Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Neuntes Buch.
215"Was dessen Majestät verherrlichet, bekränzet,
"Jst selbst des Himmels Bau der dessen Raum begränzet.
"Er schwinget über ihn ein Sternen-reiches Dach,
"Dieß biegt und neiget sich den beyden Bögen nach
"Und schließt den Tempel ein. Hier wollte sie sich neigen,
220Und von dem Herz-Gebäu, so sie beschriebe, schweigen,
Weil sie gestöret ward. Die Bau-Kunst regte sich
Und sagte: "Das Gebäu scheint mir verwunderlich;
"Es ist von fremder Kunst; wer mag wohl also bauen?
Die Schilderinn versezt': "Ein feuriges Vertrauen!
225"Wer führte dieses auf? Die Mahler-Kunst fiel ein:
"Es muß doch in dem Bau so Licht als Schatten seyn!
"Mithin ist meine Kunst zu dessen Zier vonnöthen.
Sie wiesen, daß sie nur mit Scherz und Mißgunst redten.
Die Wahrheit und der Greiß vernahmen den Bericht
230Und diese Meinungen mit lächelndem Gesicht.
Der Kreiß hingegen wies Begier und Lust zu wissen,
Wie, wo, von wem der Bau geführt und aufgerissen.
Thalia war bereit: sie stellte wieder dar,
Was von der Sonne Glanz vor ihr erwähnet war.
235"Man sprach ", erhohlte sie, wie sich die Sterne regen;
"Wie sie sich Tag und Nacht herum zu drehen pflegen:
"Wie dort der Sonne Ball, und hier des Mondes Rund
"Durch niemahls müden Lauf den Wechsel jeder Stund,
"Der
L l 2
Neuntes Buch.
215„Was deſſen Majeſtaͤt verherꝛlichet, bekraͤnzet,
„Jſt ſelbſt des Himmels Bau der deſſen Raum begraͤnzet.
„Er ſchwinget uͤber ihn ein Sternen-reiches Dach,
„Dieß biegt und neiget ſich den beyden Boͤgen nach
„Und ſchließt den Tempel ein. Hier wollte ſie ſich neigen,
220Und von dem Herz-Gebaͤu, ſo ſie beſchriebe, ſchweigen,
Weil ſie geſtoͤret ward. Die Bau-Kunſt regte ſich
Und ſagte: „Das Gebaͤu ſcheint mir verwunderlich;
„Es iſt von fremder Kunſt; wer mag wohl alſo bauen?
Die Schilderinn verſezt’: „Ein feuriges Vertrauen!
225„Wer fuͤhrte dieſes auf? Die Mahler-Kunſt fiel ein:
„Es muß doch in dem Bau ſo Licht als Schatten ſeyn!
„Mithin iſt meine Kunſt zu deſſen Zier vonnoͤthen.
Sie wieſen, daß ſie nur mit Scherz und Mißgunſt redten.
Die Wahrheit und der Greiß vernahmen den Bericht
230Und dieſe Meinungen mit laͤchelndem Geſicht.
Der Kreiß hingegen wies Begier und Luſt zu wiſſen,
Wie, wo, von wem der Bau gefuͤhrt und aufgeriſſen.
Thalia war bereit: ſie ſtellte wieder dar,
Was von der Sonne Glanz vor ihr erwaͤhnet war.
