Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Dom Karlos.
des einz'gen Sohns -- zu theuer nie erkaufen.
Der Arm der Könige reicht weit -- Wär's
möglich?
Wär' noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel
dem liebsten seiner Söhne weigerte?
Ich stand dabei, als in Toledo's Mauern
der stolze Karl die Huldigung empfing,
als Fürsten sich zu seinem Handkuß drängten,
und jetzt in Einem -- Einem Niederfall
sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen --
ich stand und sah das junge stolze Blut
in seine Wangen steigen, seinen Busen
von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah
sein trunknes Aug' durch die Versammlung fliegen,
in Wonne brechen -- Prinz, und dieses Auge
gestand: Ich bin gesättigt.

Dieser stille
und feierliche Kummer, Prinz, den wir
acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,
das Räthsel dieses ganzen Hofs, die Angst
des Königreichs, hat Seiner Majestät
schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,
schon manche Thräne Ihrer Mutter.
Karlos
Dreht sich rasch um.
Mutter?
Dom Karlos.
des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen.
Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s
möglich?
Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel
dem liebſten ſeiner Söhne weigerte?
Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern
der ſtolze Karl die Huldigung empfing,
als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten,
und jetzt in Einem — Einem Niederfall
ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen —
ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut
in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen
von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah
ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen,
in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge
geſtand: Ich bin geſättigt.

Dieſer ſtille
und feierliche Kummer, Prinz, den wir
acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen,
das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt
des Königreichs, hat Seiner Majeſtät
ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet,
ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.
Karlos
Dreht ſich raſch um.
Mutter?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#DOMI">
              <p><pb facs="#f0014" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dom Karlos</hi>.</fw><lb/>
des einz&#x2019;gen Sohns &#x2014; zu theuer nie erkaufen.<lb/>
Der Arm der Könige reicht weit &#x2014; Wär&#x2019;s<lb/>
möglich?<lb/>
Wär&#x2019; noch ein Wun&#x017F;ch zurücke, den der Himmel<lb/>
dem lieb&#x017F;ten &#x017F;einer Söhne weigerte?<lb/>
Ich &#x017F;tand dabei, als in Toledo&#x2019;s Mauern<lb/>
der &#x017F;tolze Karl die Huldigung empfing,<lb/>
als Für&#x017F;ten &#x017F;ich zu &#x017F;einem Handkuß drängten,<lb/>
und jetzt in Einem &#x2014; Einem Niederfall<lb/>
&#x017F;echs Königreiche ihm zu Füßen lagen &#x2014;<lb/>
ich &#x017F;tand und &#x017F;ah das junge &#x017F;tolze Blut<lb/>
in &#x017F;eine Wangen &#x017F;teigen, &#x017F;einen Bu&#x017F;en<lb/>
von fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en wallen, &#x017F;ah<lb/>
&#x017F;ein trunknes Aug&#x2019; durch die Ver&#x017F;ammlung fliegen,<lb/>
in Wonne brechen &#x2014; Prinz, und die&#x017F;es Auge<lb/>
ge&#x017F;tand: Ich bin ge&#x017F;ättigt.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Die&#x017F;er &#x017F;tille</hi><lb/>
und feierliche Kummer, Prinz, den wir<lb/>
acht Monde &#x017F;chon in Ihren Blicken le&#x017F;en,<lb/>
das Räth&#x017F;el die&#x017F;es ganzen Hofs, die Ang&#x017F;t<lb/>
des Königreichs, hat Seiner Maje&#x017F;tät<lb/>
&#x017F;chon manche &#x017F;orgenvolle Nacht geko&#x017F;tet,<lb/>
&#x017F;chon manche Thräne Ihrer Mutter.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#KAR">
              <speaker> <hi rendition="#g">Karlos</hi> </speaker><lb/>
              <stage>Dreht &#x017F;ich ra&#x017F;ch um.</stage><lb/>
              <p> <hi rendition="#et">Mutter?</hi> </p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0014] Dom Karlos. des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen. Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s möglich? Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel dem liebſten ſeiner Söhne weigerte? Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern der ſtolze Karl die Huldigung empfing, als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten, und jetzt in Einem — Einem Niederfall ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen — ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen, in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge geſtand: Ich bin geſättigt. Dieſer ſtille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen, das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt des Königreichs, hat Seiner Majeſtät ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet, ſchon manche Thräne Ihrer Mutter. Karlos Dreht ſich raſch um. Mutter?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/14
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/14>, abgerufen am 03.10.2024.