Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"Verblender und verstockt den hellen Tag verschmähet,
"Well seine Blödigkeit dadurch verrathen stehet.
425
"So bin ich unbesorgt und dieses Kummers frey:
"Ob ich von ihm gelobt, von ihm verachtet sey.
"Es ist da nicht der Ort der Einfalt anzuzeigen,
"Was hier der Dichter-Kunst, was dort der Wahrheit eigen;
"Viel weniger wie sie sich dem Gedicht vereint;
430"Warum die Wahrheit oft nur eine Blendung scheint;
"Warum man ein Gedicht oft vor die Wahrheit halte.
"Wie ihr Zusammenhang ein Ehren-Mahl gestallte.
"Genug: ich dichte stets, wie man es nennen will;
"Die Wahrheit und die Lust seynd meiner Arbeit Ziel.
435"Es können solcher Macht sich keine Künste rühmen;
"So wird gewiß nur mir der Bau des Wercks geziemen.
"Je mehr Unwissenheit und Einfalt mich verschmäht,
"Je mehr wird meine Kunst von der Vernunft erhöht.
"Wer um des Pöbels Lob und dessen Beyfall thönet,
440"Jst von versuchtem Wiz verachtet und verhöhnet;
"Weil jener Niedrigkeit und eitlen Schimmer liebt,
"Der aber dem den Ruhm, der ihn verdienet, gibt.
"Ja selbst sich nach der Kunst, der Künste Mutter, sähnet,
"Und mich, weil er mich ehrt, mit Lorber-Zweigen krönet.
445
"So schliesset dann und sprecht! ist meine Kunst im Stand?
"Kann ich der späten Welt, uns, und dem Vaterland
"Ein
Thereſiade
„Verblender und verſtockt den hellen Tag verſchmaͤhet,
„Well ſeine Bloͤdigkeit dadurch verrathen ſtehet.
425
„So bin ich unbeſorgt und dieſes Kummers frey:
„Ob ich von ihm gelobt, von ihm verachtet ſey.
„Es iſt da nicht der Ort der Einfalt anzuzeigen,
„Was hier der Dichter-Kunſt, was dort der Wahrheit eigen;
„Viel weniger wie ſie ſich dem Gedicht vereint;
430„Warum die Wahrheit oft nur eine Blendung ſcheint;
„Warum man ein Gedicht oft vor die Wahrheit halte.
„Wie ihr Zuſammenhang ein Ehren-Mahl geſtallte.
„Genug: ich dichte ſtets, wie man es nennen will;
„Die Wahrheit und die Luſt ſeynd meiner Arbeit Ziel.
435„Es koͤnnen ſolcher Macht ſich keine Kuͤnſte ruͤhmen;
„So wird gewiß nur mir der Bau des Wercks geziemen.
„Je mehr Unwiſſenheit und Einfalt mich verſchmaͤht,
„Je mehr wird meine Kunſt von der Vernunft erhoͤht.
„Wer um des Poͤbels Lob und deſſen Beyfall thoͤnet,
440„Jſt von verſuchtem Wiz verachtet und verhoͤhnet;
„Weil jener Niedrigkeit und eitlen Schimmer liebt,
„Der aber dem den Ruhm, der ihn verdienet, gibt.
„Ja ſelbſt ſich nach der Kunſt, der Kuͤnſte Mutter, ſaͤhnet,
„Und mich, weil er mich ehrt, mit Lorber-Zweigen kroͤnet.
445
„So ſchlieſſet dann und ſprecht! iſt meine Kunſt im Stand?
