Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"Sie streiten, welches mehr dem andern angenehm;
"Was dem beliebig ist, wird jenem auch bequem.
635"Es ist nichts was den Bund so theurer Eintracht stöhre;
"Nichts, was die Gegengunst der Gegentreu versehre.
"Seht nur das Herrschen an! wie sie der Kronen Last
"Und er mit ihr des Throns Beschwerlichkeiten faßt;
"Wie unermüdet sie den Sinn, den Winck, den Willen
640"Eins für das andere zu gleicher Zeit erfüllen.
"Eins ist dem anderen so treu, geneigt und lieb,
"Als käm die Regung nur von eines Herzens Trieb.
"Die sanften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen
"Seynd, daß man beyde kann vor ein Geschöpfe zählen.
645"Sie wohnt in seiner Seel, er herrscht in ihrer Brust;
"Jhr Aug ergözet sich in seiner Augen Lust.
"Es ist ein Zwillings-Paar in Sinn, Gestallt und Wercken;
"Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu stärcken.
"Geschieht es, das man eins in Traur und Drangsal stürzt;
650"So wird sie durch das Leid des anderen verkürzt.
"Vergnügen, Freud und Trost, Leid, Unlust, Qual und Schmerzen,
"Vermehren, mindern sich zugleich in ihren Herzen.
"Ermuntert er den Blick, so faßt ihr Auge Muth,
"Weil ihre Lust allein in seiner Freude ruht.
655"Selbst Unzertrennlichkeit ist ihrer Neigung Kette;
"Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette.
"Die
Thereſiade
„Sie ſtreiten, welches mehr dem andern angenehm;
„Was dem beliebig iſt, wird jenem auch bequem.
635„Es iſt nichts was den Bund ſo theurer Eintracht ſtoͤhre;
„Nichts, was die Gegengunſt der Gegentreu verſehre.
„Seht nur das Herꝛſchen an! wie ſie der Kronen Laſt
„Und er mit ihr des Throns Beſchwerlichkeiten faßt;
„Wie unermuͤdet ſie den Sinn, den Winck, den Willen
640„Eins fuͤr das andere zu gleicher Zeit erfuͤllen.
„Eins iſt dem anderen ſo treu, geneigt und lieb,
„Als kaͤm die Regung nur von eines Herzens Trieb.
„Die ſanften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen
„Seynd, daß man beyde kann vor ein Geſchoͤpfe zaͤhlen.
645„Sie wohnt in ſeiner Seel, er herꝛſcht in ihrer Bruſt;
„Jhr Aug ergoͤzet ſich in ſeiner Augen Luſt.
„Es iſt ein Zwillings-Paar in Sinn, Geſtallt und Wercken;
„Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu ſtaͤrcken.
„Geſchieht es, das man eins in Traur und Drangſal ſtuͤrzt;
650„So wird ſie durch das Leid des anderen verkuͤrzt.
„Vergnuͤgen, Freud und Troſt, Leid, Unluſt, Qual und Schmerzen,
„Vermehren, mindern ſich zugleich in ihren Herzen.
„Ermuntert er den Blick, ſo faßt ihr Auge Muth,
„Weil ihre Luſt allein in ſeiner Freude ruht.
655„Selbſt Unzertrennlichkeit iſt ihrer Neigung Kette;
„Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette.
„Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0030"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;Sie &#x017F;treiten, welches mehr dem andern angenehm;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Was dem beliebig i&#x017F;t, wird jenem auch bequem.</l><lb/>
            <l><note place="left">635</note>&#x201E;Es i&#x017F;t nichts was den Bund &#x017F;o theurer Eintracht &#x017F;to&#x0364;hre;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Nichts, was die Gegengun&#x017F;t der Gegentreu ver&#x017F;ehre.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Seht nur das Her&#xA75B;&#x017F;chen an! wie &#x017F;ie der Kronen La&#x017F;t</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und er mit ihr des Throns Be&#x017F;chwerlichkeiten faßt;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie unermu&#x0364;det &#x017F;ie den Sinn, den Winck, den Willen</l><lb/>
            <l><note place="left">640</note>&#x201E;Eins fu&#x0364;r das andere zu gleicher Zeit erfu&#x0364;llen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Eins i&#x017F;t dem anderen &#x017F;o treu, geneigt und lieb,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Als ka&#x0364;m die Regung nur von eines Herzens Trieb.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die &#x017F;anften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen</l><lb/>
            <l>&#x201E;Seynd, daß man beyde kann vor ein Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe za&#x0364;hlen.</l><lb/>
            <l><note place="left">645</note>&#x201E;Sie wohnt in &#x017F;einer Seel, er her&#xA75B;&#x017F;cht in ihrer Bru&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Jhr Aug ergo&#x0364;zet &#x017F;ich in &#x017F;einer Augen Lu&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es i&#x017F;t ein Zwillings-Paar in Sinn, Ge&#x017F;tallt und Wercken;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu &#x017F;ta&#x0364;rcken.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ge&#x017F;chieht es, das man eins in Traur und Drang&#x017F;al &#x017F;tu&#x0364;rzt;</l><lb/>
            <l><note place="left">650</note>&#x201E;So wird &#x017F;ie durch das Leid des anderen verku&#x0364;rzt.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Vergnu&#x0364;gen, Freud und Tro&#x017F;t, Leid, Unlu&#x017F;t, Qual und Schmerzen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Vermehren, mindern &#x017F;ich zugleich in ihren Herzen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ermuntert er den Blick, &#x017F;o faßt ihr Auge Muth,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Weil ihre Lu&#x017F;t allein in &#x017F;einer Freude ruht.</l><lb/>
            <l><note place="left">655</note>&#x201E;Selb&#x017F;t Unzertrennlichkeit i&#x017F;t ihrer Neigung Kette;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] Thereſiade „Sie ſtreiten, welches mehr dem andern angenehm; „Was dem beliebig iſt, wird jenem auch bequem. „Es iſt nichts was den Bund ſo theurer Eintracht ſtoͤhre; „Nichts, was die Gegengunſt der Gegentreu verſehre. „Seht nur das Herꝛſchen an! wie ſie der Kronen Laſt „Und er mit ihr des Throns Beſchwerlichkeiten faßt; „Wie unermuͤdet ſie den Sinn, den Winck, den Willen „Eins fuͤr das andere zu gleicher Zeit erfuͤllen. „Eins iſt dem anderen ſo treu, geneigt und lieb, „Als kaͤm die Regung nur von eines Herzens Trieb. „Die ſanften Wirckungen der Eintracht ihrer Seelen „Seynd, daß man beyde kann vor ein Geſchoͤpfe zaͤhlen. „Sie wohnt in ſeiner Seel, er herꝛſcht in ihrer Bruſt; „Jhr Aug ergoͤzet ſich in ſeiner Augen Luſt. „Es iſt ein Zwillings-Paar in Sinn, Geſtallt und Wercken; „Eins weiß das andere mit gleicher Kraft zu ſtaͤrcken. „Geſchieht es, das man eins in Traur und Drangſal ſtuͤrzt; „So wird ſie durch das Leid des anderen verkuͤrzt. „Vergnuͤgen, Freud und Troſt, Leid, Unluſt, Qual und Schmerzen, „Vermehren, mindern ſich zugleich in ihren Herzen. „Ermuntert er den Blick, ſo faßt ihr Auge Muth, „Weil ihre Luſt allein in ſeiner Freude ruht. „Selbſt Unzertrennlichkeit iſt ihrer Neigung Kette; „Der Sinnen Einigkeit der beyden Seelen Bette. „Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/30
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/30>, abgerufen am 24.11.2024.