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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
"Der Jahre, Monate, der Tage, Nächte weisen:
240"Wie wir der Erde Schoß der Nahrung halber preisen.
"Ja! ", fuhr die Dicht-Kunst auf, das hab ich erst gesagt;
"So seht, wie meine Kunst der Künste Wercke schlagt.
"Thalia zeigt nur an, daß sie von mir gelernet,
"Was sich von eurer Macht und Wissenschaft entfernet.
245"Sie folgt dem Dichter-Trieb den meine Cither lehrt;
"Was sie erzählet, ist was sie von mir gehört.
"Sagt, welche von dem Chor vermag das aufzurichten?
"Kann Marmel, Farb und Erz so viel als unser Dichten?
"Zu dem, verstehet ihr, was das vor ein Gebäu?
250"Glaubt ihr vielleicht, daß es ein Scherz der Strahlen sey?
"Daß hier die Sonne sich mit Regenbögen spiele?
"Daß dessen Umfang nur auf eitlen Schimmer ziele?
"Seht ihr darinnen nicht ein hell-beleuchtes Herz?
"Das weder Steine braucht, noch Eisen, auch kein Erz.
255
Thalia fuhr nun fort: "Verzeiht mir das Beginnen,
"Das nur erdichte Werck, Kunstreiche Meisterinnen
"Und hört mich ferner an! ich schreite zu der Sach:
"Jch gehe, wie man hört, der Dicht-Kunst Lehre nach.
"Gar wohl: es ist ein Herz, was ich beschreiben wollte;
260"Jch hoffte, daß der Bau den Rath vergnügen sollte.
"Darinnen sehet ihr den Geist, den Muth, den Sinn,
"Die Stärcke, das Gemüth, die Macht der Königinn.
"So
Thereſiade
„Der Jahre, Monate, der Tage, Naͤchte weiſen:
240„Wie wir der Erde Schoß der Nahrung halber preiſen.
„Ja! „, fuhr die Dicht-Kunſt auf, das hab ich erſt geſagt;
„So ſeht, wie meine Kunſt der Kuͤnſte Wercke ſchlagt.
„Thalia zeigt nur an, daß ſie von mir gelernet,
„Was ſich von eurer Macht und Wiſſenſchaft entfernet.
245„Sie folgt dem Dichter-Trieb den meine Cither lehrt;
„Was ſie erzaͤhlet, iſt was ſie von mir gehoͤrt.
„Sagt, welche von dem Chor vermag das aufzurichten?
„Kann Marmel, Farb und Erz ſo viel als unſer Dichten?
„Zu dem, verſtehet ihr, was das vor ein Gebaͤu?
250„Glaubt ihr vielleicht, daß es ein Scherz der Strahlen ſey?
„Daß hier die Sonne ſich mit Regenboͤgen ſpiele?
„Daß deſſen Umfang nur auf eitlen Schimmer ziele?
„Seht ihr darinnen nicht ein hell-beleuchtes Herz?
„Das weder Steine braucht, noch Eiſen, auch kein Erz.
255
Thalia fuhr nun fort: „Verzeiht mir das Beginnen,
„Das nur erdichte Werck, Kunſtreiche Meiſterinnen
„Und hoͤrt mich ferner an! ich ſchreite zu der Sach:
„Jch gehe, wie man hoͤrt, der Dicht-Kunſt Lehre nach.
„Gar wohl: es iſt ein Herz, was ich beſchreiben wollte;
260„Jch hoffte, daß der Bau den Rath vergnuͤgen ſollte.
„Darinnen ſehet ihr den Geiſt, den Muth, den Sinn,
„Die Staͤrcke, das Gemuͤth, die Macht der Koͤniginn.
„So
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[0078] Thereſiade „Der Jahre, Monate, der Tage, Naͤchte weiſen: „Wie wir der Erde Schoß der Nahrung halber preiſen. „Ja! „, fuhr die Dicht-Kunſt auf, das hab ich erſt geſagt; „So ſeht, wie meine Kunſt der Kuͤnſte Wercke ſchlagt. „Thalia zeigt nur an, daß ſie von mir gelernet, „Was ſich von eurer Macht und Wiſſenſchaft entfernet. „Sie folgt dem Dichter-Trieb den meine Cither lehrt; „Was ſie erzaͤhlet, iſt was ſie von mir gehoͤrt. „Sagt, welche von dem Chor vermag das aufzurichten? „Kann Marmel, Farb und Erz ſo viel als unſer Dichten? „Zu dem, verſtehet ihr, was das vor ein Gebaͤu? „Glaubt ihr vielleicht, daß es ein Scherz der Strahlen ſey? „Daß hier die Sonne ſich mit Regenboͤgen ſpiele? „Daß deſſen Umfang nur auf eitlen Schimmer ziele? „Seht ihr darinnen nicht ein hell-beleuchtes Herz? „Das weder Steine braucht, noch Eiſen, auch kein Erz. Thalia fuhr nun fort: „Verzeiht mir das Beginnen, „Das nur erdichte Werck, Kunſtreiche Meiſterinnen „Und hoͤrt mich ferner an! ich ſchreite zu der Sach: „Jch gehe, wie man hoͤrt, der Dicht-Kunſt Lehre nach. „Gar wohl: es iſt ein Herz, was ich beſchreiben wollte; „Jch hoffte, daß der Bau den Rath vergnuͤgen ſollte. „Darinnen ſehet ihr den Geiſt, den Muth, den Sinn, „Die Staͤrcke, das Gemuͤth, die Macht der Koͤniginn. „So

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/78>, abgerufen am 21.11.2024.