„Kann ich der ſpaͤten Welt, uns, und dem Vaterland
„Ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0052"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;Verblender und ver&#x017F;tockt den hellen Tag ver&#x017F;chma&#x0364;het,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Well &#x017F;eine Blo&#x0364;digkeit dadurch verrathen &#x017F;tehet.</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">425</note>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;So bin ich unbe&#x017F;orgt und die&#x017F;es Kummers frey:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ob ich von ihm gelobt, von ihm verachtet &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es i&#x017F;t da nicht der Ort der Einfalt anzuzeigen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Was hier der Dichter-Kun&#x017F;t, was dort der Wahrheit eigen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Viel weniger wie &#x017F;ie &#x017F;ich dem Gedicht vereint;</l><lb/>
            <l><note place="left">430</note>&#x201E;Warum die Wahrheit oft nur eine Blendung &#x017F;cheint;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Warum man ein Gedicht oft vor die Wahrheit halte.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie ihr Zu&#x017F;ammenhang ein Ehren-Mahl ge&#x017F;tallte.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Genug: ich dichte &#x017F;tets, wie man es nennen will;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die Wahrheit und die Lu&#x017F;t &#x017F;eynd meiner Arbeit Ziel.</l><lb/>
            <l><note place="left">435</note>&#x201E;Es ko&#x0364;nnen &#x017F;olcher Macht &#x017F;ich keine Ku&#x0364;n&#x017F;te ru&#x0364;hmen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;So wird gewiß nur mir der Bau des Wercks geziemen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Je mehr Unwi&#x017F;&#x017F;enheit und Einfalt mich ver&#x017F;chma&#x0364;ht,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Je mehr wird meine Kun&#x017F;t von der Vernunft erho&#x0364;ht.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wer um des Po&#x0364;bels Lob und de&#x017F;&#x017F;en Beyfall tho&#x0364;net,</l><lb/>
            <l><note place="left">440</note>&#x201E;J&#x017F;t von ver&#x017F;uchtem Wiz verachtet und verho&#x0364;hnet;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Weil jener Niedrigkeit und eitlen Schimmer liebt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der aber dem den Ruhm, der ihn verdienet, gibt.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ja &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich nach der Kun&#x017F;t, der Ku&#x0364;n&#x017F;te Mutter, &#x017F;a&#x0364;hnet,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und mich, weil er mich ehrt, mit Lorber-Zweigen kro&#x0364;net.</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">445</note>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;So &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et dann und &#x017F;precht! i&#x017F;t meine Kun&#x017F;t im Stand?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Kann ich der &#x017F;pa&#x0364;ten Welt, uns, und dem Vaterland</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Ein</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] Thereſiade „Verblender und verſtockt den hellen Tag verſchmaͤhet, „Well ſeine Bloͤdigkeit dadurch verrathen ſtehet. „So bin ich unbeſorgt und dieſes Kummers frey: „Ob ich von ihm gelobt, von ihm verachtet ſey. „Es iſt da nicht der Ort der Einfalt anzuzeigen, „Was hier der Dichter-Kunſt, was dort der Wahrheit eigen; „Viel weniger wie ſie ſich dem Gedicht vereint; „Warum die Wahrheit oft nur eine Blendung ſcheint; „Warum man ein Gedicht oft vor die Wahrheit halte. „Wie ihr Zuſammenhang ein Ehren-Mahl geſtallte. „Genug: ich dichte ſtets, wie man es nennen will; „Die Wahrheit und die Luſt ſeynd meiner Arbeit Ziel. „Es koͤnnen ſolcher Macht ſich keine Kuͤnſte ruͤhmen; „So wird gewiß nur mir der Bau des Wercks geziemen. „Je mehr Unwiſſenheit und Einfalt mich verſchmaͤht, „Je mehr wird meine Kunſt von der Vernunft erhoͤht. „Wer um des Poͤbels Lob und deſſen Beyfall thoͤnet, „Jſt von verſuchtem Wiz verachtet und verhoͤhnet; „Weil jener Niedrigkeit und eitlen Schimmer liebt, „Der aber dem den Ruhm, der ihn verdienet, gibt. „Ja ſelbſt ſich nach der Kunſt, der Kuͤnſte Mutter, ſaͤhnet, „Und mich, weil er mich ehrt, mit Lorber-Zweigen kroͤnet. „So ſchlieſſet dann und ſprecht! iſt meine Kunſt im Stand? „Kann ich der ſpaͤten Welt, uns, und dem Vaterland „Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/52
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/52>, abgerufen am 24.11.2024.