235„Man ſprach „, erhohlte ſie, wie ſich die Sterne regen;
„Wie ſie ſich Tag und Nacht herum zu drehen pflegen:
„Wie dort der Sonne Ball, und hier des Mondes Rund
„Durch niemahls muͤden Lauf den Wechſel jeder Stund,
„Der
L l 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0077"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neuntes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <l><note place="left">215</note>&#x201E;Was de&#x017F;&#x017F;en Maje&#x017F;ta&#x0364;t verher&#xA75B;lichet, bekra&#x0364;nzet,</l><lb/>
            <l>&#x201E;J&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t des Himmels Bau der de&#x017F;&#x017F;en Raum begra&#x0364;nzet.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Er &#x017F;chwinget u&#x0364;ber ihn ein Sternen-reiches Dach,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Dieß biegt und neiget &#x017F;ich den beyden Bo&#x0364;gen nach</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und &#x017F;chließt den Tempel ein. Hier wollte &#x017F;ie &#x017F;ich neigen,</l><lb/>
            <l><note place="left">220</note>Und von dem Herz-Geba&#x0364;u, &#x017F;o &#x017F;ie be&#x017F;chriebe, &#x017F;chweigen,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ie ge&#x017F;to&#x0364;ret ward. Die Bau-Kun&#x017F;t regte &#x017F;ich</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;agte: &#x201E;Das Geba&#x0364;u &#x017F;cheint mir verwunderlich;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es i&#x017F;t von fremder Kun&#x017F;t; wer mag wohl al&#x017F;o bauen?</l><lb/>
            <l>Die Schilderinn ver&#x017F;ezt&#x2019;: &#x201E;Ein feuriges Vertrauen!</l><lb/>
            <l><note place="left">225</note>&#x201E;Wer fu&#x0364;hrte die&#x017F;es auf? Die Mahler-Kun&#x017F;t fiel ein:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es muß doch in dem Bau &#x017F;o Licht als Schatten &#x017F;eyn!</l><lb/>
            <l>&#x201E;Mithin i&#x017F;t meine Kun&#x017F;t zu de&#x017F;&#x017F;en Zier vonno&#x0364;then.</l><lb/>
            <l>Sie wie&#x017F;en, daß &#x017F;ie nur mit Scherz und Mißgun&#x017F;t redten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Wahrheit und der Greiß vernahmen den Bericht</l><lb/>
            <l><note place="left">230</note>Und die&#x017F;e Meinungen mit la&#x0364;chelndem Ge&#x017F;icht.</l><lb/>
            <l>Der Kreiß hingegen wies Begier und Lu&#x017F;t zu wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wie, wo, von wem der Bau gefu&#x0364;hrt und aufgeri&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Thalia war bereit: &#x017F;ie &#x017F;tellte wieder dar,</l><lb/>
            <l>Was von der Sonne Glanz vor ihr erwa&#x0364;hnet war.</l><lb/>
            <l><note place="left">235</note>&#x201E;Man &#x017F;prach &#x201E;, erhohlte &#x017F;ie, wie &#x017F;ich die Sterne regen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie &#x017F;ie &#x017F;ich Tag und Nacht herum zu drehen pflegen:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie dort der Sonne Ball, und hier des Mondes Rund</l><lb/>
            <l>&#x201E;Durch niemahls mu&#x0364;den Lauf den Wech&#x017F;el jeder Stund,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">L l 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Der</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] Neuntes Buch. „Was deſſen Majeſtaͤt verherꝛlichet, bekraͤnzet, „Jſt ſelbſt des Himmels Bau der deſſen Raum begraͤnzet. „Er ſchwinget uͤber ihn ein Sternen-reiches Dach, „Dieß biegt und neiget ſich den beyden Boͤgen nach „Und ſchließt den Tempel ein. Hier wollte ſie ſich neigen, Und von dem Herz-Gebaͤu, ſo ſie beſchriebe, ſchweigen, Weil ſie geſtoͤret ward. Die Bau-Kunſt regte ſich Und ſagte: „Das Gebaͤu ſcheint mir verwunderlich; „Es iſt von fremder Kunſt; wer mag wohl alſo bauen? Die Schilderinn verſezt’: „Ein feuriges Vertrauen! „Wer fuͤhrte dieſes auf? Die Mahler-Kunſt fiel ein: „Es muß doch in dem Bau ſo Licht als Schatten ſeyn! „Mithin iſt meine Kunſt zu deſſen Zier vonnoͤthen. Sie wieſen, daß ſie nur mit Scherz und Mißgunſt redten. Die Wahrheit und der Greiß vernahmen den Bericht Und dieſe Meinungen mit laͤchelndem Geſicht. Der Kreiß hingegen wies Begier und Luſt zu wiſſen, Wie, wo, von wem der Bau gefuͤhrt und aufgeriſſen. Thalia war bereit: ſie ſtellte wieder dar, Was von der Sonne Glanz vor ihr erwaͤhnet war. „Man ſprach „, erhohlte ſie, wie ſich die Sterne regen; „Wie ſie ſich Tag und Nacht herum zu drehen pflegen: „Wie dort der Sonne Ball, und hier des Mondes Rund „Durch niemahls muͤden Lauf den Wechſel jeder Stund, „Der L l 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/77
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/77>, abgerufen am 04.05.2024.