Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Neuntes Buch. "Wo weder Gegenwehr, noch Wall; wo keine Waffen,500"Da kann man sich zwar Beut, doch keinen Sieg verschaffen. "So zog der Prinz das Heer aus seinem Lorber-Wald. "Auch da war er beglückt; der Feind erfuhr es bald. "Der Prinz schwung seinen Fahn so kühn auf dessen Schaaren, "Daß sie von ihrem Zweck, vom Land verdrungen waren. 505"Kurz: dieses ist der Held, den keine Macht verlezt, "Wann er sich seinem Feind mit Wiz entgegen sezt. "Viel lieber wollt er sich mit eignem Blut besprizen, "Als nicht die Königinn mit seinem Arm beschüzen. Jndem Thalia mir von diesem Helden sprach, 510Bewog mein Auge sich dem Frauenzimmer nach: Bald hört' ich ihr Gespräch, bald sah' ich durch die Reihen, Und liesse meinen Sinn durch ihre Tracht zerstreuen. Wer hat doch, fiel mir ein, die bunte Kleider-Pracht, Der Farben Lieblichkeit, den Seiden-Stoff erdacht? 515Die doch der Schönheit nichts zu besserm Vortheil geben; Vielmehr dadurch sich selbst in ihrem Pomp erheben. So kostbar jene sich in ihrem Prangen wies, So war nichts, das an ihr schön oder reizend ließ'. Wogegen andere nur mit dem Anblick spielten, 520Doch ohne Pracht ein Aug in der Entzückung hielten. Was Wunder, wann am Hof, dacht' ich, ein Streit entsteht; Weil man die Schönen sucht, die minderen verschmäht; Jch
Neuntes Buch. „Wo weder Gegenwehr, noch Wall; wo keine Waffen,500„Da kann man ſich zwar Beut, doch keinen Sieg verſchaffen. „So zog der Prinz das Heer aus ſeinem Lorber-Wald. „Auch da war er begluͤckt; der Feind erfuhr es bald. „Der Prinz ſchwung ſeinen Fahn ſo kuͤhn auf deſſen Schaaren, „Daß ſie von ihrem Zweck, vom Land verdrungen waren. 505„Kurz: dieſes iſt der Held, den keine Macht verlezt, „Wann er ſich ſeinem Feind mit Wiz entgegen ſezt. „Viel lieber wollt er ſich mit eignem Blut beſprizen, „Als nicht die Koͤniginn mit ſeinem Arm beſchuͤzen. Jndem Thalia mir von dieſem Helden ſprach, 510Bewog mein Auge ſich dem Frauenzimmer nach: Bald hoͤrt’ ich ihr Geſpraͤch, bald ſah’ ich durch die Reihen, Und lieſſe meinen Sinn durch ihre Tracht zerſtreuen. Wer hat doch, fiel mir ein, die bunte Kleider-Pracht, Der Farben Lieblichkeit, den Seiden-Stoff erdacht? 515Die doch der Schoͤnheit nichts zu beſſerm Vortheil geben; Vielmehr dadurch ſich ſelbſt in ihrem Pomp erheben. So koſtbar jene ſich in ihrem Prangen wies, So war nichts, das an ihr ſchoͤn oder reizend ließ’. Wogegen andere nur mit dem Anblick ſpielten, 520Doch ohne Pracht ein Aug in der Entzuͤckung hielten. Was Wunder, wann am Hof, dacht’ ich, ein Streit entſteht; Weil man die Schoͤnen ſucht, die minderen verſchmaͤht; Jch
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Neuntes Buch.
„Wo weder Gegenwehr, noch Wall; wo keine Waffen,
„Da kann man ſich zwar Beut, doch keinen Sieg verſchaffen.
„So zog der Prinz das Heer aus ſeinem Lorber-Wald.
„Auch da war er begluͤckt; der Feind erfuhr es bald.
„Der Prinz ſchwung ſeinen Fahn ſo kuͤhn auf deſſen Schaaren,
„Daß ſie von ihrem Zweck, vom Land verdrungen waren.
„Kurz: dieſes iſt der Held, den keine Macht verlezt,
„Wann er ſich ſeinem Feind mit Wiz entgegen ſezt.
„Viel lieber wollt er ſich mit eignem Blut beſprizen,
„Als nicht die Koͤniginn mit ſeinem Arm beſchuͤzen.
Jndem Thalia mir von dieſem Helden ſprach,
Bewog mein Auge ſich dem Frauenzimmer nach:
Bald hoͤrt’ ich ihr Geſpraͤch, bald ſah’ ich durch die Reihen,
Und lieſſe meinen Sinn durch ihre Tracht zerſtreuen.
Wer hat doch, fiel mir ein, die bunte Kleider-Pracht,
Der Farben Lieblichkeit, den Seiden-Stoff erdacht?
Die doch der Schoͤnheit nichts zu beſſerm Vortheil geben;
Vielmehr dadurch ſich ſelbſt in ihrem Pomp erheben.
So koſtbar jene ſich in ihrem Prangen wies,
So war nichts, das an ihr ſchoͤn oder reizend ließ’.
Wogegen andere nur mit dem Anblick ſpielten,
Doch ohne Pracht ein Aug in der Entzuͤckung hielten.
Was Wunder, wann am Hof, dacht’ ich, ein Streit entſteht;
Weil man die Schoͤnen ſucht, die minderen verſchmaͤht;
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