
des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen. Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s möglich? Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel dem liebſten ſeiner Söhne weigerte? Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern der ſtolze Karl die Huldigung empfing, als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten, und jetzt in Einem — Einem Niederfall ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen — ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen, in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge geſtand: Ich bin geſättigt. Dieſer ſtille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen, das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt des Königreichs, hat Seiner Majeſtät ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet, ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.
Karlos Dreht ſich raſch um. Mutter?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><spwho="#DOMI"><p><pbfacs="#f0014"n="4"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dom Karlos</hi>.</fw><lb/>
des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen.<lb/>
Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s<lb/>
möglich?<lb/>
Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel<lb/>
dem liebſten ſeiner Söhne weigerte?<lb/>
Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern<lb/>
der ſtolze Karl die Huldigung empfing,<lb/>
als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten,<lb/>
und jetzt in Einem — Einem Niederfall<lb/>ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen —<lb/>
ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut<lb/>
in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen<lb/>
von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah<lb/>ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen,<lb/>
in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge<lb/>
geſtand: Ich bin geſättigt.</p><lb/><p><hirendition="#et">Dieſer ſtille</hi><lb/>
und feierliche Kummer, Prinz, den wir<lb/>
acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen,<lb/>
das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt<lb/>
des Königreichs, hat Seiner Majeſtät<lb/>ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet,<lb/>ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.</p></sp><lb/><spwho="#KAR"><speaker><hirendition="#g">Karlos</hi></speaker><lb/><stage>Dreht ſich raſch um.</stage><lb/><p><hirendition="#et">Mutter?</hi></p></sp><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[4/0014]
Dom Karlos.
des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen.
Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s
möglich?
Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel
dem liebſten ſeiner Söhne weigerte?
Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern
der ſtolze Karl die Huldigung empfing,
als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten,
und jetzt in Einem — Einem Niederfall
ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen —
ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut
in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen
von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah
ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen,
in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge
geſtand: Ich bin geſättigt.
Dieſer ſtille
und feierliche Kummer, Prinz, den wir
acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen,
das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt
des Königreichs, hat Seiner Majeſtät
ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet,
ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.
Karlos
Dreht ſich raſch um.
Mutter?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/14>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.